Volmer: Guten Morgen!
Kößler: Zunächst einmal zum Ziel dieser Reise, Herr Volmer: Eine Antrittsreise unter dem Motto "Kontinuität beschwören, es bleibt außenpolitisch alles beim alten"?
Volmer: Es bleibt beim alten, was die Grundlinien angeht. Die Pflege der transatlantischen Beziehungen steht nicht nur im Koalitionsvertrag, sondern gehört zum Bestandteil beider Koalitionsparteien, wie auch der Koalition vor dieser Regierung. Die USA und Europa sind aus historischen Gründen eng miteinander verflochten. Die USA machen sich auch heute noch nützlich, wenn es um die Lösung innereuropäischer Probleme geht. Die Europäer und insbesondere wir Deutschen haben ein Interesse daran, daß die USA sich nicht von Europa und von Deutschland abwenden. Und weil die Beziehungen so eng sind und so nützlich sind, ist es Aufgabe einer jeden Regierung, mit einem der ersten Antrittsbesuche dies zu demonstrieren und auch auszuloten, welche neuen Formen der Zusammenarbeit es geben kann. Es geht also nicht nur um Kontinuität, sondern es geht auch darum, neue Ausgestaltungsformen auf dieser Ebene zu finden.
Kößler: Nun ist ja das Stichwort von der Neugestaltung der deutsch-amerikanischen Beziehungen in die Diskussion geworfen worden. Wo ist Spielraum? Wo setzt rot/grün Akzente?
Volmer: Seit 1995 gibt es eine neue transatlantische Agenda, die in Madrid zwischen den USA und der EU verabredet wurde. Dieser Aktionsplan muß teilweise noch ausgefüllt werden. Präsident Clinton hat in einer seiner letzten Reden darauf hingewiesen, daß das europäisch-amerikanische Verhältnis nicht mehr nur auf der NATO basieren kann, wiewohl diese weiterhin wichtig bleibt, sondern er will auch die direkten Beziehungen zur Europäischen Union vertiefen und er will die OSZE stärken, so daß das transatlantische Verhältnis auf drei institutionellen Säulen ruhen wird. Neben dieser staatlichen Ebene gibt es die gesamte Ebene des Wirtschaftsaustausches. Die EU und die USA sind mit vielfältigen Wirtschaftsbeziehungen eng verflochten. Die Direktinvestitionen sind sehr hoch. Der Handel ist ausgeglichen auf hohem Niveau. Was nun zusätzlich eingerichtet werden muß oder verstärkt werden muß, ist der Dialog der Bevölkerung, der Menschen miteinander, der Kontakt people to people. So wird diese Delegation bestimmt die Idee aufnehmen von Präsident Clinton, auch die Kontakte von Nicht-Regierungs-Organisationen, von Jugendverbänden etwa, zu verstärken, so daß die deutsch-amerikanischen Beziehungen mit neuem Leben gefüllt werden insbesondere in der Generation, die nicht mehr den Krieg erlebt hat und auch nicht mehr so richtig sich dessen gewiss ist, was die Amerikaner in Europa geleistet haben bei der Befreiung vom Faschismus.
Kößler: Der Irak hat sich in den Vordergrund geschoben bei diesen Gesprächen. Das Verhalten Saddam Husseins wird ja nun Washington erneut Anlaß geben zu fragen, wie hält es Deutschland mit dem Umgang mit Diktatoren und mit einer glaubwürdigen Drohkulisse.
Volmer: Minister Fischer wie auch der Bundeskanzler haben deutlich gemacht, daß die Forderung von Saddam Hussein, die Sanktionen zurückzunehmen und dies verbunden mit dem irakischen Schritt, UNSKom nicht mehr handeln zu lassen, zurückgewiesen werden muß. In der Vergangenheit gab es Diskussionen über eine Lockerung der Sanktionen. Allerdings ist kein westlicher Staat, auch die Bundesregierung nicht daran interessiert, sich vom Irak unter Druck setzen zu lassen, und insbesondere nicht daran interessiert zuzulassen, daß der Irak die zentrale Rolle der Vereinten Nationen dort untergräbt.
Kößler: Plädieren Sie für maximalen Druck auf den Irak, auf Bagdad?
Volmer: Der Druck wird aufrecht erhalten in dem Sinne, daß die UNO-Resolutionen weiterhin gültig bleiben, und die Sanktionen können erst in dem Maße abgebaut werden, als der Irak mit den Vereinten Nationen kooperiert.
Kößler: Washington behält sich die militärische Intervention einmal mehr vor. Würde Deutschland einen Militärschlag der USA gegen Irak tolerieren?
Volmer: Die USA hat immer formuliert, daß dies für sie eine Option ist. Wir sehen im Moment nicht, daß es darauf hinausläuft. Ich möchte auch nicht über einen Fall spekulieren, der möglicherweise nicht eintritt.
Kößler: Das heißt, Sie plädieren für eine enge Abstimmung mit der UNO?
Volmer: Die UNO muß unseres Erachtens gestärkt werden als zentrales Organ, als die Institution, die das internationale Gewaltmonopol zumindest politisch inne hat. Deshalb wird die Bundesregierung, die im Moment auf Reisen ist, auch die UNO in New York besuchen und dort auch deutlich machen, daß wir der UNO eine oder die zentrale Rolle bei der internationalen Konfliktregulierung beimessen.
Kößler: Das ist eine ähnliche Situation wie im Kosovo, Herr Volmer. Auch hier lag die Präferenz deutscher Politik eher auf dem UNO-Mandat als auf einseitigem Eingreifen. Können Sie die amerikanische Politik der Stärke nicht bedingungslos und ungeteilt unterstützen?
Volmer: Wir brauchen zwei Dinge: Wir brauchen ein internationales Gewaltmonopol, was auf einer Grundlage beruht, und zwar der Grundlage des Völkerrechts. Auf der anderen Seite braucht die Staatengemeinschaft Mechanismen, wie sie effektiv in regionale Konflikte eingreifen kann. Die UNO war bis jetzt nicht mit effektiven Maßnahmen ausgestattet, so daß entweder starke Einzelmächte oder das Militärbündnis NATO gerufen wurde oder sich selbst anbot, zur Konfliktlösung beizutragen. Wir meinen, daß die UNO gestärkt werden müsse, so daß sie auch selber die Möglichkeit hat aufzutreten. Wir sehen aber die Grenzen der Handlungsfähigkeit. Die UNO kann bestimmt keine Militärapparate aufbauen, wie die NATO sie besitzt. Auf der anderen Seite meinen wir nicht, daß die NATO das Recht hätte, sich selber zu mandatieren, sondern sie muß alle ihre Aktivitäten an die Standards und Normen der UNO und des internationalen Völkerrechts binden.
Kößler: Aber die UNO ist ja noch nicht einmal in der Lage, mit einer Stimme zu sprechen?
Volmer: Das ist eines der Probleme der UNO, aber das ist auch ihre große Chance, denn man stelle sich vor, daß die 170 Staaten der Erde zu Konflikten, wo es ja vor Ort doch zu sehr blutigen Auseinandersetzungen kommt, die gleiche Haltung entwickeln müssen. Das ist eine außerordentlich schwierige Aufgabe. Gleichzeitig zeigt es aber auch den zivilisatorischen Fortschritt der Menschheit, daß so etwas überhaupt denkbar ist. Wenn die UNO als ganzes nicht handlungsfähig ist, dann heißt das nicht, daß gar keine Konfliktlösung betrieben wird, denn vieles kann auch unterhalb der UNO-Ebene durch die ganz normale Diplomatie gelöst werden oder dadurch, daß sich die einzelnen Staaten um Probleme in ihrer Region auf einer regionalen Ebene kümmern.
Kößler: Aber Herr Volmer, die Kritik aus den USA war im Falle des Kosovo deutlich vernehmbar. Das Eingreifen im Kosovo hätte schneller, entscheidender, entschiedener von Statten gehen können, wenn sich nicht vor allem Deutschland und Frankreich gesperrt hätten, meinte etwa Sondervermittler Richard Holbrooke. Wird Deutschland mehr in die Pflicht genommen von seiten der USA?
Volmer: Ich glaube nicht, daß diese Lesart von Herrn Holbrooke so ohne weiteres akzeptiert werden kann. Richtig ist, daß Europa bei dem heraufziehenden Kosovo-Konflikt sich nicht schnell genug und intensiv genug auf eine gemeinsame politische Handlungsweise verständigt hat. Dies ist nach wie vor ein Problem Europas. Deshalb setzen wir uns dafür ein, daß die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die GASP, ausgebaut wird, damit es schon zu Beginn von Konflikten, immer dann, wenn etwas Bedrohliches heraufkommt, sich die Europäer zusammensetzen, um schnell eine gemeinsame politische Haltung zu finden. Wenn die vorhanden ist, dann wird es oft genug ausreichen, und man muß gar nicht darüber nachdenken, welche militärischen Mittel man nutzen müßte.
Kößler: Das heißt, die USA sind zwangsläufig in die Rolle des Weltpolizisten gerutscht, weil Europa handlungsunfähig war?
Volmer: Ich würde es vielleicht nicht ganz so krass formulieren, aber man kann am Kosovo-Konflikt genauso wie am Konflikt in Bosnien-Herzegowina sehen, daß die Abstimmungsprobleme innerhalb Europas immer noch sehr groß sind. Die einzelnen europäischen Nationalstaaten interpretieren solche Regionalkonflikte oft noch durch die Optik ihres eigenen nationalen Interesses, statt sich zusammenzusetzen und zu sehen, wie denn eine Konfliktlösung, die auch tragfähig ist für alle Seiten, gefunden werden kann.
Kößler: Herr Volmer, der Wechsel von der Opposition in die Regierung ist vollzogen, auch für die GRÜNEN. Werden sich die GRÜNEN in der außenpolitischen Regierungsverantwortung von den ehernen Grundsätzen auf Dauer verabschieden müssen? Stichwort: Krisenprävention statt Krisenintervention, Stichwort: out of area-Einsätze?
Volmer: Nein, ganz im Gegenteil. Die ehernen Grundsätze sind ja nichts anderes als regulative Ideen. Es sind Vorstellungen, wie die Welt anders aussehen sollte und wie die praktische Politik sich verändern sollte. Wenn man dies als Idee formuliert, als Ziel, dann weiß man doch, daß in einer Koalitionsregierung dies nicht schlagartig umzusetzen ist, sondern wir wollen weiterkommen bei dem Weg in Richtung auf diese vorgestellte Politik. Im Koalitionsvertrag sind dort einige sehr gute Ansätze gemacht worden. Die Konfliktprävention und die friedliche Konfliktlösung steht zum erstenmal in dem Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung. Deshalb sind wir zuversichtlich, daß vieles von dem, was wir uns vorstellen, in die Tat umgesetzt werden kann.
Kößler: In den "Informationen am Morgen" war das Ludger Volmer, Staatsminister im Auswärtigen Amt, von Bündnis 90/Grüne.
Kößler: Zunächst einmal zum Ziel dieser Reise, Herr Volmer: Eine Antrittsreise unter dem Motto "Kontinuität beschwören, es bleibt außenpolitisch alles beim alten"?
Volmer: Es bleibt beim alten, was die Grundlinien angeht. Die Pflege der transatlantischen Beziehungen steht nicht nur im Koalitionsvertrag, sondern gehört zum Bestandteil beider Koalitionsparteien, wie auch der Koalition vor dieser Regierung. Die USA und Europa sind aus historischen Gründen eng miteinander verflochten. Die USA machen sich auch heute noch nützlich, wenn es um die Lösung innereuropäischer Probleme geht. Die Europäer und insbesondere wir Deutschen haben ein Interesse daran, daß die USA sich nicht von Europa und von Deutschland abwenden. Und weil die Beziehungen so eng sind und so nützlich sind, ist es Aufgabe einer jeden Regierung, mit einem der ersten Antrittsbesuche dies zu demonstrieren und auch auszuloten, welche neuen Formen der Zusammenarbeit es geben kann. Es geht also nicht nur um Kontinuität, sondern es geht auch darum, neue Ausgestaltungsformen auf dieser Ebene zu finden.
Kößler: Nun ist ja das Stichwort von der Neugestaltung der deutsch-amerikanischen Beziehungen in die Diskussion geworfen worden. Wo ist Spielraum? Wo setzt rot/grün Akzente?
Volmer: Seit 1995 gibt es eine neue transatlantische Agenda, die in Madrid zwischen den USA und der EU verabredet wurde. Dieser Aktionsplan muß teilweise noch ausgefüllt werden. Präsident Clinton hat in einer seiner letzten Reden darauf hingewiesen, daß das europäisch-amerikanische Verhältnis nicht mehr nur auf der NATO basieren kann, wiewohl diese weiterhin wichtig bleibt, sondern er will auch die direkten Beziehungen zur Europäischen Union vertiefen und er will die OSZE stärken, so daß das transatlantische Verhältnis auf drei institutionellen Säulen ruhen wird. Neben dieser staatlichen Ebene gibt es die gesamte Ebene des Wirtschaftsaustausches. Die EU und die USA sind mit vielfältigen Wirtschaftsbeziehungen eng verflochten. Die Direktinvestitionen sind sehr hoch. Der Handel ist ausgeglichen auf hohem Niveau. Was nun zusätzlich eingerichtet werden muß oder verstärkt werden muß, ist der Dialog der Bevölkerung, der Menschen miteinander, der Kontakt people to people. So wird diese Delegation bestimmt die Idee aufnehmen von Präsident Clinton, auch die Kontakte von Nicht-Regierungs-Organisationen, von Jugendverbänden etwa, zu verstärken, so daß die deutsch-amerikanischen Beziehungen mit neuem Leben gefüllt werden insbesondere in der Generation, die nicht mehr den Krieg erlebt hat und auch nicht mehr so richtig sich dessen gewiss ist, was die Amerikaner in Europa geleistet haben bei der Befreiung vom Faschismus.
Kößler: Der Irak hat sich in den Vordergrund geschoben bei diesen Gesprächen. Das Verhalten Saddam Husseins wird ja nun Washington erneut Anlaß geben zu fragen, wie hält es Deutschland mit dem Umgang mit Diktatoren und mit einer glaubwürdigen Drohkulisse.
Volmer: Minister Fischer wie auch der Bundeskanzler haben deutlich gemacht, daß die Forderung von Saddam Hussein, die Sanktionen zurückzunehmen und dies verbunden mit dem irakischen Schritt, UNSKom nicht mehr handeln zu lassen, zurückgewiesen werden muß. In der Vergangenheit gab es Diskussionen über eine Lockerung der Sanktionen. Allerdings ist kein westlicher Staat, auch die Bundesregierung nicht daran interessiert, sich vom Irak unter Druck setzen zu lassen, und insbesondere nicht daran interessiert zuzulassen, daß der Irak die zentrale Rolle der Vereinten Nationen dort untergräbt.
Kößler: Plädieren Sie für maximalen Druck auf den Irak, auf Bagdad?
Volmer: Der Druck wird aufrecht erhalten in dem Sinne, daß die UNO-Resolutionen weiterhin gültig bleiben, und die Sanktionen können erst in dem Maße abgebaut werden, als der Irak mit den Vereinten Nationen kooperiert.
Kößler: Washington behält sich die militärische Intervention einmal mehr vor. Würde Deutschland einen Militärschlag der USA gegen Irak tolerieren?
Volmer: Die USA hat immer formuliert, daß dies für sie eine Option ist. Wir sehen im Moment nicht, daß es darauf hinausläuft. Ich möchte auch nicht über einen Fall spekulieren, der möglicherweise nicht eintritt.
Kößler: Das heißt, Sie plädieren für eine enge Abstimmung mit der UNO?
Volmer: Die UNO muß unseres Erachtens gestärkt werden als zentrales Organ, als die Institution, die das internationale Gewaltmonopol zumindest politisch inne hat. Deshalb wird die Bundesregierung, die im Moment auf Reisen ist, auch die UNO in New York besuchen und dort auch deutlich machen, daß wir der UNO eine oder die zentrale Rolle bei der internationalen Konfliktregulierung beimessen.
Kößler: Das ist eine ähnliche Situation wie im Kosovo, Herr Volmer. Auch hier lag die Präferenz deutscher Politik eher auf dem UNO-Mandat als auf einseitigem Eingreifen. Können Sie die amerikanische Politik der Stärke nicht bedingungslos und ungeteilt unterstützen?
Volmer: Wir brauchen zwei Dinge: Wir brauchen ein internationales Gewaltmonopol, was auf einer Grundlage beruht, und zwar der Grundlage des Völkerrechts. Auf der anderen Seite braucht die Staatengemeinschaft Mechanismen, wie sie effektiv in regionale Konflikte eingreifen kann. Die UNO war bis jetzt nicht mit effektiven Maßnahmen ausgestattet, so daß entweder starke Einzelmächte oder das Militärbündnis NATO gerufen wurde oder sich selbst anbot, zur Konfliktlösung beizutragen. Wir meinen, daß die UNO gestärkt werden müsse, so daß sie auch selber die Möglichkeit hat aufzutreten. Wir sehen aber die Grenzen der Handlungsfähigkeit. Die UNO kann bestimmt keine Militärapparate aufbauen, wie die NATO sie besitzt. Auf der anderen Seite meinen wir nicht, daß die NATO das Recht hätte, sich selber zu mandatieren, sondern sie muß alle ihre Aktivitäten an die Standards und Normen der UNO und des internationalen Völkerrechts binden.
Kößler: Aber die UNO ist ja noch nicht einmal in der Lage, mit einer Stimme zu sprechen?
Volmer: Das ist eines der Probleme der UNO, aber das ist auch ihre große Chance, denn man stelle sich vor, daß die 170 Staaten der Erde zu Konflikten, wo es ja vor Ort doch zu sehr blutigen Auseinandersetzungen kommt, die gleiche Haltung entwickeln müssen. Das ist eine außerordentlich schwierige Aufgabe. Gleichzeitig zeigt es aber auch den zivilisatorischen Fortschritt der Menschheit, daß so etwas überhaupt denkbar ist. Wenn die UNO als ganzes nicht handlungsfähig ist, dann heißt das nicht, daß gar keine Konfliktlösung betrieben wird, denn vieles kann auch unterhalb der UNO-Ebene durch die ganz normale Diplomatie gelöst werden oder dadurch, daß sich die einzelnen Staaten um Probleme in ihrer Region auf einer regionalen Ebene kümmern.
Kößler: Aber Herr Volmer, die Kritik aus den USA war im Falle des Kosovo deutlich vernehmbar. Das Eingreifen im Kosovo hätte schneller, entscheidender, entschiedener von Statten gehen können, wenn sich nicht vor allem Deutschland und Frankreich gesperrt hätten, meinte etwa Sondervermittler Richard Holbrooke. Wird Deutschland mehr in die Pflicht genommen von seiten der USA?
Volmer: Ich glaube nicht, daß diese Lesart von Herrn Holbrooke so ohne weiteres akzeptiert werden kann. Richtig ist, daß Europa bei dem heraufziehenden Kosovo-Konflikt sich nicht schnell genug und intensiv genug auf eine gemeinsame politische Handlungsweise verständigt hat. Dies ist nach wie vor ein Problem Europas. Deshalb setzen wir uns dafür ein, daß die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die GASP, ausgebaut wird, damit es schon zu Beginn von Konflikten, immer dann, wenn etwas Bedrohliches heraufkommt, sich die Europäer zusammensetzen, um schnell eine gemeinsame politische Haltung zu finden. Wenn die vorhanden ist, dann wird es oft genug ausreichen, und man muß gar nicht darüber nachdenken, welche militärischen Mittel man nutzen müßte.
Kößler: Das heißt, die USA sind zwangsläufig in die Rolle des Weltpolizisten gerutscht, weil Europa handlungsunfähig war?
Volmer: Ich würde es vielleicht nicht ganz so krass formulieren, aber man kann am Kosovo-Konflikt genauso wie am Konflikt in Bosnien-Herzegowina sehen, daß die Abstimmungsprobleme innerhalb Europas immer noch sehr groß sind. Die einzelnen europäischen Nationalstaaten interpretieren solche Regionalkonflikte oft noch durch die Optik ihres eigenen nationalen Interesses, statt sich zusammenzusetzen und zu sehen, wie denn eine Konfliktlösung, die auch tragfähig ist für alle Seiten, gefunden werden kann.
Kößler: Herr Volmer, der Wechsel von der Opposition in die Regierung ist vollzogen, auch für die GRÜNEN. Werden sich die GRÜNEN in der außenpolitischen Regierungsverantwortung von den ehernen Grundsätzen auf Dauer verabschieden müssen? Stichwort: Krisenprävention statt Krisenintervention, Stichwort: out of area-Einsätze?
Volmer: Nein, ganz im Gegenteil. Die ehernen Grundsätze sind ja nichts anderes als regulative Ideen. Es sind Vorstellungen, wie die Welt anders aussehen sollte und wie die praktische Politik sich verändern sollte. Wenn man dies als Idee formuliert, als Ziel, dann weiß man doch, daß in einer Koalitionsregierung dies nicht schlagartig umzusetzen ist, sondern wir wollen weiterkommen bei dem Weg in Richtung auf diese vorgestellte Politik. Im Koalitionsvertrag sind dort einige sehr gute Ansätze gemacht worden. Die Konfliktprävention und die friedliche Konfliktlösung steht zum erstenmal in dem Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung. Deshalb sind wir zuversichtlich, daß vieles von dem, was wir uns vorstellen, in die Tat umgesetzt werden kann.
Kößler: In den "Informationen am Morgen" war das Ludger Volmer, Staatsminister im Auswärtigen Amt, von Bündnis 90/Grüne.