Dienstag, 21. Mai 2024

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Kosten von Megaevents im Fußball
„Jeder neue Ausrichter versucht, die vorherige WM zu übertrumpfen“

Der Ökonom Matthias Fett hat die Fußball-Weltmeisterschaften seit den 50er-Jahren dahingehend untersucht, wie hoch die Ausgaben in unterschiedlichen Bereichen sind. Ein Ergebnis: Investitionen lohnen sich nur für Länder, deren Image gut ist. Deutschland sei ein positives Beispiel, sagte Fett im Deutschlandfunk.

Matthias Fett im Gespräch mit Marina Schweizer | 12.07.2020
Der Innenraum des Olympiastadion Luschniki in Moskau. Die Stadt ist einer der Spielorte für die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in Russland.
Die FIFA habe bewirkt, dass die Messlatte für neue Turniere höher liegt, meint Matthias Fett. (picture alliance / dpa / Marius Becker)
Die Ausrichtung einer Fußball-Weltmeisterschaft belaste das Budget der Staaten, so Matthias Fett, Wirtschaftswissenschaftler von der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg. Man könne sagen, dass jeder neue Ausrichter versuche, die vorherige WM zu übertrumpfen.
Fett unterscheidet zwischen Mega, Giga und Tera-Events. Der Begriff "Megaevent" werde für jede Sportveranstaltung verwendet. Giga-Events seien teurer, was öffentliche Investitionen betrifft. Und Tera verwendet Fett für Veranstaltungen wie die Fußball-WM 2022 in Katar, für die der Staat 100 Milliarden Dollar investiert.
1990 mit Italien sei eine neue Richtung vorgegeben worden. Damals habe es viel mehr Ausgaben für Stadienrenovierung und neue Stadien gegeben. In Südafrika 2010, Brasilien 2014 und Russland 2018 seien die Stadienkosten und Kosten für Infrastrukturprojekte in die Höhe geschossen.
Deutschland als Positivbeispiel
Seine vier Analysekriterien waren: 1. Wie viele Zuschauer sind vor Ort in den Stadien? Demnach sind durch mehr Spiele und größere Stadien mehr Menschen vor Ort 2. Fernsehgelder: Diese seien exponentiell gestiegen. In den 90ern lagen sie noch bei 100 Millionen Dollar, im neuen Jahrtausend im Milliarden-Bereich. Die 3. Kategorie seien die Turnier- und Stadienkosten. Und 4. Infrastrukturprojekte. Demnach wollen Staaten ein besseres Image des Landes vermitteln und dadurch das Turnier aufwerten.
Deutschland sei dafür ein positives Beispiel. 2005 habe sich das Land in einer Rezession befunden und versucht, ein neues Image zu zeigen: "Die Welt zu Gast bei Freunden". Das habe man gut umgesetzt, weil dies später noch einen Effekt auf den deutschen Tourismus gehabt habe.
Blick auf das Maranaca-Stadion in Rio de Janeiro.
Kampf ums Maracana
In Rio de Janeiro beginnt erneut das Ringen um den Betrieb von Brasiliens bekanntestem Stadion, dem Maracana. Es fehlen Pachtgebühren in Millionenhöhe und es geht um Lizenzbetrug bei der Ausschreibung. Ein neuer Verwalter wird gesucht und im Hintergrund laufen schon neue Milliarden-Pläne.
Die staatliche Sportschule "Governador José Fragelli" in der Arena Pantanal in Cuiabá. Inzwischen lernen dort 500 Schüler mit einem sportpädagogischen Schwerpunkt.
WM-Stadien 2014: Teuer, schlecht genutzt – und Teil von Ermittlungen
Zwölf Stadien wurden für die Fußball-WM 2014 gebaut oder komplett saniert, die Kosten beliefen sich auf umgerechnet mehr als zwei Milliarden Euro. Heute stehen einige leer, die meisten kosten weiterhin viel Geld und bei fast allen ermittelt die Polizei wegen Schmiergeld-Zahlungen. Nur wenige Stadien der WM werden sinnvoll genutzt.
In Russland oder Brasilien hingegen habe man trotz Investitionen nicht über Menschenrechtsverletzung hinweg schauen können. Wenn das Ausrichterland generell kein gutes Image habe, sei eine Fußball-WM nur bedingt nutzbar, um das Image aufzuwerten.
Die FIFA habe bewirkt, dass die Messlatte für neue Turniere höher liege. Denn sowohl der frühere Präsident Blatter als auch der aktuelle, Infantino, hätten immer die aktuelle WM als "die beste aller Zeiten" bezeichnet. Zudem liege es am Zeitgeist, dass immer mehr Spektakel erwartet werde, und nicht nur das reine Spiel selbst.