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Der Tanz mit dem Feind

Das Münchner Filmfest zeigt gerne Streifen, die entdeckt werden wollen. So auch "Dancing in Jaffa", ein Dokumentarfilm aus Israel, der in Jaffa, einem arabischgeprägten Stadtteil von Tel Aviv spielt. Jüdische und palästinensische Kinder tanzen gemeinsam, und das nicht, ohne Hürden zu nehmen.

Von Christian Schiffer |
    Nein, richtige Stars werden die Kinder wohl nicht werden. Aber sie sollen lernen, worauf es im Leben ankommt: die Fähigkeit zu führen und zu folgen, gegenseitigen Respekt und Vertrauen, dazu Selbstbewusstsein, Disziplin und Umgangsformen. Das sagt Pierre Dulaine, Tanzlehrer aus New York, in der Dokumentation "Dancing in Jaffa", die am Wochenende auf dem Filmfest in München ihre Europapremiere gefeiert hat. Der Film zeigt, wie der fast 70-Jährige nach Jaffa zurückkehrt. Als Sohn einer palästinensischen Mutter und eines irischen Vaters will er nun in Israel jüdischen und arabischen Kindern das Tanzen beibringen.

    Teamarbeit ist also gefragt und natürlich müssen sich Mädchen und Jungs dabei auch berühren - egal ob jüdisch, muslimisch oder christlich. Kein ganz einfaches Unterfangen, wie die Regisseurin Hilla Medalia bestätigt:

    "Natürlich! Standardtanz einer sehr konservativen Gemeinschaft nahezubringen - das ist schon mal die erste Herausforderung. Da muss man Leute überzeugen und natürlich auch die Schulen, vor allem die der israelischen Palästinenser. Dort ist das gemeinsame Tanzen kein Teil der Kultur, auch nicht bei Hochzeiten. Das Gute ist aber, dass Pierre Dulaine aus Jaffa kommt und es geschafft hat, mit vielen Eltern zu sprechen und die Leute zu motivieren mitzumachen."

    Circa ein Fünftel der Bevölkerung Israels ist arabischen Ursprungs. Sie verstehen sich selbst als Palästinenser, haben formal dieselben Rechte wie die jüdische Bevölkerung Israels. Es gibt israelische Araber, die es weit gebracht haben und Minister oder Mitglieder des Verfassungsgerichts geworden sind. Doch ihre soziale Situation ist insgesamt wesentlich schlechter, als die der jüdischen Israelis und vielen fällt es schwer, sich mit dem jüdischen Staat zu identifizieren. Oft leben die jüdischen und arabischen Communities nebeneinander her und haben nicht viel miteinander zu tun. Und jetzt sollen sich plötzlich arabische und jüdische Kinder an den Händen fassen und miteinander tanzen. Friedliche Kinder, die Schranken überschreiten - auf den ersten Blick ist das eine etwas simple Botschaft und ziemlich typisch fürs israelische Kino, das nur dann international beachtet wird, wenn es politische Botschaften zu verkünden hat. Das ist aber nur natürlich, findet Hilla Medalia:

    "Wenn ich zum Beispiel einen Film über das Einwanderungsproblem in Israel machen würde, wäre das internationale Interesse daran sicherlich viel geringer. Das ist klar, denn eine Dokumentation über Einwanderung kann man auch in Deutschland machen. Warum sollte sich also jemand einen Film über dieses Thema aus Israel ansehen wollen? Der Nahostkonflikt dagegen beunruhigt die ganze Welt und beeinflusst das Leben vieler Menschen. Deswegen setzen viele israelische Filme auf dieses Thema."

    Auch "Dancing in Jaffa" kann sich einer gewissen Aufmerksamkeit sicher sein, und das hat sich bereits im Vorfeld ausgezahlt. Ein Teil der Produktionskosten wurde per Crowdfunding finanziert, also von Privatleuten, die das Projekt mit kleineren Summen unterstützen. Gleich zwei Kampagnen auf der Plattform "Kickstarter" brachten immerhin fast 65.000 Dollar ein, für einen kleinen Dokumentarfilm eine durchaus beträchtliche Geldspritze. Immer öfter setzen Dokumentarfilme auf die Schwarm-Finanzierung. Und dabei geht es nicht nur ums Geld, sondern auch um das Marketing, sagt Hilla Medalia:

    "Es ist sehr schwer, Filme herauszubringen, wie ich sie mache. Natürlich ist auch eine Kickstarter-Kampagne nicht ganz einfach. Aber "Dancing in Jaffa" hat sich sehr schnell viral verbreitet und wurde von Tausenden von Leuten unterstützt, die wir gar nicht kennen. Das sind natürlich Leute, die ihren Bekannten von diesem Film erzählen und die dann dafür sorgen, dass auch ihre Freunde ins Kino gehen."

    Das "Dancing in Jaffa" verhältnismäßig viele Zuschauer in die Lichtspielhäuser locken könnte, ist nicht ausgeschlossen. In den USA hat der renommierte Filmverleih "Sundance Selects" die Rechte an der Dokumentation übernommen. Das überrascht nicht: Denn dem Film gelingt es, dem ernsten Thema humorvolle Seiten abzugewinnen. "Dancing in Jaffa" wagt einen anrührenden und originellen Blick auf einen Konflikt, der in den Medien so präsent ist, wie kaum kein anderer. Ein Blick jenseits der Medienklischees.