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Die Bühne im PC

Am Anfang stand Herbie, der Volkswagen mit Eigenleben, später folgte KITT, dessen Silizium basiertes Innenleben David Hasselhoff auf Verbrecherjagd zur Seite stand. Die neueste Generation von Autos mit Eigenleben präsentiert der Hollywoodstreifen "Cars", dessen Regisseur John Lasseter im Deutschlandfunk über den dahinter stehenden Aufwand berichtet.

Von Maximilian Schönherr |
    John Lasseter ist ein berühmter Mann. Als ich ihn vor acht Jahren anlässlich des Ameisenfilms "Das große Krabbeln" traf, hatten wir unendlich viel Zeit, fast eine Stunde. Vor sieben Jahren anlässlich des Spielzeugfilms "Toy Story 2" war es nur noch eine halbe Stunde. Jetzt, mit dem Erscheinen des neuen Pixar-Films "Cars", waren nur mit Mühe 15 Minuten aus dem Interviewmarathon herauszuschlagen. Lasseter, in der Suite eines Münchner Edelhotels, ist selbst in müdem Zustand an technischem Gerät interessiert, in diesem Fall an meinem nicht wirklich spektakulären kleinen Aufnahmegerät:

    "Ah, du hast technisch aufgerüstet?"

    Naja, das Gerät nimmt unser Interview statt auf Band auf einer Compact Flash Karte auf.

    "Is ja ein Ding, 24 Bit?"

    3D-Filme wie Cars entstehen komplett im Computer. Die Autos, die Landschaften, der Himmel, das Blech, der Rost, das Sonnenlicht – nichts ist gezeichnet, alles ist virtuell. Die Software, die man im Laden kaufen kann, die Pixar aber weitgehend selbst entwickelt, ähnelt den CAD-Programmen von Architekten. Bei "Toy Story", dem ersten computeranimierten Film in voller Kinolänge überhaupt, rechnete eine so genannte Renderfarm von 100 PCs vorwiegend nachts ein Einzelbild nach dem anderen aus. Das Rendern, bei dem nach langer Vorbereitung die schlussendlichen Filmbilder entstehen, war damals der Flaschenhals, das, was aufhielt, das was insgesamt vier Jahre dauerte. Die 3D-Welt in "Toy Story" ist bescheiden im Vergleich zu der 3D-Welt von Cars.

    "Bei früheren Filmen wie der "Monsters AG" oder "Findet Nemo" hatten wir technische Fortschritte, die richtig sexy waren: das Unterwasserlicht, das Fell. Bei "Cars" sind die Fortschritte nicht so sexy. Sie haben mit Komplexität zu tun. Die Massenszenen mit Abertausenden animierter Autos, die Rennszenen mit Staub und Bewegungsunschärfe, das halb verfallene Dorf an der Route 66, wo unser Held, das Rennauto Lightning McQueen, unfreiwillig strandet. Wir sind neun Tage die Route 66 entlang gefahren und haben dabei so viel Verfallenes entdeckt: Patina, Staub, Risse, abgefallenen Putz. Dieser Verfall erzählt Geschichten, er sagt, dass etwas schon sehr lange da war. Die Feinheiten des Verfalls kann man in der Computeranimation nur mit hohem Aufwand überzeugend darstellen."

    Nicht nur die komplexen Texturen des Verfalls, sondern auch die stark spiegelnden, mehrschichtigen Autolacke trieben die Renderzeiten hoch. Die erste Renderfarm von 1996 hätte dazu einige hundert Jahre gebraucht! Mit den neuen Rechnern war das Einzelbild von Cars durchschnittlich in nur 17 Stunden fertig. Nur eine Kernszene, in der die Neonlichter des Dorfs angehen und sich in der vorbeiziehenden Autokolonne tausendfach spiegeln, dauerte Wochen. Pixar setzte hier zum ersten Mal das eigene Renderprogramm "Renderman" zum so genannten "Raytracing" ein. Raytracing - also "Strahlenverfolgung" - dient der Berechnung von Lichtbrechnungen und Spiegelungen. Ein ganzes Team von Fachleuten kümmerte sich um nichts anderes als diese Zeiten zu verkürzen. Vor einigen Jahren gab es den Job des "Render Optimizers" noch gar nicht. Die Animation selbst ist eine inzwischen alte Kunst, die keiner so gut beherrscht wie Pixar.

    Der Film enthält zwar viele Pflanzen, aber keine Menschen und Tiere, nur Autos als Akteure. Die Bewegung der Automünder, also des Kühlergrills, ließen sich mit nur vier Kontrollen animieren. Wenn ein Charakteranimator tiefer eingreifen wollte, standen ihm über 1000 weitere Kontrollen pro Auto zur Verfügung – etwa um mit einem Rad zu winken. Damit die Autos auch schwer wirken, hat die Animationscrew eigens ein Programm geschrieben, das die Reifen stets auf dem Boden hält, und zwar je nach Gewicht des Wagens mit unterschiedlicher Wirkung auf die Reifen. Ein anderes Team kümmerte sich um die Härte der Federung und die Dynamik der Bewegung: Ein alter Cadillac kommt anders in Schwung und um die Kurve gefahren als ein 2. Weltkriegs-Jeep oder ein roter Flitzer wie Lightning McQueen. John Lasseter hat sich als Autofan mit Cars einen Traum erfüllt. Seit Pixar teuer an Disney verkauft wurde, sitzt er gemütlich im Aufsichtsrat der alten Zeichentrickschmiede. Die 3D-Animation ist bei Disney der neue Motor:

    "Das Medium Computeranimation kann inzwischen fast alles, was sich der Filmemacher ausdenkt. Die 3D-Technik diktiert den Inhalt eines Films kein bisschen mehr als eine 35 Millimeter Filmkamera. Es ist ein Werkzeug. Man muss nur was draus machen!"