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Der Fall Werth
WM-tauglich

Fehlende Unabhängigkeit? Oder vielleicht ein Gefälligkeitsurteil? Die Verantwortlichen des Verbandes äußern sich erstmals zum Fall Isabell Werth. Die Dressur-Olympiasiegerin kann nun für die WM in Frankreich planen. Das Verfahren wegen unerlaubter Medikation ihres Pferdes El Santo wurde eingestellt. Ursprünglich hatte die Disziplinarkommission der deutschen reiterlichen Vereinigung, FN, Isabell Werth zu einer Sperre von sechs Monaten verurteilt. Isabell Werth legte Berufung ein. Wäre das Große Schiedsgericht des Verbandes bei der Sperre geblieben, hätte Werth wohl die WM verpasst.

Von Andrea Schültke | 30.03.2014
    Am Ende zeigten sich alle zufrieden. Dressur-Bundestrainerin Monica Theodorescu brachte es auf den Punkt:

    "Ich bin einfach nur froh, dass es vorbei ist und dass die Geschichte vom Tisch ist und dass wir da jetzt weiter arbeiten können."

    Weiter arbeiten in Richtung WM. Und Deutschlands erfolgreichste Dressurreiterin Isabell Werth hat wieder die Chance dabei zu sein. Die drohende sechsmonatige Sperre wegen eines verbotenen Mittels im Körper ihres Pferdes El Santo ist kein Thema mehr. Das Große Schiedsgericht des Verbandes hat das Verfahren eingestellt. Eine Bewertung dazu wollte Verbands-Sportchef Dennis Peiler nicht abgeben:
    "Das ist gar nicht zu kommentieren, da uns die Urteilsbegründung noch nicht vorliegt."
    Die Presseabteilung seines Verbandes hatte da längst Einzelheiten bekannt gegeben. Das Große Schiedsgericht habe das Vergehen als "leichten Verstoß" bewertet, hieß es in der Pressemitteilung. Die nachgewiesene Menge des nur national verbotenen Mittels sei wirkungslos gewesen. Von außen betrachtet wirkt die Entscheidung des Großen Schiedsgerichts wie ein Gefälligkeitsurteil. Gut für alle Beteiligten: Für die Reiterin, weil sie jetzt weiter reiten kann. Und weil der leichte Verstoß nicht als Wiederholungstat gewertet wurde. Denn im Jahr 2009 war Isabell Werth bereits wegen Dopings eines ihrer Pferde, also wegen einer schweren Regelverletzung, gesperrt gewesen. Eine erneute Sperre ist jetzt vom Tisch. Das Urteil ist auch gut für den Verband, denn der Gang vor ein ordentliches Gericht entfällt. Den hatte Isabell Werth für den Fall einer Verurteilung lange angekündigt. Auf diese Möglichkeit angesprochen, gab sich Dennis Peiler betont gelassen:
    "Das ist der normale Weg. Das ist nicht das erste Mal, dass ein Sportler seine Rechte nutzt und vor ein ordentliches Gericht zieht. Auch in diesem Fall hätte mich das nicht irritiert."
    Experten sehen mit diesem Urteil das System der Verbandsgerichtsbarkeit beschädigt. Hier sei ein Präzedenzfall geschaffen worden. Denn bisher galt: Verbotene Substanz im Pferd gleich Verstoß gegen das Regelwerk – unabhängig von der Menge. Hier entschied das Gericht aber, die geringe Menge von Cimetidin bei Werths Pferd El Santo sei wirkungslos gewesen. "War drin, aber wirkungslos" kann in Zukunft jeder Reiter sagen. Von einem Präzedenzfall will FN-Generalsekretär Soenke Lauterbach dagegen nichts wissen. Und auch nicht von einem möglichen Einfluss des Verbands-Sponsors auf das Urteil. Der Landmaschinenhersteller hatte sich nämlich – höchst ungewöhnlich – in das Verfahren eingemischt. Das Unternehmen hatte die zunächst ausgesprochene sechsmonatige Sperre gegen Isabell Werth öffentlich kritisiert. Nach Gesprächen habe man wieder zusammengefunden, so Lauterbach. Den Vorwurf, Verband oder der Sponsor könnten das Urteil beeinflusst haben, weist der Generalsekretär zurück:
    "Die Richter würden sich bei mir deutlich verbitten, wenn ich Einfluss nehmen wollte und die werden sich bei jedem anderen sehr deutlich verbitten, wenn er Einfluss nehmen will."
    Die fehlende Neutralität eines Verbandsgerichts sieht auch Isabell Werth. In einer Stellungnahme zum Urteil schreibt die Reiterin auf ihrer Internetseite:

    "In Zukunft täte die FN gut daran, die Verhängung von Disziplinarmaßnahmen, (...) welche die Karriere eines Sportlers zerstören können, wirklich unabhängigen Personen zu überlassen."
    Die unabhängige neutrale Instanz in Sportverfahren ist das Deutsche Sportschiedsgericht (DIS). In Dopingfällen seiner menschlichen Athleten und bei Pferde-Trainingskontrollen arbeitet der Reitverband bereits mit dem DIS zusammen. Bei den Wettkampfkontrollen der Vierbeiner will die Reiterliche Vereinigung allerdings bei der Verbandsgerichtsbarkeit bleiben. Dem Vorwurf fehlender Neutralität begegnet Generalsekretär Lauterbach:
    "Jetzt konkret gibt’s keine Überlegung das System zu ändern. Wir meinen, wir haben generell gute Erfahrungen mit den Verfahrenswegen."
    In diesem Fall führt der Weg nach mehr als 20 Monaten vielleicht zur WM nach Frankreich und vielleicht zu Medaillen für den Verband.