Dienstag, 19. März 2024

Archiv


Die Autorin und Bloggerin Ghada Abdelaal

Ghada Abdelaal ist Apothekerin, Bloggerin, Autorin und Drehbuchschreiberin. Bekannt wurde die Ägypterin durch ihren Blog zum Thema Heiraten, aus dem auch ein Buch entstand. In diesem kritisiert die 32-Jährige, selbst unverheiratet, die sogenannten Salonheiraten in ihrer Heimat.

Von Berit Hempel | 09.02.2012
    "My name is Ghada Abdelaal. I´m a pharmacist, slash, blogger, slash, writer, slash, screenwriter."

    So stellt sie sich selber vor, die Apothekerin, Bloggerin, Autorin, Drehbuchschreiberin Ghada Abdelaal. Ziemlich viele Berufsbezeichnungen für eine einzelne Person. Dafür gibt einen einzigen Grund: Den großen Erfolg ihres Blogs zum Thema Heiraten. Aus den Interneteintragungen wurde ein Buch mit dem Titel "Ich will heiraten", Ghada Abdelaal gelangte damit in die Bestsellerliste, schrieb darüber eine Fernsehserie und tourt für Lesungen mit Zitaten wie diesen um die Welt:

    "Vermutlich wollen das alle Mädchen, und egal aus welcher Schicht sie stammen und ob sie hochgebildet oder Analphabeten sind, beschleicht sie das gleiche ungute Gefühl. Eine wird dann sagen: "Ich will heiraten, um Kinder zu kriegen". Eine andere: "Ich will heiraten, um nicht als alte Jungfer zu enden". Und eine Dritte: "Ich will heiraten, um von meiner Familie loszukommen und mein Leben zu genießen". Das ist natürlich Unsinn, aber was soll sie sonst tun?"

    Mittlerweile ist der humorvolle und zum Teil sarkastische Text weltweit in verschiedenen Sprachen erschienen, mit jeweils anderem Buchcover. Das deutsche Exemplar ziert eine Kopftuchtragende Frau, die mit Wasserpfeife im Mund auf ihr Handy blickt. Die Autorin trägt es mit Humor:

    "In dem Buch geht es um ein traditionelles Allerweltsmädchen. Und Allerweltsmädchen rauchen keine Shisha. Das Bild sagt nichts über die Person in dem Buch aus, deshalb mag ich es nicht."

    Auf ihre Nachfrage hin erklärten ihr die Buchgestalter, dass das Foto aus dem Libanon stamme.

    "Und ich erwiderte: Aber Libanon ist nicht Ägypten!"

    Auch einige Leser reagierten auf das deutsche Buchcover. Sie warfen Ghada Abdelaal vor, ein schlechtes Bild von den Ägypterinnen zu zeichnen.

    Und solche Dinge wie ein verfälschendes Bild ärgern die junge Frau.

    "Es ist albern, dass in Europa alle von uns unter den großen Begriffen wie "Muslimische Frauen" oder "Islam" unter einen Hut gesteckt werden. Denn der Islam in Ägypten ist anders als in Afghanistan. In Saudi-Arabien dürfen Frauen nicht Auto fahren. Überqueren Sie die Grenze nach Bahrain haben die Frauen alle Rechte und brauchen kein Kopftuch tragen. Es ist von Ort zu Ort völlig unterschiedlich. Aber in Europa gibt es noch diese Stereotypen. Ich bin ganz erstaunt, dass die noch existieren."

    Mit ihrem Buch "Ich will heiraten" stieß Ghada Abdelaal in Ägypten regelrecht auf offene Türen. In ihrem Buch kritisiert die Autorin die sogenannten Salonheiraten in ihrer Heimat: Ein Treffen mit einem unbekannten Mann und nach zwei, drei Wochen wird die Verlobung verkündet. Ähnliches wie die arrangierte Ehe gebe es aber auch in Europa:

    "Es ist nicht unbedingt eine schlechte Sache. Es ist wie Blind-Dating. Jemand kennt jemanden und denkt, das er gut zu dir passt. Das Problem ist nur, dass so viele lügen, wenn sie dann von sich erzählen."

    Die selbstbewusste Frau mit Kopftuch ist unverheiratet, unfreiwillig. Salonheiraten hat sie abgelehnt, den richtigen Mann noch nicht getroffen. Wie solle sie auch jemanden treffen in ihrem Ort, zwei Autostunden von Kairo entfernt, wo es keine Clubs, keine Kulturzentren und keine Buchläden gebe, obwohl es 25 Millionen Einwohner zählt. Über Facebook oder ihren Blog vielleicht?

    "Eher das Gegenteil ist der Fall. Viele Leute haben Angst, denn sie wollen ihre Geschichte nicht in meinem nächsten Buch wiederfinden. Es ist für mich sehr schwierig geworden zu heiraten."

    Ein Singlefrau mit über 30 Jahren ist für viele Ägypter eine Provokation. Denn solch ein Lebensmodell entspricht nicht ihren konservativen Vorstellungen. Doch auch für die selbstbewusste Autorin ist das Single-Dasein nicht nur unterhaltsam. Letzten Monat heiratete auch noch ihre letzte ledige Freundin und wie viele europäische Frauen plagt die leidenschaftliche Bloggerin ein nachvollziehbares Problem:

    "Mein biologischer Blog,nein, meine biologische Uhr tickt. Ich bin 32. Ich hätte gerne Kinder. Der einzige Weg in Ägypten Kinder zu bekommen ist die Heirat."

    Dass sie aber auch als ledige Frau frei in Ägypten leben kann war ein Grund, um gemeinsam mit vielen anderen aus ihrer Stadt zwei Stunden nach Kairo zum Tahrir-Platz zu fahren und dort zu demonstrieren. Um ihr Ziel einer anderen Gesellschaft zu erreichen organisierte sie über Facebook dringend benötigte Zelte und Medikamente. Für sie ist klar: Ohne die neuen Medien wie Blog und Facebook hätte es diese Revolution nicht gegeben. Und wie oft schaut sie bei Facebook nach, einmal am Tag?

    "Nein, eher jede Minute. Wir leben mit Facebook. Wenn man jemanden treffen will, dann schreibt man keine SMS und ruft auch nicht an. Man schickt einfach eine Nachricht auf seinen Facebook-Account und bekommt sofort eine Antwort. Facebook ist immer geöffnet. Es ist Teil unseres Lebens. Wir benutzen es anders als andere Länder. Wir beschreiben nicht, was wir gegessen haben oder wie wir letzte Nacht eingeschlafen sind. Wir benutzen es für politische Diskussionen, für unser politisches Bewusstsein. Facebook ist in Ägypten ein politisches Werkzeug."

    Ihren Blog pflegt sie immer noch, auch nach der Revolution. Aber zum Schreiben fehlt ihr oft die Zeit, denn Ghada Abdelaal ist nicht nur Apothekerin, Bloggerin, Autorin und Drehbuchschreiberin. Sie hat auch noch eine andere Aufgabe:

    "Meine Mutter starb 2003 und nun bin ich der Kopf der Familie. Denn in Ägypten ist die Frau das Oberhaupt. Ich habe noch einen zwei Jahre jüngeren Bruder und meinen Vater und ich bin für beide verantwortlich. Wenn ich Zeit für mich habe, in der Nacht, dann beginne ich zu schreiben."

    Alle Beiträge der Themenwoche:
    "Neustart am Nil - Corso in Kairo" - Die Kulturszene nach dem Sturz von Hosni Mubarak