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Maracana-Stadion
Kampf ums Maracana

In Rio de Janeiro beginnt erneut das Ringen um den Betrieb von Brasiliens bekanntestem Stadion, dem Maracana. Es fehlen Pachtgebühren in Millionenhöhe und es geht um Lizenzbetrug bei der Ausschreibung. Ein neuer Verwalter wird gesucht und im Hintergrund laufen schon neue Milliarden-Pläne.

Von Carsten Upadek | 31.03.2019
Blick auf das Maranaca-Stadion in Rio de Janeiro.
Blick auf das Maracana-Stadion in Rio de Janeiro - Austragungsort des WM-Endspiels 2014 und der Olympischen Sommerspiele 2016 (dpa picture alliance/Nicole Becker)
"Tour Guiado. Guided Tour. Well, hi, my name is Henrique." An einem Freitag Ende März im Besucherzentrum des Maracana in Rio de Janeiro. Touristenführer Henrique erklärt Besuchern auf Portugiesisch, Spanisch und Englisch die Geschichte des wichtigsten Stadions Brasiliens. Unter den Zuhörern ist Eric Hermans mit seiner Familie. Die Belgier sind Urlauber auf Station in Rio.
Eric sagt: "Wenn man an Brasilien denkt, dann denkt man auch an Fußball. Deshalb mussten wir hierherkommen, denn dieses Stadion ist weltberühmt. Da fallen mir Namen wie Pelé ein."
Der belgische Tourist Eric Hermans besucht mit seiner Familie das legendäre Maracana-Stadion.
Der belgische Tourist Eric Hermans besucht mit seiner Familie das legendäre Maracana-Stadion. (deutschlandradio / Carsten Upadek)
Guide Henrique erzählt von Pelés 900. Tor vor Augen der englischen Königin und andere Anekdoten. Was er auslässt ist, dass er ab 19. April eventuell keinen Job mehr hat. Denn vergangene Woche verkündete der Gouverneur des Staates Rio de Janeiro, Wilson Witzel:
"Wir heben die Konzession mit den Unternehmen, die das Maracana verwalten, auf. Grund sind nicht gezahlte Pachtgebühren und Lizenzbetrug bei der Ausschreibung. Sie nutzen ein Objekt des Staates, bezahlen nicht und schlimmer, die Klubs beklagen sich. Das geht so nicht."
Neun Millionen Euro Pachtgebühr als Schulden für den Staat
Das Konsortium "Complexo Maracanã S.A" schuldet dem Staat laut Witzel umgerechnet neun Millionen Euro Pachtgebühr. Das Konsortium antwortete schriftlich:
"Die von der Regierung erwähnten Pachtgebühren beziehen sich auf eine Gegenleistung für die kommerzielle Verwendung von Bereichen um das Stadion […], die aufgrund einer einseitigen Entscheidung der Regierung nicht zustande kam."
Uruguays Ghiggia erzielt im WM-Finale 1950 den 2:1-Siegtreffer gegen Brasilien.
Ort voller Legenden und Mythen: Das Maracana-Stadion von Rio. Hier verspielte Brasilien 1950 den WM-Titel vor heimischen Publikum. (picture alliance / EFE)
Maracana soll fünf Millionen Euro Gewinn machen
Laut ursprünglicher Ausschreibung von 2013 für den Betrieb hätten angrenzende Sportstätten für Leichtathletik und Schwimmsport abgerissen- und dort ein Shoppingcenter und ein Parkplatz gebaut werden sollen. Dagegen ging die Bevölkerung von Rio auf die Straße und der damalige Gouverneur lenkte ein. Seitdem streiten sich Konsortium, Staat und Fußballklubs um Kosten und Aufgaben. Bis vor kurzem jedenfalls, sagt der Journalist Sérgio Rangel:
"Vor zwei Jahren noch hat das Konsortium die Regierung gebeten, den Vertrag aufzulösen, weil das Stadion finanziell nicht tragbar wäre. Aber 2018 war das Maracana Rekordhalter an Fußballspielen in Brasilien, mehr als 50. Sechs Partien davon hatten Jahresrekorde bei Zuschauern und Umsätzen."
Dazu kommen Konzerte und 150.000 Touristen im Jahr. Laut Schätzungen machte das Maracana fünf Millionen Euro Gewinn. Hauptverantwortlich für den rentablen Betrieb ist Brasiliens beliebtester Fußballclub, Flamengo.
Vor dem Maracana-Stadion in Rio soll zusätzlicher Platz für Parkplätze geschaffen werden, dazu ein Hotel oder Shoppingcenter. Dafür soll ein Dach auf die angrenzenden Schienen der Zug- und Metro-Verbindungen aufgesetzt werden. 
Vor dem Maracana-Stadion in Rio soll zusätzlicher Platz für Parkplätze geschaffen werden, dazu ein Hotel oder Shoppingcenter. Dafür soll ein Dach auf die angrenzenden Schienen der Zug- und Metro-Verbindungen aufgesetzt werden. (Deutschlandradio / Carsten Upadek)
Landesregierung will keinen Klub gegen sich aufbringen
Am Mittwochabend stand im Maracana der Stadtklassiker an. Flamengo Rio de Janeiro gegen Fluminense, den anderen großen Klub der Stadt. Das Stadion ist halb voll, obwohl es um nicht viel geht. Flamengo steht schon fürs Halbfinale der Staatsmeisterschaft fest. Dennoch ist die Stimmung aufgeheizt - auf der Tribüne und auf dem Platz. Es gibt elf gelbe und zwei rote Karten. Flamengo gewinnt 2:1.
"Flamengo hat immer davon geträumt, das Maracana zu verwalten", so Journalist Rangel. "Es gab verschiedene Versuche in der Vergangenheit, mit Partnern das Maracana zu übernehmen. Sie sind alle gescheitert, weil man ihnen die Verwaltung nicht zutraute. Später, weil die Finanzierung nicht gesichert war."
Nun ein neuer Anlauf. In der letzten Märzwoche haben sowohl Flamengo mit Partnern als auch Fluminense offiziell Anspruch angemeldet. Erst einmal wird ein provisorischer Verwalter für 180 Tage gesucht, bis es eine neue Ausschreibung gibt. Am Freitag will Rios Staatsregierung kundtun, für wen sie sich entscheidet.
Nach Informationen des Dlf fürchtet man bei der Landesregierung, mit dem Zuschlag für einen Klub die Anhänger des anderen gegen sich aufzubringen. Deshalb dürfte ein dritter Interessent Favorit sein, ein Konsortium, das schon eine Arena in Sao Paulo verwaltet.
Flamengo Rio de Janeiro gegen Fluminense im Maracana-Stadion von Rio. Das Stadion ist halb voll, obwohl es um nicht viel geht.
Flamengo Rio de Janeiro gegen Fluminense im Maracana-Stadion von Rio. Das Stadion ist halb voll, obwohl es um nicht viel geht. (Deutschlandradio / Carsten Upadek)
Neue Vermarktungspläne für das Stadiongelände
Das Maracana ist Politik, so Rangel: "Das Maracana war immer ein wichtiger Trumpf im Wahlkampf. Alle ehemaligen Verantwortlichen des Staates Rio fuhren in Wahlkämpfen Rekorde ein."
Gouverneur Witzel trat sein Amt erst im Januar an. Im Wahlkampf hatte er versprochen, die Konzession fürs Maracana neu auszuschreiben. Nun gewählt und im Amt soll das in den 180 Tagen Übergangszeit passieren.
"Wir schreiben eine neue Konzession aus mit einem Projekt, das das Gebiet bestmöglich organisieren und revitalisieren soll. Die Stadien bleiben erhalten.
Wir wollen vor dem Maracana zusätzlichen Platz schaffen für Parkplätze, ein Hotel oder ein Shoppingcenter. Dafür wollen wir ein Dach auf die angrenzenden Schienen der Zug- und Metro-Verbindungen aufsetzen."
Als Vorbild sieht er ein Projekt in New York. Dort ist das Dach einer ehemaligen Güterzugtrasse zu einer Parkanlage umgebaut worden. Der Unterschied - die Strecke in New York ist stillgelegt. In Rio sind die Trassen eine wichtige und aktive Verkehrsachse.
Und dann ist da die Lage, sagt Journalist Sérgio Rangel: "Auf der einen Seite ist zwar das Maracana zu sehen. Auf der Rückseite aber das Armenviertel Mangueira. Das ist auch keine besonders sichere Gegend. Ich habe Zweifel, ob sich Investoren für das Projekt finden."
Sie sehen das Maracana-Stadion in Rio, es leuchtet ein Probe-Feuerwerk für die Eröffnungs-Feier.
Das Feuerwerk von Olympia 2016 und das WM-Finale 2014 sind im Maracana längst Geschichte (AFP / Yasuyoshi Chiba)
Baukonzern hat Zahlung von Schmiergeldern eingeräumt
In Rio gibt es eine starke Lobby für das Bauprojekt. Die Kosten werden mit zwei Milliarden Euro kalkuliert. Aber, dass erwartete Kosten nicht unbedingt der Endsumme entsprechen müssen, zeigt der Umbau des Maracana für die WM 2014. Geplant mit 160 Millionen Euro wurden es am Ende 280 Millionen.
Eine Bürgerbewegung um Orlando Santos kämpfte damals dagegen: "Jetzt versucht man dieses Debakel zu beantworten mit einem neuen größenwahnsinnigen Projekt, das nicht der Bevölkerung dient, sondern wieder anderen Interessen."
Damals für den Umbau des Maracana verantwortlich: der Baugigant Odebrecht. Inzwischen hat der Konzern zugegeben, dafür Millionen an Schmiergeldern gezahlt zu haben. Ex-Funktionäre und der ehemalige Gouverneur von Rio sind deshalb in Haft.
Odebrecht ist auch Hauptanteilseigner am Noch-Verwalter des Maracana. Ein Sprecher bestätigte dem Dlf, dass man juristisch nicht gegen die Auflösung des Pachtvertrages vorgehen werde. Das mag daran liegen, dass ein paar Millionen Gewinn mit dem Betrieb des Maracana nicht entscheidend sind. In diesem Spiel geht es um Milliarden - bei Bauaufträgen mit dem Staat.