Donnerstag, 02. Mai 2024

24. April 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Kommentiert werden der FDP-Parteitag sowie die Zustimmung der Berliner SPD-Mitglieder zu einer Koalition mit der CDU. Zunächst aber zur Einigung auf einen Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst.

24.04.2023
Die Berliner Politiker Kai Wegner, Vorsitzender der CDU in Berlin, und Franziska Giffey, SPD und derzeit noch Regierende Bürgermeisterin von Berlin, präsentieren den Berliner Koalitonsvertrag. Sie lächeln und blicken nach oben.
Kai Wegner, CDU, und Franziska Giffey, SPD, wollen zusammen Berlin regieren. (picture alliance / dpa / Monika Skolimowska)
"Das Ergebnis kann sich sehen lassen", findet die BADISCHE ZEITUNG: "Der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst sei die höchste Steigerung in der Nachkriegsgeschichte, lobte Verdi-Chef Werneke. Bund und Bundesinnenministerin Faeser sind ebenfalls zufrieden, auch wenn nun Milliarden Euro aufgebracht werden müssen. Aber die Arbeit von Kindergärtnerinnen, Müllmännern, Pflegern oder Feuerwehrleuten ist dieses Geld wert. Ohne sie - das haben die Warnstreiks in der jüngsten Vergangenheit gezeigt - läuft das Leben für alle nicht rund", unterstreicht die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg.
ZEIT ONLINE erklärt: "Für Menschen mit geringen Gehältern bedeutet der Tarifabschluss eine deutliche Verbesserung – vor allem aufgrund der dauerhaften Erhöhung um monatlich 200 Euro. Sie werden ab dem kommenden Jahr abhängig von ihrem jetzigen Gehalt eine Lohnsteigerung von rund zehn Prozent oder sogar mehr erhalten. Und auch Angestellte im mittleren oder gehobenen Dienst verdienen künftig mehr. Dass das die Kommunen knapp 17 Milliarden Euro kosten soll, ist völlig gerechtfertigt. Wer in der Pandemie für Pflegekräfte applaudiert oder den großen Personalmangel in Kindertagesstätten oder Schulen fürchtet, muss auch bereit dazu sein, mehr für die Angestellten auszugeben. Vor allem dann, wenn wir nicht über eine anlasslose Gehaltserhöhung, sondern über den Ausgleich einer hohen Inflation sprechen", betont ZEIT ONLINE.
Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG sorgt sich um die Finanzierung, vor allem mit Blick auf die Kommunen: "Einige Städte und Gemeinden haben bereits jetzt hohe Schulden und nur einen geringen finanziellen Spielraum in ihren Haushalten. Die Tariferhöhungen, wenn sie auch geringer als gefordert ausfallen, werden für die Kommunen ein Kraftakt."
Die MEDIENGRUPPE BAYERN, zu der unter anderem der DONAUKURIER gehört, fragt sich, woher die Kommunen das Geld nehmen sollen: "Vermutlich hilft nur, Abgaben zu erhöhen - bei Kitas, Bädern, bei der Gewerbesteuer. Ergebnis: Die Lohn-Preis-Spirale dreht sich weiter – und macht für viele Bürger den Schmerz dieser Einigung erst verspätet spürbar."
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG blickt auf einen anderen Aspekt: "Erst die Anrufung einer Schlichtung brachte einen Deal. Die Schlichter haben die Bonbons und Belastungen so verteilt, dass beide Seiten gerade noch zustimmen können. Damit wurden unbefristete Streiks abgewendet. Das partnerschaftliche deutsche System zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften hat sich in einem entscheidenden Moment bewährt. Wenn diese Sozialpartnerschaft sogar während einer Rekordinflation funktioniert, ist sie wirklich wetterfest", befindet die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Das HANDELSBLATT spricht von einer "Zeitenwende in der Tarifpolitik": "Nach drei Jahren mit Reallohnverlusten in Folge, die auch verantwortungsbewusster Lohnzurückhaltung in der Coronakrise geschuldet waren, verlangen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer jetzt wieder ihren Anteil vom Kuchen. Und sie sitzen am längeren Hebel. Angesichts des bereits weitverbreiteten Arbeits- und Fachkräftemangels, der sich durch die Alterung der Gesellschaft weiter verschärfen wird, ist die Verhandlungsposition der Gewerkschaften deutlich gestiegen. Ermutigt durch Eintritte neuer Mitglieder, die die jüngsten Warnstreiks gebracht haben, lassen sie die Muskeln spielen. Auch ohne anhaltend hohe Inflationsraten dürfte es ihnen künftig gelingen, dem knappen Gut Arbeitskraft ein neues Preisschild anzuhängen", ist das HANDELSBLATT überzeugt.
Kommentiert wird auch der Parteitag der FDP. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG staunt: "Die FDP hat fünf Landtagswahlen in Folge verloren, fühlt sich in der Ampelregierung so fremd wie ein CEO in einer Frühstückspension und muss sich dann auch noch vom CSU-Chef Markus Söder anhören, sie sei 'leider' - das ist das Tückischste daran - eine linke Partei geworden. Für all die Demütigungen könnte die FDP ihren Vorsitzenden Christian Lindner büßen lassen. Doch was tut sie? Sie wählte ihn auf ihrem Bundesparteitag am Wochenende mit satten 88 Prozent wieder. Die Krise der FDP ist nicht die Krise Lindners. Betrachtet man die FDP als kleine Demokratie innerhalb der Demokratie, ist Christian Lindner darin die einzige Volkspartei. Auf ihn können sich verschiedene FDP-Milieus einigen, die ansonsten durchaus miteinander fremdeln", stellt die F.A.Z. fest.
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE beobachtet: "Lindner bewegt sich auf einem schmalen Grat. Einerseits soll er den Grünen die Stirn bieten, andererseits aber darf die FDP nicht das werden, was sie den Grünen im Wahlkampf vorgeworfen hat – eine Dagegen-Partei. Im Heizungsstreit heißt das, dass auch Lindner der Meinung ist, dass mit Öl und Gas befeuerte Anlagen keine Zukunft mehr haben, dass ihr Austausch aber gestreckt, finanziell abgefedert und offen für neue Technologien sein muss. Hier wird Politik sehr schnell sehr konkret. Und hier ist die FDP der Mitte, die sie verteidigt, noch einige Antworten schuldig: Zeitpläne, Zuschüsse, Härtefallregelungen. Antworten, die sie Grünen und Roten erst noch abringen muss", vermerkt die AUGSBURGER ALLGEMEINE.
Die LAUSITZER RUNDSCHAU sieht die FDP auf einem guten Weg: "Die Zustimmung, vor allem zur Verkehrspolitik der FDP, ist groß. Der Einsatz gegen ein Verbrennerverbot, das eine Mehrheit der Deutschen ablehnt, wirkt. Beim Parteitag am Wochenende wurde deutlich, dass Lindner diese Strategie fortführen will. Wie das mit den Positionen progressiver FDP-Fachpolitiker vereinbar ist, die sich für den Emissionshandel einsetzen, bleibt dabei unklar. Denn wer Technologieoffenheit sagt, muss auch CO2-Preis sagen, und mit dem wird fossile Energie teurer", gibt die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus zu bedenken.
Zum Schluss ein Blick nach Berlin, wo die SPD-Mitglieder den Weg für eine schwarz-rote Koalition unter Führung der CDU freigemacht haben. Die WELT ist froh über das Mitgliedervotum: "Nicht auszudenken, was geschehen wäre, hätten die SPD-Mitglieder in Berlin anders gewählt. Giffey und Saleh wären weg vom Fenster gewesen, die Berliner Linksaußen-Grüne und die PDS-Nachfolger der Linke hätten triumphierend Bedingungen stellen können und durchgesetzt, die das bisherige Links-Grün-Düsterrote Bündnis wie einen Stammtisch in Oberbayern hätte aussehen lassen. Es hätte keinen Linksrutsch, sondern einen bodenlosen Fall in den ideologischen Abgrund gegeben. Berlin wäre nicht mal mehr Bullerbü-Utopia, sondern eine Hippie-Kommune mit vier Millionen Einwohnern unter der Häuptlingschaft der Stadtindianer geworden. Knapp sechstausend SPD-Mitglieder haben das verhindert. So gerade noch", kommentiert die WELT.
Der Berliner TAGESSPIEGEL sieht es so: "CDU und SPD haben nun die Möglichkeit, zu überraschen – mehr als vielleicht andere Bündnisse zuvor. Denn mit Dysfunktionalität kann ein Senat die Berlinerinnen und Berliner kaum mehr überraschen. Selbst die notwendig gewordene Wiederholungswahl als vorläufiger Tiefpunkt hat in der Stadt mehr Schulterzucken als echte Schockreaktionen ausgelöst. Es ist traurig, aber wahr: Womit die Bewohner Berlins überrascht werden können, ist einfach: Gelingen", hält der TAGESSPIEGEL fest.
Und die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt (Oder) merkt an: "Die Bundesebene der SPD dürfte einerseits erleichtert sein, dass es kein Debakel für die Berliner Parteiführung gegeben hat. Andererseits war ein Mangel an Begeisterung für eine Koalition mit der CDU bei vielen im Willy-Brandt-Haus zu erkennen. Überhaupt sieht es in vielen Bundesländern nicht gut aus für die SPD. In Brandenburg ist nach den Umfragen die AfD stärkste Partei, in Bayern ist die SPD weiter eine Kleinpartei. So gesehen ist die Regierungsbildung in Berlin möglicherweise der Anfang einer Reihe sozialdemokratischer Niederlagen." Mit diesem Kommentar aus der MÄRKISCHEN ODERZEITUNG endet die Presseschau.