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Deutsche Touristen am Roten Meer "zu einer Million Prozent" sicher

Deutsche Reiseanbieter wollen ihren Kunden wieder Urlaub am Roten Meer anbieten, obwohl das Auswärtige Amt immer noch von Reisen nach Ägypten abrät. Für Deutsche Touristen sei es absolut unbedenklich, an diese Ziele zu fahren, sagt der ägyptische Tourismusminister Hisham Zaazou.

Hisham Zaazou im Gespräch mit Friedbert Meurer | 25.09.2013
    Friedbert Meurer: In ein paar Tagen wollen einige Reiseveranstalter in Deutschland Ägypten wieder in ihr Programm aufnehmen. Neckermann und Öger Tours haben angekündigt, ab dem 30. September wieder Ziele am Roten Meer anzubieten. Dort sei die Lage sicher. Andere Reiseveranstalter halten sich noch zurück. Entscheidend sind Hinweise und Warnungen des Auswärtigen Amts. Das rät im Moment von Reisen nach Ägypten immer noch ab.

    – Hisham Zaazou ist seit 2012 Tourismusminister in Ägypten, wurde das damals schon unter Präsident Mursi, einer der wenigen Nichtmitglieder der Muslimbrüder. Ich habe gestern Minister Zaazou gefragt, was an den Reisehinweisen des Auswärtigen Amts im Moment falsch sein soll.

    Hisham Zaazou: Leider führen diese Hinweise doch zu einer erheblichen Belastung für die Ägypter und für diese Orte. Auch die vier Millionen Menschen, die vom Tourismus leben, sind davon betroffen, indirekt also 16 Millionen Ägypter. Auf der anderen Seite haben sich Delegationen aus Deutschland in den verschiedenen Touristenorten, die von Deutschen besucht werden, vergewissern können, dass die Sicherheitslage in diesen Orten völlig unbedenklich ist.

    Meurer: Also können Sie garantieren, dass deutsche Touristen, die ans Rote Meer fahren, dort auch sicher sind?

    Zaazou: Aber zu einer Million Prozent sind sie sicher. Es ist wirklich absolut unbedenklich, dort hinzufahren. Ich würde doch selbst die ägyptischen Interessen beeinträchtigen, wenn ich irgendetwas täte, was den Touristen schaden könnte. Unsere Gäste sind dort zu hundert Prozent geborgen und sicher. Alles wird für sie getan, sie können in diesen Teil Ägyptens unbedenklich reisen.

    Meurer: Wie können Sie da so sicher sein?

    Zaazou: Abgesehen von den verschiedenen Maßnahmen zur Sicherheit und zur Unbedenklichkeit, von denen ich selbst erfahren habe, sind auch Experten aus Europa gekommen und haben sich vor Ort mit eigenen Augen vergewissern können, wie sicher die Lage ist. Daneben muss man auch sehen: Diese Konflikte sind rein innerägyptische Angelegenheiten. Der Tourismus ist keineswegs ein Ziel dieser Ereignisse, und aus diesem Grund ist er auch nicht betroffen.

    Meurer: Gehen Sie davon aus, dass das Auswärtige Amt schon bald seine Reisehinweise ändern wird für Ägypten?

    Zaazou: Ich hoffe das. Ich bin zuversichtlich. Ich denke, dass die Reisehinweise mindestens nach und nach wieder geändert werden.

    Meurer: Es ist ja jetzt so, dass Ende September einige Organisationen, Reiseveranstalter wie Neckermann oder Öger Tours, wieder Flugreisen ans Rote Meer anbieten wollen. Aber nicht TUI, andere Organisationen und Veranstalter auch nicht. Ist das doch ein bisschen problematisch, dass die einen Veranstalter Ägypten wieder ins Angebot nehmen, die anderen nicht?

    Zaazou: Lassen Sie mich den letzten Stand von heute Morgen wiedergeben. Die führenden Organisationen von TUI werden am 24.10. wieder dort hinreisen. Thomas Cook wird Ende Oktober oder Anfang November die Reisen wieder aufnehmen. Die anderen führenden Reiseunternehmen werden über kurz oder lang dasselbe machen.

    Meurer: Seitdem der Arabische Frühling begonnen hat, sind die Touristenzahlen in Ägypten zurückgegangen. Wie groß ist der Schaden, der bisher entstanden ist?

    Zaazou: Im Jahr 2011 hatten wir Einbußen von etwa vier Milliarden US-Dollar, im Jahr 2012 2,5 Milliarden Dollar, im Jahr 2013 werden wir am Ende ebenfalls einen Verlust verbuchen müssen, sodass wir insgesamt acht bis zehn Milliarden US-Dollar eingebüßt haben, und das ist eine ganze Menge.

    Meurer: Vor einigen Wochen erst hat die ägyptische Armee Hunderte von Demonstranten der Muslimbruderschaft getötet. Erwarten Sie da wirklich, dass deutsche Touristen in ein Land reisen, dessen Regierung für ein solches Blutvergießen verantwortlich ist?

    Zaazou: Leider ist das Bild, das hier von vielen Medien gezeichnet wird, nicht die Wahrheit. Die ägyptische Regierung hat in Wahrheit sicheres Geleit für all jene zugesichert, die diese Sit-ins verlassen wollten. Diese Zusicherung wurde nicht respektiert, die Demonstranten haben selbst mit ihren Waffen begonnen zu schießen. Es war also keineswegs eine friedliche Demonstration, wie von den Menschen dort behauptet wurde.

    Meurer: Wieso haben die Armee und die Polizei, die Sicherheitskräfte nicht abgewartet und verhandelt?

    Zaazou: Nun, die Situation vor Ort hatte sich so entwickelt: Wir hatten fast mehr als einen Monat geboten, um jeden erdenklichen Weg zu einer politischen Lösung freizumachen. Diese Möglichkeiten waren erschöpft, sie sind dem nicht nachgegangen, und sie haben geglaubt, sie könnten die Uhr zurückstellen auf die Zeit vor dem 30. Juni.

    Meurer: Wir hatten gestern das Urteil eines ägyptischen Gerichtes gehabt, das die Muslimbruderschaft verbietet. Der Besitz, die Immobilien werden konfisziert. Ist das klug, auf diese Art und Weise den politischen Dialog zu verweigern?

    Zaazou: Ich muss hier eine Unterscheidung zwischen zweierlei treffen. Einerseits die Partei der Muslimbruderschaft, die Freiheits- und Gerechtigkeitspartei: Niemand hat sie angerührt, sie ist weiterhin am arbeiten. Was beschlagnahmt wurde, war die widerrechtliche Situation bei der Habe und den Besitztümern der Muslimbruderschaftsgruppen, wo in den letzten Jahren kein rechtlich einwandfreier Gebrauch nachgewiesen werden konnte. Es gibt also einen Unterschied zwischen der Partei und den Gruppierungen der Muslimbruderschaft.

    Meurer: Der Tag, an dem Präsident Mursi gezwungen wurde, zurückzutreten, obwohl seine Partei, die Muslimbrüder, die Wahl gewonnen haben, war das das Ende, hat das das Ende bedeutet für die ägyptische Demokratie?

    Zaazou: Ägypten und die Ägypter erfinden im Gegenteil die Demokratie jetzt gerade. So wie sie vor 5000 Jahren die Pyramiden erfunden haben, erfinden sie jetzt, dass sie nicht darauf warten, was ein Präsident macht, der offensichtlich aus der Bahn geraten ist, der in die falsche Richtung geht. 33 Millionen Menschen haben auf der Straße protestiert, 22 Millionen Menschen haben eine Petition unterzeichnet, in der gesagt wird, wir wollen den Wandel jetzt. Sagen Sie mir doch den Unterschied zwischen dem, was mit Mursi, und dem, was mit Mubarak geschehen ist.

    Meurer: Die ägyptische Regierung hat ja praktisch die gesamte Führung der Muslimbruderschaft ins Gefängnis geworfen. Was soll daran bitte demokratisch sein?

    Zaazou: Die Menschen von der Muslimbruderschaft, die jetzt hinter Schloss und Riegel sitzen, haben Verbrechen begangen. Die ägyptische Justiz nimmt sich dessen an. Andere Mitglieder der Muslimbruderschaft, die keine Verbrechen begangen haben, sind freigelassen worden, sie können sich frei bewegen und sie sind herzlich eingeladen, an dem Weg in die politische Zukunft Ägyptens teilzunehmen, der wirklich alle einschließen soll.

    Meurer: Was ist der Unterschied zwischen der Situation heute und den Zeiten des Regimes von Husni Mubarak, der ja sogar jetzt auf freien Fuß gesetzt worden ist?

    Zaazou: Die jetzige ägyptische Regierung achtet das Recht. Das Recht fordert, dass niemand länger als zwei Jahre vor einem Prozess gefangen gehalten werden darf. Der Prozess gegen Husni Mubarak läuft noch. Die Mitglieder der Muslimbruderschaft sind hinter Gitter gekommen, weil sie Verbrechen begangen haben. Sie werden einen unbeeinflussten Prozess bekommen, in dem sie dann entweder freigesprochen werden, oder endgültig einer Gefängnisstrafe zugeführt werden.

    Meurer: Der ägyptische Tourismusminister Hisham Zaazou sagt, es gibt weiter Demokratie in Ägypten, und er sagt, Urlaubsreisen ans Rote Meer seien sicher.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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    Der Konflikt zwischen Mursi-Anhängern und Armee sei eine rein innerägyptische Angelegenheit - der Tourismus sei davon nicht betroffen, meint Hisham Zaazou. (picture alliance / dpa / EPA / Mostafa Darwish)