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Der wahrscheinlich flachste Kohlenstoff der Welt

Graphen - mit langem E - ist eine erst vor sechs Jahren erstmals realisierte Form von Kohlenstoff, die nur aus einer einzigen Schicht Atome besteht. Seitdem ist das Material nicht nur ein einzigartiges Studienobjekt, man hofft auf, in Computerchips Silizium zu ersetzen und so Schaltkreise weiter zu miniaturisieren.

Von Arndt Reuning |
    "Graphit ist ein Schichtkristall, der aus lauter Graphenschichten aufgebaut ist. Wenn wir zweidimensionale Graphenschichten übereinanderstapeln, dann sind wir bei dem, was wir im Bleistift zum Schreiben haben."

    Jan Englert von der Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg-Erlangen hat diese Graphitkristalle zerlegt - in hauchdünnen Schichten, in das begehrte Graphen, einer der heißesten Nachfolgekandidaten für Silizium in der Halbleitertechnik. Der Molekularwissenschaftler aus Erlangen ist nicht der erste, dem das gelungen ist. Der Startschuss zur Graphenforschung ist im Jahr 2004 gefallen, an der Universität von Manchester. Dort hatten Physiker eine ebenso simple wie elegante Methode gefunden, die einzelnen Schichten von einem Graphitkristall abzulösen: Mit Hilfe von Tesafilm hatten sie die Kohlenstofflagen von einem Stückchen Graphit abgepflückt. Als Versuchsobjekt für die Grundlagenforschung konnten sich die Wissenschaftler nichts Besseres vorstellen. Aber für die Massenproduktion eignet sich diese Methode nicht. Das wollte Jan Englert ändern und hat eine chemische Methode gefunden, Graphen herzustellen: Er gibt die Graphitkristalle in Wasser, fügt eine spezielle Seife hinzu und stellt das Gemisch in ein Ultraschallbad.

    "Ultraschall sind lauter kleine Schockwellen, die den Kristallverbund auflockern. Und diese Stücke, die dann entfernt werden von dem Kristallverbund, die werden in Lösung stabilisiert. Dann kann das wieder aufgebrochen werden durch den nächsten Ultraschallschock, der ankommt, und irgendwann sind Sie dann bei Monolagen angekommen."

    Für die Stabilisierung der Graphenschichten im Wasser sorgen die Seifenmoleküle. Sie lagern sich von beiden Seiten an das hauchdünne Kohlenstoffnetzwerk an, ganz wie ein Sandwich, und vermitteln mit stark verzweigten, wasserliebenden Enden den Kontakt zum Lösungsmittel. Mit solch einer Lösung von Graphen könnte man zum Beispiel einen Tintenstrahldrucker befüllen. Und dann mit der Graphentinte Schaltkreise drucken, denn das Material hat eine hohe Leitfähigkeit. Um aber die chemischen Eigenschaften des Graphens gezielt verändern zu können, hat sich Jan Englert eine zweite Methode ausgedacht, mit der er den Kohlenstoff zugänglich macht. Dabei reagiert das Graphit mit aggressiven Chemikalien zu einem Salz. Der Kohlenstoff wird dabei mit zusätzlichen Molekülgruppen ausgestattet.

    "Dann können Sie dieses funktionalisierte Graphen zum Teil in organischen üblichen Lösungsmitteln auflösen - einfach durch Rühren. Und der Chemiker möchte immer gerne mit Sachen arbeiten, die sich in seinem Lösungsmittel lösen, um weiter Chemie daran zu machen oder für eine erleichterte Prozessierbarkeit zu sorgen für später."

    Die Eigenschaften von Graphen gezielt zu verändern, das hat auch der Chemiker Xinliang Feng im Sinn, der am Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz lange, schmale Graphenbänder herstellt. Allerdings spaltet er nicht Graphit auf, sondern setzt die Graphenschnipsel aus kleinen, ringförmigen Molekülen zusammen. Die Molekülringe sind wie kleine Steinchen, die zusammen ein Mosaik bilden. Das Graphenmuster ist das fertige Bild.

    "Wir entwerfen diese Molekülringe so, dass sie zwei Kontaktstellen haben. Dort können sie sich untereinander verknüpfen - es entstehen dann lange Molekülketten aus Kohlenstoff und Wasserstoff. Die liegen gewellt auf einer Oberfläche. Anschließend entziehen wir ihnen den Wasserstoff, und übrig bleiben flache Bänder aus Kohlenstoff, eben Graphen."

    Diese Bänder sind gerade einmal sieben Kohlenstoffatome breit. In diesen Dimensionen verhält sich Graphen nicht wie ein Metall, sondern wie ein Halbleiter, dessen Eigenschaften Xinliang Feng maßschneidern kann. Solche Bänder aus dem billigen Kohlenstoff könnten dann auf zukünftigen Computerchips das teure Silizium ersetzen. Während Jan Englert sich vorstellt, dass seine metallisch leitfähigen Graphenschnipsel eine Anwendung in der gedruckten Elektronik finden werden.