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Debatte über Amt des EU-Parlamentspräsidenten
Kampfabstimmung scheint möglich

In der Frage, wer nächster Präsident des Europaparlaments wird, zeichnet sich weiter keine Lösung ab. Die Sozialdemokraten befürworten eine weitere Amtszeit von Martin Schulz, die Konservativen hingegen wollen einen eigenen Kandidaten benennen. Ein Kompromiss ist noch nicht in Sicht.

Von Jörg Münchenberg | 23.11.2016
    EU-Parlamentspräsident Martin Schulz während einer Debatte in Straßburg am 5.10.2016. Im Hintergrund eine blaue Wand mit gelben Sternen.
    EU-Parlamentspräsident Martin Schulz während einer Debatte. Kandidiert er wieder für den Vorsitz - oder zieht es ihn nach Berlin? (AFP/FREDERICK FLORIN)
    Hinter den Kulissen wird derzeit heftig um die Besetzung des Präsidentenamtes im Europäischen Parlament gerungen. Die Europäische Volkspartei pocht auf die Vereinbarung der Amtsteilung zwischen Sozialdemokraten und EVP. Während ausgerechnet der eigene Parteifreund, EU-Kommissionschef Jean Claude Juncker intensiv dafür trommelt, am Status quo – und damit an Martin Schulz, SPD - festzuhalten.
    Schon mehrfach hat Juncker direkt bei EVP-Abgeordneten für Schulz geworben, was wiederum bei der CDU im Europäischen Parlament – gelinde gesagt – für Erstaunen gesorgt hat. Herbert Reul, der Chef der deutschen Christdemokraten gegenüber diesem Programm:
    "Ich finde es überflüssig. Ich finde die Kommission hat mit den Personalentscheidungen des Parlaments nichts zu tun. Die sollen sich da raushalten. Ich glaube auch nicht, dass das Erfolg hat. Weil es jetzt einen Zeitpunkt gibt, wo sich jeder schon entschieden hat. Und das macht jetzt eher eine gegenteilige Wirkung aus. Weil die Leute sagen – pass mal auf, das machen wir alleine. Das ist unsere Aufgabe. Da brauchen wir keine Hinweise von außen".
    "Er will und er wird in Brüssel bleiben"
    Tatsächlich hält die EVP bislang an ihrer Position unbeirrt fest. Im Dezember soll der eigene Kandidat gekürt und dann im Januar 2017 zum neuen Präsidenten gewählt werden. So sei es vereinbart, sagt auch Fraktionschef Manfred Weber mit Verweis auf die schriftliche Vereinbarung zwischen ihm, Schulz und Guy Verhofstadt, dem Fraktionschef der Liberalen:
    "Stabilität bedeutet auch, dass wir nicht über persönliche Interessen reden. Stabilität heißt auch, dass wir uns gegenseitig vertrauen können. Und das heißt auch: Bitte respektiert die gemeinsame Erklärung, die von mit, Martin Schulz und Verhofstadt unterzeichnet worden ist. Das ist auch sehr wichtig für die Stabilität dieses Parlaments".
    Eine indirekte Warnung an die Sozialdemokraten, denn angesichts der deutlich erstarkten Populisten gilt die informelle Große Koalition als wichtige Stütze für das parlamentarische Alltagsgeschäft. Doch bei der SPD hört sich das ganz anders an – dort findet der Anspruch von Schulz, möglicherweise zum dritten Mal antreten zu wollen, viel Zuspruch. Der Sozialdemokrat Knut Fleckenstein:
    "Er will und er wird in Brüssel bleiben. Eindeutig. Er will, ist gar keine Frage, das kann man schwer diskutieren. Ob er hier bleiben wird, hängt davon ab, ob die EVP sieht, dass in einer Situation, wo keiner von uns beiden eine Mehrheit hat, man weiter zusammenarbeiten will oder nicht. Und das geht nur, wenn man die Lasten teilt und die Kompromisse miteinander findet."
    "Vielleicht geht Herr Schulz ja auch nach Berlin"
    Denn schließlich würden die Konservativen sowohl den Kommissionspräsidenten als auch den Ratspräsidenten stellen – da sei es gerechtfertigt, wenn das Amt des Parlamentspräsidenten bei den Sozialdemokraten bleibe, lautet das Argument. Das durchaus bei den Grünen verfängt, die allerdings von einer neuerlichen Kandidatur des bisherigen Amtsinhabers ebenfalls nicht überzeugt sind. Die designierte Fraktionschefin der Grünen Ska Keller:
    "Es gibt da schon sehr starke Vorbehalte gegen Schulz. Wir wären aber auch nicht glücklich, wenn wir jetzt nur noch Konservative an den Spitzen der europäischen Institutionen haben. Aber mal gucken, wie sich das so entwickelt, wer weiß, vielleicht geht Herr Schulz ja auch nach Berlin.
    Und so bleibt die Lage weiter unübersichtlich. Bislang ist keine Seite zu Zugeständnissen bereit. Eine Wahlschlappe bei einer möglichen Kampfabstimmung im Januar aber kann sich EVP-Fraktionschef Manfred Weber politisch schlicht nicht leisten. Weshalb in Brüssel längst darüber spekuliert wird, dass er am Ende selbst antreten wird. Obwohl Weber eigentlich gerne Fraktionschef bleiben würde.