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Die Salzwiese und das Öl

Im April 2010 explodierte die Ölplattform Deep Water Horizon im Golf von Mexiko. Große Mengen des freigesetzten Öls trieben auf die Küsten Louisianas und Mississippis zu und bedeckten dort Salzwiesen. Welche Folgen das für diese Ökosysteme hatte, haben zwei Forschergruppen aus den USA untersucht.

Von Monika Seynsche | 14.01.2013
    Es ist eine flache Sumpflandschaft, in der Lisamarie Windham-Myers arbeitet. Hohes Gras, Tümpel und Brackwasser, so weit das Auge reicht. Eine unspektakuläre Landschaft, die aber eine ganze Reihe wichtiger Ökosystemdienstleistungen erfülle, erzählt die Biologin des US-amerikanischen geologischen Dienstes im kalifornischen Menlo Park.

    "Salzwiesen sind sehr wichtige Lebensräume für Fische. Davon profitiert die Fischfangflotte im Golf von Mexiko, die eine der größten der westlichen Hemisphäre ist. Darüber hinaus schützen die Salzwiesen die Menschen im Hinterland vor Stürmen und Überflutungen, indem sie als Schwamm wirken, der das Wasser abbremst. Und sie ziehen große Mengen Kohlendioxid aus der Atmosphäre."

    Lisamarie Windham-Myers und ihre Kollegen wollten wissen, welche Auswirkungen das Öl der Deepwater-Horizon-Havarie auf die Mikroorganismen im Boden der Salzwiesen hatte. Im Sommer und Herbst 2011 sammelten sie Proben aus verölten und unverschmutzen Böden und untersuchten die Zusammensetzung der Mikrobengemeinschaft, wie viele Organismen im Boden lebten, wie aktiv sie waren, wie viele Enzyme sie produzierten und so weiter.

    "Wir waren wirklich überrascht davon, dass alle unsere Untersuchungsergebnisse in dieselbe Richtung zeigten. Alle deuteten darauf hin, dass die Mikroorganismen in den verölten Proben weniger aktiv waren."

    Es gab seit der Ölkatastrophe schon zahlreiche Studien zu den Auswirkungen des Öls auf Bakterien und andere Mikroorganismen. Das Neue an ihrer Studie, sagt Lisamarie Windham-Myers, sei der Ansatz, sich nicht einzelne ölfressende Bakterien anzuschauen, sondern ein gesamtes Ökosystem. Und das leide unter dem Öl.

    "Die Lebensgemeinschaft der Salzwiesen scheint nicht sonderlich begeistert vom Öl im Boden zu sein, zumindest zurzeit nicht. Möglicherweise ändert sich das auf lange Sicht wieder, aber das wissen wir nicht. Entweder leidet sie direkt unter dem Öl oder sie leidet darunter, dass die Pflanzen unter dem Öl leiden, denn die bilden eine wichtige Nahrungsquelle für Bakterien, Pilze und andere Mikroorganismen. Sollten sich die Pflanzen wieder erholen, erholt sich also vielleicht auch die Mikrobengemeinschaft wieder sehr schnell."

    Nicht nur Lisamarie Windham-Myers, auch Calista Guthrie hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Wochen in den Salzwiesen am Golf von Mexiko verbracht. Die Geologin der Mississippi State University untersucht welchen Einfluss der Abbau des Öls auf das Ökosystem im Boden hat.

    "Für einige Mikroorganismen stellt das Öl eine Nahrungsquelle dar. Sie versuchen, es abzubauen und verbrauchen dabei Sauerstoff, von dem sowieso nicht viel in den nassen Böden der Salzwiesen vorhanden ist. Sobald keiner mehr da ist, übernehmen sulfatreduzierende Bakterien, die ohne Sauerstoff zurecht kommen. Sie bauen das Öl ab und produzieren dabei Schwefelwasserstoff. Der aber ist giftig für die Gräser auf den Salzwiesen. Und der fehlende Sauerstoff im Boden schadet den Pflanzen ebenfalls. Es ist also ein doppelter Schlag."

    Calista Guthrie und ihre Kollegen kamen zum ersten Mal im Herbst 2010 in die Salzwiesen, um Proben zu nehmen von verölten und unverschmutzten Flächen. Sie fanden 20 Mal mehr Schwefelwasserstoff auf den kontaminierten Wiesen als auf den sauberen. In den folgenden Jahren nahm Calista Guthrie immer wieder Proben.

    "2010 war viel Schwefelwasserstoff im Boden, 2011 war es noch viel mehr, aber als ich 2012 wiederkam, waren die Konzentrationen wieder geringer und ähnelten eher denen in einer ungestörten Salzwiese. Möglicherweise kommt das System also wieder zurück ins Gleichgewicht. Aber wir wissen es nicht. Es gibt so viele verschiedene Faktoren die da rein spielen."

    Erst in vielen Jahren wird deutlich werden, welche Langzeitfolgen die Katastrophe im Golf von Mexiko nach sich zieht.