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Die konservative Festung Maltas wankt

Mit dem Rücktritt des konservativen Ministerpräsidenten Lawrence Gonzi stehen Neuwahlen in Malta an. Da sich in dem Zweiparteiensystem keine Partei traut, weitreichende Reformen einzuleiten, hinkt die konservative Politik den moderneren Ansichten der Bürger hinterher.

Von Tilmann Kleinjung | 13.12.2012
    Malta ist nicht nur das kleinste Land der Europäischen Union, es ist auch das katholischste Land Europas. Erst im letzten Jahr wurde die Ehescheidung eingeführt. Per Volksentscheid. Die Malteser sind in vielen Punkten aufgeschlossener als ihre Politiker, die sich noch stark der Kirche verpflichtet fühlen. Das könnte sich bald ändern, denn Maltas Regierung musste nach einer Abstimmungsniederlage zurücktreten. Seit 15 Jahren regiert die konservative Nationalistische Partei. Die Neuwahlen könnten nicht nur politisch auf der Insel eine Zeitenwende einleiten.

    Vor 500 Jahren haben die Ritter diese Insel zwischen Europa und Afrika übernommen. Vertrieben aus Jerusalem und Rhodos haben die Malteserritter aus Malta eine Festung gemacht. Und so beständig, wie die Festung, war über Jahrhunderte die maltesische Gesellschaft. Die katholische Kirche kümmert sich um die Moral. Und die Nationalist Party um die Politik. Seit 15 Jahren regieren die Konservativen Malta, nun hat Ministerpräsident Lawrence Gonzi seinen Rücktritt eingereicht.

    "Ich habe den Staatspräsidenten gebeten, das Parlament aufzulösen", sagte der 59-jährige Gonzi nach einer Abstimmungsniederlage. Die Malteser müssen nun am 9. März ein neues Parlament wählen. Dabei haben sie im Grunde keine große Wahl. Es gibt zwei dominierende Parteien auf der Insel. Die Konservativen und die Labour Party. Die Unterschiede zwischen den beiden Lagern sind eher "kosmetischer Natur", sagt Saviour Balzan, Redakteur bei "Malta today".

    "Vor zwei Jahren gab es die Einführung der Scheidung und zwar per Referendum. Die Parteien blieben da außen vor. Die Sozialdemokraten waren vielleicht ein bisschen mehr für die Legalisierung der Scheidung. Sie sind auch eher auf der Seite der Homosexuellen. Aber über Abtreibung wird überhaupt nicht gesprochen."

    Scheidung, Abtreibung, Homosexualität. Das sind die großen Themen, die die Malteser beschäftigen. Also die Punkte, an denen sich eine westliche Gesellschaft immer mehr von den Moralvorstellungen der katholischen Kirche entfernt. Die Aufregung um den neuen EU-Gesundheitskommissar Tonio Borg hat diese gewaltige Kluft deutlich gemacht. Tonio Borg ist ein Politiker der Nationalist Party und die vertritt in all diesen Fragen eine strikte Haltung. Die maltesische Gesellschaft ist da schon deutlich aufgeschlossener, sagt Anwalt Neil Falcson, der sich für die Rechte von homosexuellen Paaren engagiert.

    "Die Politik glaubt immer noch, dass die Malteser ihre Ansichten teilen. Es gibt kein Verständnis für eine wachsende Entfremdung von der maltesischen Bevölkerung, die damit nicht übereinstimmen. Und dieser Teil der Bevölkerung wird nicht angemessen in der Politik repräsentiert."

    Schuld daran ist das maltesische Zweiparteiensystem, in dem sich keine Partei traut, weitreichende Reformen einzuleiten, aus lauter Furcht, wichtige Stimmen an den Konkurrenten zu verlieren. Aber immerhin: Die Wahlen könnten einen Generationenwechsel zur Folge haben. Spitzenkandidat der favorisierten Labour-Partei ist der 38-jährige Joseph Muscat.

    Der sägt schon lange am Stuhl von Premierminister Gonzi und macht ihn für eine lange Phase der Agonie verantwortlich, weil der "mehr an seine Partei als an das Land" gedacht habe.
    Dabei hat Malta drängende Probleme. Die Flüchtlinge, die zu Tausenden das Land per Boot erreichen, werden wie Kriminelle behandelt und eingesperrt. Selbst anerkannte Asylbewerber haben kaum Chancen, sich in die Gesellschaft zu integrieren. Gleichzeitig, sagt Journalist Saviour Balzan, blüht die Schattenwirtschaft auf der Insel.

    "Die meisten Bürger hinterziehen Steuern im großen Stil. Wir sind die größten Steuerhinterzieher - in jeder Branche. Es ist erstaunlich, wie viel im Einzelhandel läuft ohne Belege. Und das hat zu einer Schattenwirtschaft geführt, die die Regierung natürlich leugnet, aber es gibt sie."

    Und trotzdem: Die Malteser sind längst nicht so gebeutelt von der Finanz- und Wirtschaftskrise wie die anderen Südländer der EU. Zumindest gegen diese Bedrohung hat die Festung Malta gehalten.