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Die Macht der Maschinen

IT.- Die Möglichkeit der digitalen Vernetzung von Sachen untereinander schafft viele Anwendungen, die besonders Industrie und Wissenschaft dienen könnten. Dennoch warnen Fachleute eindringlich davor, das sogenannte "Internet der Dinge" vor normalen Netznutzern abzuschotten.

Wissenschaftsjournalist Jan Rähm im Gespräch mit Manfred Kloiber | 23.06.2012
    Manfred Kloiber: Das Internet der Dinge – das wird ja von den Wissenschaftlern noch viel weiter gedacht als nur kontrolliere Medikamentenabgabe oder eben halt im Logistikbereich. Welche Beispiele könnten denn noch im Internet der Dinge stattfinden?

    Jan Rähm: Weitere Beispiele im Internet der Dinge – das ist die Energieversorgung, das sind vernetzte Häuser und noch viel mehr. Ganz charakteristisch für dieses Internet der Dinge ist: Dinge erzeugen Informationen, die andere Dinge aufgreifen und dann weiterverarbeiten. Der Norweger Ovidiu Vermesan vom Europäischen Forschungsnetzwerk Internet der Dinge verglich das Internet der Dinge mit dem menschlichen Gehirn. Er sagt, es sei eine Vernetzung von Knoten, an denen Impulse, beziehungsweise Informationen zusammenlaufen. Und daraus lassen sich dann neue Erkenntnisse, neue Anwendungen und neue Dienste generieren. Der große Vorteil dahinter ist: Es gibt weniger Zentralisierung und echte unidirektionale Kommunikation auf ganz vielen Kanälen. In der Diskussion sind derzeit noch die Arten der Vernetzung. Aber schon dabei gibt es große Einigkeit – mit einer Forderung. Und zwar: Die Standards zur Vernetzung sollen möglichst offen gestaltet werden. Das heißt aber nicht, dass sie auch kostenlos nutzbar sind, sondern hier geht es wirklich darum, dass die Dokumentation der Standards frei einsehbar ist. Aber Patente können da trotzdem dafür sorgen, dass es für die Hersteller Geld kostest.

    Kloiber: Trotzdem hört sich das Konzept ein bisschen wie eine Spielwiese für Entwickler und Wissenschaftler an. Was ist daran wirklich konkret oder industriell verwertbar?

    Rähm: Da ist schon eine Menge verwertbar. Es geht hier vor allen Dingen auch darum, was der Anwender davon hat. Und da betonten die Teilnehmer, mit denen ich gesprochen habe: Es geht hier darum, eine bessere Medizin zu schaffen, bessere Arbeitsbedingungen für die Menschen. Insgesamt ein besseres Leben. Also wirklich Verbesserungen in allen Bereichen, die sich in irgendeiner Art vernetzen lassen. Auf der anderen Seite geht es auch um Demokratisierung. Denn das Internet ist zumindest im Moment noch ein doch sehr basisdemokratisches Medium, an dem jeder mitmachen kann und jeder mitgestalten kann. Und genau das treffe auch auf das Internet der Dinge zu. Es sei nicht nur einfach eine Sache von und für Forschung und Wirtschaft. Das sagte Rob van Kranenburg vom Internet of the Things Council. Er betonte, das Internet der Dinge ist ein Teil des Internets und das Internet an sich gehört halt den Anwendern. Und die können halt einfach mitmachen, tun dies auch bereits. Er hat dabei auf günstige Hardware-Plattformen wie den Raspberry Pi oder die Arduino-Entwicklerplattform verwiesen, mit denen ganz normale Menschen oder auch Entwickler ganz einfache Dinge, die dann vernetzt sind, bauen können, erschaffen können.

    Kloiber: Trotz der versprochenen Vorteile stellt sich bei so vielen vernetzen Geräten die Frage, wann der Mensch irgendwann mal aufhört zu reagieren und die Entscheidungen einfach nur den Dingen überlässt.

    Rähm: Das war in der Tat ein sehr, sehr wichtiges Thema in Venedig. Es ging nicht nur darum, wie zum Beispiel Akzeptanz für diese neuen vernetzten Dinge geschaffen werden kann, sondern es sollten auch die ethischen Fragen beantwortet werden, die in der Entwicklung ja doch ein sehr wichtiger Aspekt sind. Die Frage lautet zum Beispiel: Sollte man alles machen, was möglich ist? Gérald Santucci warnte sogar davor, die Systeme zu schnell auszurollen und zu vernetzen – vor allem, wem das nahezu unsichtbar geschieht, wie es im Moment der Fall ist. Denn dann könnten die Menschen Angst bekommen. Der Mensch müsse aber Zeit bekommen, sich daran zu gewöhnen und dann die Vorteile zu erkennen.

    Kloiber: Und sicherlich stellt sich auch die Frage nach der Sicherheit dieser Art von Kommunikation und dieser Netzwerke der Dinge. Die sind ja doch sehr, sehr undurchschaubar und deswegen auch Angriffspunkte.

    Rähm: Also darüber habe ich mit dem eben schon angesprochenen Ovidiu Vermesan gesprochen. Er sagt, die Gefahr sei zunehmend klar. Man arbeite an neuartigen Sicherheitsstrategien und man müsse wirklich sichere Schutzprofile erstellen, die sowohl Angriffen von außen als auch Fehlfunktionen und daher Fehlentscheidungen vorbeugen. Aktuell ist in der Diskussion die Umsetzung von zwei verschiedenen Arten: das eine ist Security by Design, das andere ist Privacy by Design. Also das eine Sicherheit, das andere Privatsphäre. Und die sollen beide schon in der Entwurfsphase beachtet werden und sollen so die Sicherheitsaspekte klären. Der Schutz des Menschen steht dabei ganz klar im Vordergrund, sagten zumindest die Teilnehmer auf der Konferenz. Aber mir schien es auch so, dass man sich des Gefahrenpotenzials ganz klar bewusst ist.