Dienstag, 07. Mai 2024

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Deutsche Band in Afghanistan
Soldaten auf dem Sofa (3/6)

Die vier Musiker der Elektro-Pop-Band "The Bite" wollen einfach nur Solidarität mit den Soldaten in Afghanistan zeigen. Bei ihrem ersten Auftritt stoßen sie aber auf viele zurückhaltende Soldaten.

Von Axel Rahmlow | 04.01.2014
    Mitglieder der Band "The Bite" sitzen im Hubschrauber.
    Mitglieder der Band "The Bite" im Hubschrauber. (Axel Rahmlow )
    Die Scheinwerfer leuchten die Bühne in gelb und rot aus. 150 Soldaten sind im Camp-Café "Planet Mazar", die meisten zwischen 20 und 30, ein paar ältere Offiziere sind auch dabei, auf jeden Fall mehr als Frauen. Die sind im Camp eh in der absoluten Minderheit.
    Nadine steht im Zentrum der Bühne. Dahinter gibt Gabriel am Schlagzeug den Beat vor. Chris zelebriert das Gitarrespielen. Olli zupft stoisch an seinen Bass. Der Sound macht Spaß, der Beat treibt. Nadine ist eine selbstbewusste Frontfrau. Aber vor der Bühne klafft ein Loch. Mit vier Metern Sicherheitsabstand sitzen die Soldaten an Tischen um die Band herum. Sie wippen mit dem Fuß mit. Aber tanzen? Es ist eher soldatisch freundliche Aufmerksamkeit.
    "Militärischer Applaus" lacht einer an der Theke. Viele haben ein kleines Bier in der Hand. Eins von zweien pro Abend, mehr sind nicht erlaubt. Zur Kontrolle muss jeder Soldat seine persönliche Stempelkarte vorzeigen. Wenigstens ein paar Soldaten kommen in die Mitte. Sie tanzen nicht wirklich, aber sie bewegen sich zur Musik. Einer von ihnen mit Gewehr über der Schulter.
    "Wenn wir schon die Möglichkeit einer Band haben, dann muss man sich überwinden. Man muss die Soldaten auch, was heißt unterhalten, man muss ihnen was anbieten. Und ich finde, das ist zweckmäßig, mal raus aus der Stube, um Freundschaften zu pflegen, auch international, dass man die anderen kennenlernt. Das bringt schon viel."
    Anne S. steht auch vor der Bühne. Immerhin nur gut zwei Meter weit weg. Sie ist Mitte 20. Sie ist Assistentin im OP. Es ist ihr dritter Einsatz.
    "Ich arbeite im Krankenhaus und sehe, was wir leisten. Wir flicken die Soldaten wieder zusammen und bin ich so froh, dass wir Ablenkung bekommen und ich meinen Kopf freikriege. Es gibt aber geteilte Meinungen. Viele Soldaten sagen: Wir sind im Einsatz, und da gehört das nicht hin."
    Zwei davon sind Benedikt G. und Artjum H. Die beiden jungen Männer nicken. Während die Band spielt, sagen sie, riskieren draußen Soldaten ihr Leben.
    "Es ist schon komisch, dass andere in der Sicherung stehen und Aufträge haben, das ist ein komisches Gefühl."
    "Wir sind im Krieg. Das ist eine Ausnahmesituation. Und wenn ich dann sehe, dass hier um Beispiel Tanzkurse angeboten werden. Ich finde: Das hat bei der Bundeswehr in einem Krisengebiet nichts zu suchen."
    Damit verabschieden sie sich. Sie wollen noch duschen, bevor sich im Wohncontainer eine Schlange bildet. Denn mittlerweile ist es zehn Uhr, Sperrstunde. "The Bite" müssen Schluss machen. Viele Soldaten kommen jetzt auf einmal von ihren Tischen nach vorne, bedanken sich bei der Band, plaudern kurz. Nadine und Oli sind glücklich. Sie haben Verständnis für ihr tanzfaules Publikum.
    Nadine: "Die Leute, die auf ihren Plätzen gesessen sind, die haben es auch genossen. Das, was wir hier tun, das hat schon seine Richtigkeit."
    Oli: "Es ist schwierig, hier zu sagen: Jetzt habe ich Feierabend und zwei Stunden später mache ich mir einen schönen Abend in der Kneipe."
    Chris fasst zusammen: Alle in Uniform. Fast nur Männer. Alle nüchtern. In einem Krisengebiet, in dem viele Soldaten außerhalb des Lagers ihr Leben riskieren. Das hat er aber alles erst danach verstanden. Am Anfang war er unsicher.
    "Ich habe ein Feedback bekommen nach dem Konzert. Da wurde mir gesagt: Es hat hier noch nie jemand getanzt. Das ist einfach nicht möglich. Auch wegen diesen Dienstgraden nicht. Das wussten wir auch nicht. Und die Menschen, die uns gesagt haben, ihr habt uns echt glücklich gemacht hier, das ist, was hängen bleibt und zählt und das ist perfekt."
    Um kurz vor Mitternacht ist alles wieder aufgeräumt. Die Band verabschiedet sich vom letzten Gast: Stefan von den Hubschrauberpiloten hat sich alles von einem Sofa in der Ecke angeschaut.
    "Ich fand es sehr interessant. Gute Mischung: Deutsch, Englisch, Original, Cover. Die Band hat mich überzeugt, die 90 Minuten waren klasse, war richtig gut."
    Stefan verabschiedet sich, morgen ist Einarbeitung für ihn, ab 7 Uhr. Auch die Band ist platt. Ihr Betreuer Andreas bringt sie noch zum Wohncontainer. Es ist still draußen. Die Jeeps mit Maschinengewehren, der Stacheldrahtzaun, alles scheint im blassen Laternenlicht. Nur auf dem Rollfeld neben dem "Hotel"-Container starten und landen immer noch die Flugzeuge.