Samstag, 27. April 2024

17. April 2023
Die internationale Presseschau

Viele Zeitungen im Ausland blicken auf den Atomausstieg in Deutschland. Außerdem gibt es Stimmen zum G7-Umweltministertreffen in Japan und zu den Kämpfen im Sudan.

17.04.2023
Kühltürme des Atomkraftwerks in Grundremmingen, Bayern
Am Wochenende hatte Deutschland die letzten drei Atomkraftwerke abgeschaltet. Das ist Thema in der internationalen Presse. (picture alliance / Chromorange / Michael Bihlmayer)
"Endlich vorbei", titelt das TAGEBLATT aus Luxemburg zur Abschaltung der letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland an diesem Wochenende. "Jeder kann mal eine schlechte Entscheidung treffen. Beim Beginn von Projekten weiß man halt weniger als nach Jahren der Erfahrung. Wenn sich dann aber herausstellt, dass eine Technik zu teuer, zu aufwendig, zu langwierig und zu risikobehaftet ist, dann braucht es trotzdem noch Mut zum Umsteuern. Deutschland hat den Mut gezeigt. Manche äußern nun Angst vor Problemen mit der Versorgungssicherheit. Doch im schlimmsten Falle scheint in diesem Sommer nicht genug die Sonne oder es weht nicht genug Wind. Oder vielleicht gibt es noch nicht genügend Stromspeicher? Dann wird Deutschland kurzfristig auf Importe oder auf fossile Energien zurückgreifen müssen. Die Regierung verneint das Risiko für die Versorgungssicherheit. Sie könnte recht behalten. Geht es wie im letzten Sommer, dann wäre es wieder Frankreich, das wegen Qualitätsmängeln an den Anlagen oder wegen zu wenig Wasser in den Flüssen auf Importe aus dem Ausland zurückgreifen muss", prophezeit das TAGEBLATT aus Esch-sur-Alzette.
Die niederländische Zeitung DE TELEGRAAF macht auf die unterschiedliche Einstellung europäischer Länder zur Atomenergie aufmerksam: "An dem Tag, an dem in Deutschland die letzten drei Atomkraftwerke abgeschaltet wurden, nahm Finnland das größte Atomkraftwerk Europas in Betrieb. Olkiluoto-3 soll für die Finnen den Verlust der russischen Stromlieferungen ausgleichen, die nach den europäischen Sanktionen wegen des brutalen Überfalls von Putins Truppen auf die Ukraine weggefallen sind. Die Energieversorgung der nahen Zukunft ist eines der großen Themen, bei denen es innerhalb der Europäischen Union völlig verschiedene Meinungen gibt. Der Schritt der Deutschen, die den Atomausstieg bereits nach der Fukushima-Katastrophe in Japan im Jahr 2011 beschlossen hatten, ist dabei besonders bemerkenswert. Das Land ist jetzt nicht nur wieder stärker auf relativ saubere Gaskraftwerke, sondern auch auf stark umweltbelastende Stein- und Braunkohlekraftwerke angewiesen", bemerkt DE TELEGRAAF aus Amsterdam.
"Steuert die Atomenergie auf den Untergang oder auf eine Renaissance zu?", fragt die tschechische Zeitung LIDOVE NOVINY. "Die Abschaltung der letzten deutschen Kernkraftwerke spricht für ihr baldiges Ende, die Inbetriebnahme eines neuen Reaktors auf der finnischen Insel Olkiluoto für einen Aufschwung. Beide Ereignisse verdeutlichen die größten Probleme der Atomkraft: zum einen die Angst vor Unfällen, die für den deutschen Ausstieg ausschlaggebend war, zum anderen die Kostenexplosionen und Verzögerungen beim Bau neuer Reaktoranlagen. Doch wenn die ursprünglichen Nachkriegspläne zur Entwicklung der Kernenergie umgesetzt worden wären, würde es die globale Erwärmung heute nur in der Theorie geben", ist LIDOVE NOVINY aus Prag überzeugt.
Auch die chinesische Zeitung HUANQIU SHIBAO blickt nach Deutschland und fragt sich, welche Schlüsse China aus dem Kernkraft-Aus ziehen könnte: "Die deutsche Entscheidung macht deutlich, dass die erneuerbaren Energien durchaus eine Alternative sein können. Wenn Deutschland der Transfer gelingt, könnte es weltweit zu einem Vorbild werden. Im Moment ist der Atomausstieg für China - ebenso wie für die anderen europäischen Länder - keine Option. Denn die Kernkraft spielt als CO2-neutrale und stabile Energiequelle eine wichtige Rolle, um sich von fossilen Energien zu verabschieden. China hat einen großen Energiebedarf und der Anteil der Atomenergie auf dem chinesischen Markt wird noch zunehmen. Trotzdem können wir aus den deutschen Erfahrungen Lehren ziehen. Die Sicherheitsmaßnahmen beim Ausbau von Kernkraftwerken sollten opitimiert werden. Und die Bevölkerung muss besser über die Sachlage informiert werden, um ihr unnötige Sorgen vor der Kernenergie zu nehmen", unterstreicht HUANQIU SHIBAO, die in Peking erscheint.
Die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN kommentiert das Treffen der Umwelt- und Klimaschutzminister der G7-Staaten, die ehrgeizigere Ziele für den Ausbau der erneuerbaren Energien vereinbart haben: "Die gemeinsame Abschlusserklärung stellt Japan vor schwierige Aufgaben. Die Einführung erneuerbarer Energien und das Wiederhochfahren der japanischen Atomkraftwerke laufen nur schleppend. Bei den Verhandlungen in Sapporo war ausgerechnet Japan als Vorsitzender stets in der Defensive. Zum Beispiel beim Thema Kohlekraftwerke: Einen festen Zeitplan für deren Abschaltung - wie von den Europäern gefordert - konnte Japan nicht akzeptieren, weil es auch 2030 noch 20 Prozent seines Strombedarfs mit Kohle decken wird. Die Regierung in Tokio hat in der Vergangenheit zu viel Rücksicht auf die Industrie genommen und feste Zeitpläne für den Kohleausstieg vermieden. Das hat üble Folgen: Japan hat bei neuen Technologien wie erneuerbaren Energien oder der E-Mobilität international seine Wettbewerbsfähigkeit verloren", kritisiert NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
Damit in den Sudan, wo seit einigen Tagen die Gewalt eskaliert. Die dänische Zeitung POLITIKEN erläutert: "Die beiden wichtigsten Militärs des Landes, General Abdulfattah al-Burhan und sein bisheriger Vize in der regierenden Junta, General Dagalo, führen in Khartum und weiteren Städten Krieg. Es ist drei Jahre her, dass ihre Milizen zusammengearbeitet haben, um den sudanesischen Diktator Omar al-Bashir zu stürzen. Wenn die beiden Generäle den Forderungen der Bevölkerung und ihren eigenen Versprechungen gerecht geworden wären, wäre der Sudan heute mitten in einem Demokratisierungsprozess. Aber die Menschen warteten vergeblich darauf, dass Dagalo seine Milizen wie vereinbart in das Militär des Landes eingliedert. Nun steht zu befürchten, dass die beiden Militärführer ihren eigenen Machthunger höher stellen als das Bedürfnis des Sudan nach Entwicklung und Sicherheit", heißt es in POLITIKEN aus Kopenhagen.
"Im Sudan kämpfen zwei Armeen gegeneinander", analysiert die polnische RZECZPOSPOLITA. "Die eine trägt offiziell diesen Namen, bei der anderen handelt es sich um paramilitärische Kräfte, die aber de facto wie eine Armee über Panzer und Militärfahrzeuge verfügen. Die Paramilitärs sind seit dem Sturz Baschirs nicht nur militärisch gewachsen – von einigen tausend Soldaten auf heute etwa 100.000. Sie haben auch wirtschaftlich und politisch an Bedeutung gewonnen. Diese inoffizielle Armee ist nun also zu dem Schluss gekommen, dass sie die Macht übernehmen und ihren Kommandeur Mohammed Hamdan Dagalo, genannt Hemeti, zum Präsidenten machen könnte. Demokratische Veränderungen im Sudan sind kaum noch realistisch. Eine mehr oder weniger offene Militärdiktatur unter einem der beiden Generäle ist zu erwarten", befürchtet RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
DER STANDARD aus Österreich meint: "Grausame Ironie der Geschichte ist, dass nun ausgerechnet eine Figur wie Hemeti als Vertreter des inklusiven Wegs und Bollwerk gegen den Islamismus gilt, gegen Militärchef Burhan: Bei den Rapid Support Forces, die am Samstag den Präsidentenpalast angriffen, handelt es sich um jene von Hemeti geschaffenen Milizen, die früher als 'Janjaweed' im Darfur-Krieg Kriegsverbrechen verübten. Wer von den beiden auch obsiegt, es ist kein Guter", ist sich der STANDARD aus Wien sicher.
"Der einzige Verlierer des andauernden Krieges ist das sudanesische Volk", hält die arabischsprachige Zeitung AL QUDS AL-ARABY aus London fest. "Denn der Krieg zerstört die Hoffnung, dass das Militär die Macht zurück an die Zivilbevölkerung gibt. Angesichts der Kräfteverhältnisse und der Entschlossenheit beider Seiten spricht wenig dafür, dass die Kämpfe ein schnelles Ende finden. Die Leidtragenden sind vor allem die Zivilisten."