Donnerstag, 25. April 2024

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Deutsche Band in Afghanistan
Idylle zwischen Stacheldraht (2/6)

Die vier Musiker der Elektro-Pop-Band "The Bite" bei der deutschen Truppe in Afghanistan: Bei ihrer Ankunft im Camp Marmal macht ihnen die Enge zu schaffen - und die Pünktlichkeit der Bundeswehr.

Von Axel Rahmlow | 04.01.2014
    Die Band an der Außenmauer des Camps.
    Die Band an der Außenmauer des Camps Marmal in Afghanistan. (Deutschlandradio / Axel Rahmlow )
    Es ist staubig im Camp Marmal. Hinter den Mauern des Militärlagers ist die afghanische Wüste, unberührte Sandhügel. Chris schaut in die andere Richtung, zieht seine Mütze ein Stück ins Gesicht: Der Anfang des Hindukusch. Die Sonne scheint auf die Berge.
    "Das ist ein wunderschönes Bild, das sich da bietet. Die Wolken darüber. Das ist ein sehr schönes Stück Land."
    Neben der Landebahn ist Stau. Die Neunankömmlinge werden von ihren Einheiten abgeholt und in Geländewagen verfrachtet. Ein älterer Soldat beschwert sich, dass sein Jeep zugeparkt ist. Er trägt eine Pistole an der Hüfte. Jeder hier ist bewaffnet.
    Auch Andreas S. Er darf seinen vollen Namen nicht nennen. Sicherheitsgründe. Der Offizier wird sich um The Bite kümmern, die Betreuungsmaßnahme, wie sie die Bundeswehr nennt. Er duzt gleich alle und verfrachtet die Vier in sein Auto, ein normaler Kleinbus mit Bundeswehrlogo. Es gilt Tempo 20, überall im Camp. Ihr "Hotel" - ein Wohncontainer für Gäste - ist nur ein paar Meter entfernt. Nadine kriegt ein schmales Zimmer für sich, die Jungs teilen sich eins. Gabriel kennt das noch aus seiner Zeit beim Bund. Aber hier ist er nur drei Tage.
    "Was mich wirklich überrascht, dass die ganzen Soldaten hier, auch das ganze halbe Jahr, dass sie hier sind, dass sie in Mehrbettzimmern sind. Das stelle ich mir extrem belastend vor."
    Gepäck weg und weiter geht’s mit dem Kleinbus Richtung Konzertort. Noch fünf Stunden Zeit bis zum Auftritt. Andreas biegt auf die Hauptstraße des Camps, ein kilometerweiter gerader Strich mit etlichen Nebenstraßen, alles rechtwinklig, alles betoniert. Es geht vorbei an Parkplätzen voller gepanzerter Jeeps mit Maschinengewehren auf dem Dach. An endlosen Containerreihen und Wohnbaracken. An abgeriegelten Bereichen, Stacheldrahtzähnen, Sandsäcken. Überall brummen Stromgeneratoren. Alles sieht gleich aus. Die Band hat hundert Fragen an ihren Betreuer Andreas.
    Chris: "Und sind wir jetzt im deutschen Teil oder ist das der internationale?
    Andreas: "Das Camp ist unter deutscher Führung aber es sind 17 Nationen hier drin."
    Dazu gehören natürlich sehr viele Amerikaner, aber auch Norweger, Armenier oder Mongolen. Die Deutschen sind noch mit mehr als 3000 Soldaten hier. Aber es werden weniger. 2014 ist das Jahr des Abzugs, er hat schon längst begonnen. Die Bundeswehr nennt es lieber Rückverlegung. Chris schreibt alles in seinem Notizbuch auf.
    "In den zehn Jahren, die der Krieg schon dauert, ist das Lager zweimal beschossen wurden und beide Male gab es nur Sachschaden. Also ich für meinen Teil fühle mich völlig sicher hier."
    Beim Thema Sicherheit hat Andreas eine Bitte. Es geht um Fotos, die im Internet landen können.
    Andreas: "Keine Gesichter, keine Namen. Weil die Familien teilweise zu Hause Drohanrufe kriegen."
    Chris: "Von Kriegsgegnern aus Deutschland?"
    Andreas: "Ja und auch von Taliban. Hier ist wirklich Krisengebiet."
    Andreas hält in einer Seitenstraße vor dem "Planet Mazar". In dem Camp-Café sitzen Soldaten auf Sofas und trinken Kaffee, sie reden und lesen. Wie überall fast nur Männer. Soldatinnen machen höchstens fünf Prozent der Truppe aus. In einer Ecke wird gekickert, was eine Art Volksport bei den Deutschen hier ist.
    Gabriel: "Da wird einiges getan, dass sich die Soldaten wohlfühlen können. Aber es bleibt diese Enge, die auch wir erleben, aber die die Soldaten ja die ganze Zeit über haben."
    In der Ecke steht ein einsames Podest, gut drei mal drei Meter groß. Lichterketten baumeln an der Wand. Die Bühne.
    Soldaten rollen schwarze Kisten an. Boxen, ein Mischpult, Schlagzeug, Keyboard und Hunderte Kabel - The Bite haben über eine Tonne an Equipment aus Süddeutschland mitgebracht. Chris leitet den Aufbau, sagt allen, was zu tun ist. Nach ein paar Stunden hat die Bühne den Namen verdient. Es wird dunkel in Afghanistan.
    Oli: "Wir haben gerade den ersten Test gemacht und es hat schon mal bunt geblinkt."
    Um kurz nach acht Uhr liegt schon Wüstenstaub auf den Instrumenten, er schafft es durch jede Ritze. Oli putzt noch mal seine Brille. Die Band hat sich in aller Eile umgezogen. Betreuungsoffizier Andreas guckt schon auf die Uhr. Chris zeigt sich reumütig.
    "Wenn die acht Uhr meinen, dann meinen die acht Uhr null null. Und für uns heißt es: Wir treffen uns gegen acht. Und ich denke, beide Seiten bewegen sich da ein Stück weit aufeinander zu."
    Die Jungs tragen schwarzen Hemden und orange farbene Krawatten, Nadine statt Jeans jetzt Kleid und High Heels. Sie stehen vor 150 bewaffneten Soldaten.
    "Das ist schon irgendwie surreal in Afghanistan zu sein." - "Jetzt geht es um die Wurst. Die Leute warten drauf und wir sind heiß zu spielen."