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Der Kurs der deutschen Lokomotive

Die Schuldenkrise im Euroraum ist längst noch nicht ausgestanden. Bislang blieb Deutschland von Ihren Auswirkungen weitgehend verschont. Doch wie lange bleibt das so? Viele Experten sehen Deutschland auch im Jahr 2013 als Lokomotive Europas.

Von Brigitte Scholtes | 03.01.2013
    Lange Zeit schien es so, als könne Deutschland die Schuldenkrise nichts anhaben. Die deutsche Wirtschaft entwickelte sich prächtig. Nach einer kleinen Schwächephase im letzten Vierteljahr 2011 kletterte das Bruttoinlandsprodukt in den nächsten Quartalen wieder, wenn auch mit nachlassender Dynamik. Zum Jahresende dürfte es sogar leicht geschrumpft sein. Das Winterhalbjahr aber haben die Auguren ohnehin schon abgeschrieben. Aber auch mit einem geringen Wirtschaftswachstum dürfte Deutschland auch 2013 die Lokomotive in Euroland bleiben, glaubt Andreas Scheuerle, Volkswirt der Dekabank, denn die grundsätzliche Ausrichtung stimme:

    "Das liegt natürlich zum einen daran, dass Deutschland nicht unmittelbar von der Schuldenkrise befallen worden ist. Wir spüren zwar jetzt die Ausläufer, aber wir haben kein Schuldenproblem, wir haben kein Konsolidierungsprogramm zu stemmen in Deutschland, und, nicht zu vergessen: Wir haben viele der Reformen, die in Südeuropa jetzt implementiert werden, in Deutschland schon hinter uns gebracht."

    Volkswirte setzen auch auf eine Wiederbelebung der Weltkonjunktur. Die würde dem Exportland Deutschland Nachfrage für seine Produkte bringen, meint Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz:

    "Deutschland profitiert darüber hinaus sowohl finanzpolitisch, aber auch von der Nachfrageentwicklung her von den ultraniedrigen Zinsen, die wir über alle Laufzeiten in Deutschland mittlerweile haben. Das spricht dafür, dass eben insbesondere auch die Baunachfrage, aber auch sonstige zinsabhängige Nachfragekomponenten weiter zunehmen werden. Zudem haben wir in Deutschland etwas höhere Lohnsteigerungen, die Inflation geht leicht zurück. Das heißt der private Konsum wird zwar nicht dynamisch wachsen, aber doch ein stabilisierender Faktor sein. Insofern glaube ich, dass Deutschland überproportional wächst und auch den Partnern ein bisschen Rückenwind gibt in Europa."

    So sollte die deutsche Wirtschaft also 2013 im Jahresverlauf wieder an Dynamik gewinnen, meint auch Uwe Angenendt, Chefvolkswirt der BHF-Bank:

    "Die Perspektiven fürs kommende Jahr sind deutlich günstiger, wir gehen von einem Wirtschaftswachstum von knapp unter einem Prozent aus. Meines Erachtens wird sich der Investitionsstau, den wir durch den möglichen Austritt Griechenlands und den Problemen in der Peripherie hatten, wird sich meines Erachtens im Verlauf des nächsten Jahres auflösen."

    Die Schuldenkrise bleibt der Unsicherheitsfaktor. Sie drückt schon auf die Stimmung der Verbraucher, die in den vergangenen Jahren das Wirtschaftswachstum mit getragen hatten. Doch wenn die Krise im Eurogebiet sich nicht wieder zuspitzt, dann sollte Deutschland weiter von seiner guten Struktur profitieren, glaubt Hannes Hesse, Hauptgeschäftsführer des VDMA, des Verbandes Maschinen- und Anlagenbau:

    "Wir haben hier in Deutschland und in Europa ein einzigartiges Netzwerk von hoch erfahrenen, hoch innovativen Unternehmen. Wir haben Technologieketten auch mit den Kunststoffen und dem Stahl, die einzigartig auf der Welt sind. Und dies ist eine Grundlage für den weltweiten Erfolg des Maschinenbaus. Immerhin sind wir nach wie vor noch Nummer Eins auf der Welt, was den Export betrifft."

    Der Maschinenbau hat gerade deshalb schon im abgelaufenen Jahr wenig von der Krise gespürt, selbst aus dem Euroraum hatte die Paradebranche der deutschen Wirtschaft mehr Aufträge erhalten als ein Jahr zuvor. Auch die Chemieindustrie setzt auf die Nachfrage aus dem Ausland, wenn auch in Europa wenig Schwung zu verspüren sei. Die Lage am Arbeitsmarkt könnte sich kurzfristig etwas eintrüben, damit auch die Konsumbereitschaft der Verbraucher. Aber in der zweiten Jahreshälfte sollte es dann wieder aufwärts gehen – solange die Schuldenkrise nicht wieder eskaliert.