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Die Agenten

Autoren, die geniale Verkäufer sind, die geniale Werbeexperten sind, die geniale Pressesprecher sind, die geniale Schreiber sind, die brauchen keine Agentur. Aber, was das eigentlich Normale ist: Ein Autor soll schreiben und soll eigentlich seine Talente schwerpunktmäßig nutzen für das Schreiben und nicht die ganze Zeit die Trommeln klopfen. Da ist die klassische Zweierteilung: Ich verkaufe, ich biete an, ich verhandle mit den Verlagen über die Werbung und die Pressearbeit und der Autor beschränkt sich auf das, was er kann, was ich nicht kann: auf das Inhaltliche. Wenn er besser verhandeln könnte als schreiben, dann sollte er Agent werden und nicht Autor.

Ursula Schwarzer |
    Autoren, die geniale Verkäufer sind, die geniale Werbeexperten sind, die geniale Pressesprecher sind, die geniale Schreiber sind, die brauchen keine Agentur. Aber, was das eigentlich Normale ist: Ein Autor soll schreiben und soll eigentlich seine Talente schwerpunktmäßig nutzen für das Schreiben und nicht die ganze Zeit die Trommeln klopfen. Da ist die klassische Zweierteilung: Ich verkaufe, ich biete an, ich verhandle mit den Verlagen über die Werbung und die Pressearbeit und der Autor beschränkt sich auf das, was er kann, was ich nicht kann: auf das Inhaltliche. Wenn er besser verhandeln könnte als schreiben, dann sollte er Agent werden und nicht Autor.

    Lianne Kolf, Inhaberin der Verlagsagentur Kolf in München. Und Ruth Liepman stimmt zu, die 1909 geborene Gründerin der Agentur Liepman Zürich . Sie schreibt in ihrem Erinnerungsband "Vielleicht ist Glück nicht nur Zufall". Zitat:

    Wo immer und wann immer literarische Agenturen aufkamen, war die psychologische und gesellschaftliche Ausgangssituation die gleiche. Der Autor war gegenüber dem Verleger ein armer und rechtloser Wicht, und das ist er in Maßen bis auf den heutigen Tag geblieben.

    Briefe und Memoiren von Autoren sind bis zum heutigen Tag voller Klagen über die Behandlung durch Verleger. Selbst Bestseller-Autoren wie einst Goethe und Heine lagen in ständigem Kampf mit ihren Verlegern um die Honorare. Deswegen betont Ruth Liepman:

    Autor und Verleger waren und sind keineswegs ebenbürtige Parteien oder gleichwertige Partner. Der Verleger sitzt am längeren Hebel. Er, und nur er, hat die Mittel zum Drucken und damit auch die Mittel zum Druck-Ausüben. Nach wie vor tritt der Autor – ist er ohne Agent – dem Verleger als Bittsteller gegenüber.

    Den Beruf des literarischen Agenten gibt es seit mehr als 100 Jahren. Der erste hauptberufliche Agent war vermutlich Alexander Pollock Watt, der sich um das Jahr 1875 in der Paternoster-Row in London niederließ. Die Gründung seiner Agentur erwies sich für alle Beteiligten als so vorteilhaft, dass bald an vielen Orten literarische Agenturen entstanden – weitere in England, aber auch in den Vereinigten Staaten, in Italien und in Frankreich.

    Deutschland folgte mit einer Verzögerung von einem Dreivierteljahrhundert. Ruth Liepman vermutet, dass daran die Kleinstaaterei schuld war und die Tatsache, dass in Deutschland erst 1871 ein bescheidener Urheberschutz eingeführt wurde.

    Alexander Pollock Watt war denn auch der erste, der sich nicht genierte, für seine Arbeit von den Autoren ein Honorar zu verlangen. Er etablierte den Provisionssatz von zehn Prozent aller Einkünfte des Autors aus der Unterbringung seines Werkes. Heutzutage liegt der Satz bei 15 bzw. 20 Prozent. Silke Weniger, Literaturagentin in München:

    Ich habe natürlich gleichzeitig sehr viele Projekte anzubieten. Viele davon kann ich auf Anfrage verschicken, d.h. die Leute treten an mich heran. Aber sehr viele Projekte, insbesondere die von Autoren, die noch nicht bekannt sind, dort muss ich die Kontakte aufbauen. Da hängt es wirklich sehr stark davon ab, was das für ein Stoff ist, ob es ein Roman ist, ob es ein Roman ist, der sich primär an Frauen richtet oder an Männer, welche Altersgruppe. Ich versuche dann herauszufinden durch meine Branchenkontakte, wer in welchen Verlagen für diese Zielgruppe zuständig ist, also welche Lektoren. Meine Ansprechpartner sind immer Lektorinnen und Lektoren. In vielen Fällen habe ich bereits einen direkten Kontakt zu diesen Menschen, in häufigen Fällen aber auch nicht. D.h. ich muss dort erst einmal anrufen, mich vorstellen und versuchen, Interesse für meinen Stoff zu erzeugen. Das kann man natürlich auch per Email tun oder per Brief. Am allerbesten geht es aber über Messekontakte.

    Messen sind Märkte. Dort treffen Angebot und Nachfrage aufeinander, und zwar in allen ihren Facetten. Neben Buchhändlern, Autoren, Lesern und Journalisten trifft man dort auch die Literaturagenten. Der wichtigste Termin für sie ist zwar noch immer die Frankfurter Buchmesse, aber auch die Leipziger Buchmesse kann sich sehen lassen: In der Zeit vom vergangenen Donnerstag bis heute stellen sich dort rund 2.000 Aussteller aus 30 Ländern vor; mit 70.000 Besuchern rechnet die Messegesellschaft. Der Agent Lionel von dem Knesebeck präsentiert in Leipzig vor allem seine Romanautoren, aber er gesteht:

    Ich habe mit Sicherheit unendlich schlechte Bücher vermittelt, die ihren Weg gemacht haben, und habe, Gott gebe, ein paar wunderschöne Bücher vermittelt. Es ist ganz schwierig. Mich kann der junge Lyriker nicht interessieren. Es hat sich bei mir per Zufall ein bisschen ergeben, dass ich sehr viele Menschen vertrete, die irgend etwas mit dem Fernsehen oder mit dem Film zu tun haben. Ich habe am Anfang sehr viel diese Bücher zu Fernsehserien gemacht, ob das nun die Guldenburgs oder Liebling Kreuzberg oder die Weihnachtsserien von Justus Pfauer, also Anna, die sich zum Teil millionenfach verkauft haben. Nur das hat natürlich mit Literatur nichts zu tun. Da kriegt man dann natürlich in der Kritik, nicht ich, aber der Autor oder der Verlag, auch mal von der Süddeutschen oder von der FAZ eins übergebraten. Mein Spektrum ist relativ gross und geht im Sachbuch von bis, in der Belletristik, von Gregor von Rezzori würde ich jetzt einfach mal unter Literatur zählen, ich gehe auch davon aus, dass jemand wie Karasek Literatur schreibt, aber dazwischen gibt es natürlich auch wunderbare und herrlich lesbare Bücher von Birgit Schrowange.

    Lionel von dem Knesebeck residiert in einem winzigen Büro in der vornehmen Münchner Maximilianstrasse, unweit des Hotels Vier Jahreszeiten:

    Ich akquiriere grundsätzlich nicht, sondern man macht mir einen Vorschlag, entweder man hat die Idee zu einem Buch und bespricht sie mit mir und ich sage: ‚Absoluter Quatsch, das ist ein Zweiteiler für die Bild-Zeitung, das ist kein Buch, aber wenn Sie das und das dazutun würden...’ Amelie Fried ist ein wunderbares Beispiel: Sie hatte 50-60 Seiten geschrieben und brachte sie mir und sagte: ‚Schau sie dir doch mal an, ob das irgendwas taugt.’ Das ist ein wunderbarer Bestseller geworden, der verfilmt wird und wo die Taschenbuchrechte teuer verkauft wurden. Michael Jürgs ‚Der Fall Romy Schneider’, habe ich wie Sauberbier angeboten. Alle haben mir gesagt: ‚Aber Romy ist seit zehn Jahren tot, was willst du mit der jetzt, und da gibt es so viele Bücher drüber, das kann kein Geschäft sein.’ Es war Platz vier der Bestsellerliste!

    Experten schätzen, dass 85 Prozent aller großen Literaturerfolge der letzten Jahre von Agentinnen bzw. Agenten vermittelt wurden. Ihr Spürsinn wird geschätzt. Bei über 1.500 unaufgefordert zugeschickten Manuskripten pro Jahr kann das Lektorat eines Verlags längst nicht alles sichten. Durch die Empfehlung einer Agentur aber wird es hellhörig. Klaus Eck, Verleger im Hause C. Bertelsmann, zu dem auch Blanvalet, Goldmann, Riemann, Knaus, Mosaik und btb gehören:

    "Immer wieder kommt Vorwurf auf seitens der Verlage der Preistreiberei. Ich denke, so pauschalisiert kann man das nicht formulieren. Es gibt da schwarze Schafe, und die kennt man auch, wo man immer wieder das Gefühl hat, hier wird letztendlich doch nicht mit den ganz richtigen Zahlen operiert, wenn es um große und größere Vorschusssummen, um Honorare oder um ähnliche Dinge geht, in denen auch immer die Finanzierungskraft eines Verlags gefragt ist. Im großen und ganzen denke ich aber, dass die Vorteile einer literarischen Agentur in unserer Welt heute überwiegen; und im Grunde sind Agenturen überhaupt nicht mehr wegzudenken aus unserer Welt, in dem Dreieck zwischen Autor, Agentur und Verlag nehmen sie diese Siebfunktion, die Vorauswahlfunktion ein.

    Weil Literaturagenten schon im vorhinein auswählen, ist es heutzutage für einen Autor nicht einfach, eine Literaturagentur zu finden. Der in München lebenden Autorin Barbara Wilde ist das gelungen. Sie hat unter anderem für SAT 1 die Drehbücher zu den 14 Folgen der Serie "Anna-Maria - Eine Frau geht ihren Weg" verfasst; und im Buchhandel findet man von ihr, neben verschiedenen Sachbüchern, den Roman "Vergiss ihn doch" und den erotischen Thriller "Wie das Gift in die Mango kam". Barbara Wilde betont:

    Ich finde es sehr gut mit einer Literaturagentin, weil man die unangenehmen Dinge eigentlich abladen kann, weil gerade die Vertrags- und Geldverhandlungen immer schwieriger werden und man sich eigentlich zurücklehnen und zur Agentin sagen kann: ‚Ich möchte so und so viel Geld haben, schau mal, dass du es kriegst. Ich möchte die und die Rechte behalten, bei Drehbüchern die Buchrechte, bei Buchverträgen die Filmrechte’, zum Beispiel und die Sache ist erledigt für einen selbst.

    Würde der Bertelsmann-Chef einem Autor eigentlich das gleiche zahlen, wenn er sich selbst vertritt? Klaus Eck:

    Natürlich muss ich nun antworten, dass er freilich das gleiche bekommen würde, käme er als Autor direkt in den Verlag, ohne die Zwischenstation einer Agentur. Ich denke aber, jeder Autor ist gut beraten, wenn er sich mit einem Agenten in Verbindung setzt und über diesen den Weg dann in einen bestimmten Verlag findet. Normalerweise erhält der Autor einen garantierten Vorschuss. Entscheidend dabei ist das Wörtchen ‚garantiert’, dann ist es ein Vorschuss, der nicht zurückzuzahlen ist, egal, ob der Verlag mit dem Buch erfolgreich ist oder nicht. Dieser garantierte Vorschuss wird dann verrechnet mit einer Beteiligung des Autors am Ladenpreis des Buches bis der Garantievorschuss erreicht ist. Anschließend muss der Verlag natürlich die Verkäufe dieses Buches weiter honorieren, je nach Absatz des Titels. Ein wenig anders schaut es beim Taschenbuch aus. Das Taschenbuch hat einen niedrigeren Ladenpreis, dafür eine etwas gemeinhin höhere Auflage als das gebundene Buch. Da gibt es Prozentsätze, die zwischen fünf und zehn Prozent vom Ladenpreis liegen.

    Die branchenübliche Kalkulation beinhaltet einen Buchhandels-Rabatt von 50 Prozent. Diese Handelsspanne braucht der Buchhandel, um zum Beispiel die Ladenmiete und die Gehälter fürs Personal zu erwirtschaften. Wenn man in einer Buchhandlung ein Buch für 20 € kauft, bekommt der Verlag 10 €, also die Hälfte davon.

    "Das ist der Kalkulationspreis, die Basis, von der man ausgeht bei der Berechnung. Ich habe ganz klassischerweise technische Kosten wie Druck, Bindung, Laminierung, was eben dazu gehört. Ich habe Vertriebskosten für Vertreter, ich habe Werbungskosten.

    Daher geht der Verlag dann, wenn die Herstellungskosten für ein gebundenes Buch zwei Euro betragen, von einem Faktor zehn aus, um zum Ladenpreis zu kommen. Denn tatsächlich variabel sind in der Buch-Kalkulation nur zwei Posten: der Ladenpreis und die Auflagenhöhe.

    Der klassische Flop, der Misserfolg im Buch-, im Verlagsgeschäft hängt von so vielen kalkulatorischen Details ab, dass es schwer ist, eine pauschale Antwort zu geben. Normalerweise ist es schon der überhöhte Vorschuss auf der einen Seite und der zu niedrige Absatz auf der anderen Seite.

    In jüngster Zeit geistert immer wieder einmal eine Vorschusssumme in Millionenhöhe durch die Presse, die ein Bestseller-Autor erhalten haben soll. Tatsache aber ist, dass die meisten Autoren mit einem nicht rückzahlbaren Vorschuss von 5-10.000 € zurechtkommen müssen. Dennoch ist der Literaturagent der Aufsteiger in der Branche. Seit gut zehn Jahren nimmt seine Bedeutung in Deutschland zu – und es setzte eine Gründungswelle ein, die immer noch weiter anschwillt. Ein guter Agent verbindet ausgeprägten Geschäftssinn mit sozialen Fähigkeiten. In ihm wohnt das Talent eines Gebrauchtwarenhändlers, Immobilienmaklers und Privatsekretärs. Karin Graf von der Graf & Graf Literatur- und Medienagentur in Berlin:

    Ich rede sehr ungern über Autoren, die ich vertrete. Über einen kann ich das jetzt tun, weil er im Augenblick in aller Munde ist und es allgemein bekannt ist, dass ich ihn vertrete, das ist Ingo Schulze. Der, glaube ich, aber auch ein Prototyp ist für die Art Literatur, die ich gerne vertrete, nämlich neue deutschsprachige Literatur, die den Anspruch hat zu erzählen, Geschichten zu erzählen, aber auch sprachlich sehr ausgefeilt zu sein. Dass diese Art von Literatur vermittelbar ist in Deutschland, zeigt sich daran, dass mein Geschäft gut geht - in dem kleinen bescheidenen Maße, aber es trägt sich und wirft etwas ab - und dass ich mittlerweile pro Jahr doch rund 30 Titel vermittle. Das sind eben nicht Bücher, die sich schon im Ausland bewiesen haben durch Kritik und Verkauf, sondern Risikoprojekte. Das sind neue, originale Bücher.

    Silke Weniger in München dagegen ist – ebenso wie die Literarische Agentur Liepman in Zürich – das, was man in der Branche eine Sub- oder Co-Agentur nennt.

    Ich habe diese Agentur von der Agentin Brigitte Axter in Frankfurt übernommen. Brigitte Axter und ich sind beide in dem Netzwerk Bücherfrauen organisiert und haben uns darüber vor Jahren kennen gelernt und über Jahre Kontakt gehalten, bis sie mich 1998 fragte, ob ich ihre Agentur übernehmen möchte. Der Reiz lag natürlich darin, dass die Agentur schon länger auf dem Markt war, 15 Jahre ungefähr. Brigitte Axter hatte sich einen sehr guten Ruf in der Branche erarbeitet und eine Liste an Verlagen über die Jahre, also eine Klientenliste, zusammengestellt, die für mich sehr attraktiv war; eine gute Mischung aus belletristischen und Sachbuchverlagen, aus Irland, Frankreich, Australien und Amerika, Indien, also wirklich eine sehr gut verteilte Mischung aus verschiedenen Verlagen mit sehr interessanten Programmen, also sehr außergewöhnliche Programme zum Teil. Ich konnte das sehr gut kombinieren mit den Kontakten, die ich aus der internationalen Verlagsszene mitgebracht habe, hauptsächlich aus dem Kinder- und Jugendbuchbereich, so dass diese beiden Vertretungslisten sich sehr gut ergänzt haben und ich nicht bei Null anfangen musste.

    Den größten Teil ihres Geschäfts bildet also die Vermittlung zwischen den ausländischen Agenturen und Verlagen auf der einen und den deutschsprachigen Buchverlagen auf der anderen Seite.

    Das ist sozusagen mein festes Standbein, davon existiert die Agentur zu einem sehr großen Teil. Ich habe eine Liste von ausländischen Verlagen, die ich exklusiv vertrete, d.h. nur ich darf die deutschen Rechte für diese ausländischen Verlage anbieten, niemand sonst. Kein Verlag darf diese Rechte direkt kaufen, der muss immer durch mich gehen. Ich bekomme regelmäßig die neuen Bücher, also die Novitäten dieser Verlage zugeschickt und überlege zusammen mit meinen Mitarbeiterinnen, welche deutschen Verlage dafür in Frage kommen. In sehr vielen Fällen liegen bereits Anfragen vor für einzelne Titel. Dann muss man einfach überlegen: Wer bekommt es zuerst zu sehen oder wie gehen wir vor, was machen wir für eine Strategie? In sehr vielen Fällen ist es aber auch so, dass Bücher kommen, von denen niemand etwas weiß hier in Deutschland und für die sich niemand von vornherein interessiert hat. Da bin ich dann sozusagen gefordert, Interesse zu erzeugen für diese Bücher, für das Thema, und muss dann wieder ganz gezielt die Kontaktarbeit machen.

    Eine wichtige Aufgabe des Literaturagenten ist die Betreuung der "Backlist". So nennt man alle Bücher, die von einem Autor oder einer Autorin schon auf dem Markt sind. Denn vom Vorschuss allein kann niemand existieren. Wenn von einem Buch zwei Jahre hintereinander unter 500 Exemplare über die Ladentheke gegangen sind, versucht die Literaturagentur, eine andere "Verwertungsform" für das Werk zu finden.

    Als Verwertungsformen bezeichnet man: das gebundene Buch, Hardcover, Taschenbuch, Buchclub, Sonderausgaben und Sonderausgaben im Taschenbuch. Wenn nun ein Buch schon alle Verwertungsformen durchlaufen hat, versucht die Literaturagentur, für dieses und für andere Bücher der Backlist "ein Paket zu schnüren", also zu erreichen, dass mehrere Werke des Schriftstellers gebündelt herausgegeben werden. Gudrun Rohe:

    Dann sagt man: ‚Okay’, als Agent, ‚wir nehmen fünf Bücher zusammen, bieten die in einer Sonderedition einem anderen Verlag an.’ Dann hat man wieder ein anderes Publikum, das man trifft. Man redet dann mit der Lizenzfrau und sagt: ‚So und so können wir uns das vorstellen, wir schnüren jetzt dieses und jenes Paket.’ Wir wissen zufälligerweise, dass Goldmann eine Sonderaktion gerne machen würde, und die wären natürlich hochdankbar, wenn sie wieder Geld zahlen dürfen. Das kann man dann eben noch einmal zusätzlich verhandeln.

    Gudrun Rohe hat ihre literarische Agentur im Januar 1999 gegründet, und zwar in Kooperation mit Michael Görden und Lionel von dem Knesebeck, die sie von ihrer jahrelangen Arbeit in einem Verlag her kannte. In Anzeigen liest man immer wieder einmal: "Schreiben Sie? Autoren gesucht". Davor jedoch, solchen Verlagen ein Manuskript zu schicken, warnen alle Agenten und Agentinnen. Das erste, was man von diesen sogenannten "Verlegern" erhält, ist nämlich eine Rechnung über die Druckkosten. Literarische Agenturen arbeiten auch nur ungern mit Kleinstverlagen zusammen, weil die kaum Vorschüsse zahlen können. Agenten bevorzugen die finanzkräftigeren "Publikumsverlage". Lionel von dem Knesebeck:

    Ich habe auch so einmal im Vierteljahr eine kleine Liste, das und das gäbe es bei mir. Nur im Grunde genommen ist natürlich irgendwo leider inzwischen in Deutschland - genau wie in Amerika - die Versteigerung eingetreten. Es ist immer schwer, den ersten Verlag zu finden und zu begeistern. Wenn man ihn denn gefunden hat und noch einmal alle anderen rundruft, dann stürzen sich meistens mehrere Verlage drauf und überbieten einander, und dann geht es in eine richtige Versteigerung. Das läuft natürlich telefonisch, man muss nur unendlich ehrlich bei der ganzen Geschichte sein, denn natürlich kennen die Verleger sich alle untereinander wunderbar und jeder Betrag, den ich nenne, muss richtig sein, dass man irgendwo ein fixes Datum angibt und sagt: ‚Euer Angebot liegt bitte bis am Freitag, den 13., bis 12 Uhr beim Anwalt, und der eröffnet das und dann kriegt der den Zuschlag, der das höchste Gebot gemacht hat.

    Das passiert allerdings nicht jeden Tag. Vielleicht einmal pro Jahr bekommt Lionel von dem Knesebeck einen so erfolgversprechenden Stoff auf den Tisch, dass er ihn versteigern kann. Trotzdem sagt Bertelsmann-Verleger Klaus Eck:

    Bei jedem größeren deutschsprachigen Verlag ist es inzwischen eine Alltäglichkeit, dass Buchrechte versteigert werden. National seltener, international absolut gang und gäbe. Mir ist es in 15 bis 20 Jahren Verlagspraxis noch nie passiert, dass ich der einzige Interessent an einem internationalen Manuskript war. Immer mindestens ein zweiter Mitbieter, ein Konkurrent ist am Platze; und der Literaturagent gibt bestimmte Regeln vor für diese Auktion. Die entscheidende Größe dabei ist der sogenannte Vorschuss. Es kommt meist die telefonische Anfrage, dann hat man und sollte man zumindest haben, wenn die Sitten nicht total verrohen, ein Manuskript, das man gelesen hat, selbst gelesen hat, hat beurteilen lassen, auf jeden Fall man hat sich eine Meinung gebildet, man hat auch einen Vorschlag, wann dieses Manuskript in welchem Verlag erscheinen kann, wie ungefähr die Ladenpreise aussehen, d.h. man hat ein klassisches Bild dessen im Kopf, was man später gemeinhin nach etwa ein bis zwei Jahren, wenn das Buch dann wirklich erscheint, mit diesem Buch vorhat, und wie es sich einbindet in die anderen Überlegungen des Verlages. Dann wird per Telefon, per Fax, electronic mail natürlich heute, im Minuten- oder Stundenabstand hin und her telefoniert, je nachdem wie schnell die Reaktionen der Kollegen auch sind. Der Beste, manchmal auch der oder die Schnellste, erhalten dann den Zuschlag.