Dienstag, 23. April 2024

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Der Kommissar Erik Ode
Beichtvater und gewiefter Kriminalist

Der Urvater der Deutschen TV-Krimi-Kommissare etablierte den regelmäßigen Familien-Krimi-Abend im Deutschen Fernsehen fast zwei Jahre vor dem ersten ARD-Tatort. Heute vor 40 Jahren wurde die letzte Folge der Serie "Der Kommissar" mit Erik Ode im ZDF ausgestrahlt.

Von Hartmut Goege | 30.01.2016
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    Der Regisseur und Schauspieler Erik Ode, aufgenommen im April 1973. Erich Ode (eigentlich Erich Odemar) wurde am 6. November 1910 in Berlin geboren und starb am 19. Juli 1983 in Weißach. Bekannt wurde er durch die Krimiserie "Der Kommissar". (dpa/ picture alliance/ ossinger)
    "-Sie machen wohl einen Witz! Einen Toten? Bei mir im Kofferraum?"
    "-Ja! Mit mehreren Messerstichen umgebracht. Die Tatzeit lag keine Stunde zurück."
    Die betont ruhige, verständnisvolle Art war sein Markenzeichen. Kommissar Keller, ein kleiner, biederer Herr mit Hut, Mitte 60, war stets kurz angebunden, aber ein guter Zuhörer. Keine Verbrechensart schien ihm fremd. Seinen letzten Fall löste er am 30. Januar 1976 im Waffenschieber-Milieu.
    "- Sie kommen hier niemals heraus."
    "- Zweifeln Sie nicht daran, dass ich schießen werde."
    "- Daran zweifle ich nicht. Leute wie Sie kenne ich!"
    Sein Blick drückte aus, dass er schon alles gesehen hatte. Sieben Jahre und 97 Folgen lang hatten Keller, gespielt von Erik Ode und sein dreiköpfiges Assistenten-Team Walter, Robert und Harry in der Münchner Mordkommission nicht nur erfolgreich Verbrechen aufgeklärt, sondern erstmals auch den US-Krimi-Serien im Deutschen Fernsehen Paroli geboten. Bis zu 30 Millionen Zuschauer - Einschaltquoten von teils 60 Prozent und mehr - verfolgten regelmäßig die Tätersuche. "Der Kommissar" wurde zum Dauerbrenner und etablierte den Freitag für das ZDF als Krimi-Abend.
    Konsequent in schwarz-weiß
    Obwohl das Farbfernsehen längst erfunden war, wurde "Der Kommissar" konsequent in schwarz-weiß gedreht. Die Kamera-Einstellungen waren ruhig, das Erzähltempo war gemächlich und die Mordrate mit einem Toten pro Folge blieb noch überschaubar. Ein Erfolgsrezept waren regelmäßige Gastauftritte beliebter Film- und Bühnenstars, wie etwa Curd Jürgens, Bernhard Wicki oder Sonja Ziemann. Kellers beamtenhafte, altväterliche Figur entstammte der Feder des Autors Herbert Reinecker, der später auch "Derrick" schuf.
    "Ich versuche immer Urteile abzugeben über das, was gerade passiert. Prinzipien aufrecht zu erhalten, die alle in Gefahr sind heute aufgelöst zu werden, ihre Wirkung zu verlieren. Das sind möglicherweise auch konservative Begriffe, aber in der schrankenlosen Freiheit, die wir alle genießen heute, ist es vielleicht ganz gut."
    In Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche, geprägt von Studenten-Protesten und Ost-West-Annäherung, blieb Kommissar Keller für die Zuschauer ein ruhender Pol. Selbst die Täter sahen ihn oft als Beichtvater. Er war eine moralische Instanz. Auch für seine Assistenten, die ihn siezten und selbstverständlich von ihm geduzt wurden. Und die Geschlechterrollen waren noch klar verteilt:
    - "Sag mal, krieg ich eigentlich ´nen Kaffee, Rehbein, oder nicht ?"
    - "Ja, bin ja schon dabei, ich kann doch nicht hexen!"
    Während "Rehbeinchen" zu Dienstschluss auch gern mal Schnittchen servierte, gehörten Zigaretten und Alkohol noch zum guten Ton und dienten der Wahrheitsfindung, auch wenn man bei insgesamt über 800 gekippten Bieren, Weinen und Schnäpsen, wie eine eifrige Fan-Gemeinde nachgerechnet hatte, sich wunderte, dass überhaupt ein Fall gelöst wurde.
    "- Na ja, also, trinken wir erst mal einen. Rehbein!! Ein Wasserglas voll Cognac! Prost Harry."
    "- Zum Wohl!"
    Ohne reißerische Action
    Die Serie, die in sämtlichen Münchner Gesellschaftsschichten spielte, kam ohne reißerische Action aus. Der Mord wurde zur Nebensache. Stattdessen rückten die Beziehungen zwischen Tätern und Opfern in psychologischer Kammerspielmanier in den Mittelpunkt.
    "- Von Ihnen wird verlangt, dass Sie funktionieren wie ein Automat, der keine Rücksicht auf die Tatsache nehmen darf, dass er es mit Menschen zu tun hat."
    "- Sie irren sich! Wenn ich nicht ständig daran gedacht hätte, dass ich es mit Menschen zu tun habe, hätte ich nie herausbekommen, wer der Mörder ist."
    Eine Spezialität des Drehbuchschreibers Reinecker waren dabei Szenen, die oft in unvergleichlich hölzernen und redundanten Dialogen gipfelten.
    "- Sie sagten, Inge rief sie an und sagte,"Werner ist tot"."
    "- Ja richtig. Ich sagte: "Nanu, was ist passiert!"
    "- Sie sagten also "Nanu"?"
    "- Ja, ich sagte, "Nanu, was ist passiert!"
    "- Sagten Sie wirklich, "Nanu"?
    - Inge sagte, sie haben Werner erschossen.
    Wortkarg verabschiedete er die Serie in den Ruhestand
    Kritiker warfen der Serie antidemokratisches Wirkungspotenzial vor, denn stets war es Kommissar Keller, der seinen Assistenten gedanklich mehrere Schritte voraus war und den Täter schließlich präsentierte. Sein Team dagegen war für´s Reden, die Laufarbeit und die Aufdeckung falscher Fährten verantwortlich.
    "- Ich grüble über den Alten. Der wird immer vergnügter, macht seine Scherzchen, fragt, wie´s zu Hause geht ... dann hat er den Mörder meistens schon in der Tasche!"
    "- Guten Morgen, die Herren ..., na wie geht´s zu Hause?"
    Am Ende blieb der Chef sich treu. Wortkarg wie immer verabschiedete er sich und die Serie in den Ruhestand.
    "Ich danke Euch für alles! – (Erkennungsmelodie)"
    Die Zeiten hatten sich geändert. Und schon längst hatte Derrick erfolgreich die Nachfolge angetreten.