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Zukunft der Geflüchteten
Brisantes Theater oder alter Hut?

Eigentlich sollte es die gewohnten Vorstellungen von Flüchtlingen aufbrechen, doch dann musste das Theaterstück "Homohalal" quasi selber emigrieren: Am Wiener Volkstheater war nach dem Sommer 2015 die Materie zu heiß. Im März 2017 kam es in Dresden zur Aufführung. Mit Bezug auf die neue Regierung mit Rechtspopulisten, erfolgt nun die Premiere in Wien.

Von Paul Lohberger |
    Österreichische Erstaufführung von "Homohalal" von Ibrahim Amir. Zu sehen sind die Schauspieler Arthur Werner, Constanze Passin, Daniel Wagner, Yodit Tarikwa, Christoph Griesser, Stephanie K. Schreiter.
    Österreichische Erstaufführung von "Homohalal" von Ibrahim Amir. (© Yasmina Haddad)
    Ein Swimmingpool bestimmt die Bühne im Wiener Off Theater Werk X.
    Anfangs ist das Wasser noch ruhig.
    Vater: "Ich bring ihn um, Gazallah, halt mich, ich bring unsern Sohn noch um."
    Anlässlich einer Trauerfeier im Jahr 2037 kommen Freunde und Familie zusammen. Der Vater ereifert sich halb auf Deutsch, halb auf Arabisch, weil sein Sohn schwul ist.
    Vater: "Für ihn hab ich Drecksarbeit machen müssen, ich hab Klos geputzt."
    Wien 2037 hat sich verändert: Die liberale Stadt ist eine Weide ohne Autos. Die Flüchtlinge von 2012 sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Damals haben sie in Wien eine Kirche besetzt, um auf ihre Asylrecht zu pochen.
    Dass sie mit Frauen liiert sind, die sie als Aktivistinnen kennengelernt haben, ist zwar ein interessantes Detail aus der Vergangenheit – aber nicht das brisanteste.
    Abdul: "Schließ mal deine Augen, ganz kurz."
    Albertina: "Grrr, nein."
    Abdul: "Du musst nix machen! Ich versuch dich mal in Worte zu fassen."
    "Für mich ist an erster Stelle wichtig, meine Ideen, meine Kritik in Form der Unterhaltsamkeit darzustellen"
    Politik als Teil des Lebens
    Der Autor Ibrahim Amir kam als politischer Flüchtling aus Syrien, nun ist er Arzt mit österreichischer Staatsbürgerschaft und lebt seit sechs Jahren in Wien.
    "Meine Figuren sind meistens plastisch, realistisch, und reale Figuren, wenn sie jetzt in Wien 2018 leben, dann ist Politik Teil ihres Lebens – und das wird erwähnt, auf welche Weise weiß ich nicht, kommt drauf an – kommt drauf an, was macht die Figur damit, was ist der Hintergrund?"
    Ibrahim Amir bei der Pressekonferenz zum Volkstheater Wien Spielprogramm 2015/16 in der Roten Bar im Volkstheater.
    Ibrahim Amir im Wiener Volkstheater. (imago / Future Image)
    Wer hat wen betrogen, verlassen, benutzt oder verraten? Für wen war die Lage schlimmer? Abgründe tun sich auf, parallel sorgt skurrile Komik für zustimmende Lacher.
    Omar: "Wisst ihr noch, wie wir in Traiskirchen von Tür zu Tür gezogen sind, wir kochen für euch, und lernen uns kennen? – Zur Mitte, zur Titte, zum Sack, Zackzack!"
    Komik bricht mit aktueller Situation Österreichs
    Homohalal wollte die gewohnten Vorstellungen von Flüchtlingen aufbrechen. Am Wiener Volkstheater vor zwei Jahren wurden die Proben zur Uraufführung abgebrochen, angeblich wegen politisch unkorrekter Formulierungen. Offenbar war das Thema Flüchtlinge nach dem Sommer 2015 zu heiß. Im März 2017 kam Homohahal dann in Dresden zur Aufführung, in einer adaptierten Fassung.
    "In der Dresdner Fassung gibt es den Satz: Die Stadt hat sich verändert – Dresden, die toleranteste Stadt – das war jedes Mal ein riesen Lacher, wie ich gehört hab."
    Ali M. Abdullah ist der Regisseur der Wiener Fassung von Homohalal im Werk X. Er inszenierte eine gekürzte Version mit klaren Bezügen zur aktuellen Situation Österreichs. Damit bricht die Komik.
    "In der Wiener Fassung, die wir jetzt gebaut haben, gibt es den wunderbaren Satz, wo er sagt: Die türkisblaue Regierung hat mit unserem Thema, nämlich mit den Flüchtlingen, die Wahl gewonnen, und jetzt sind wir sozusagen ihr größter Feind."
    "Erinnert Ihr euch noch an 2017, die Angelobung der türkis-blauen Regierung? Mit Internet Progromen fing es gleich nach der Angelobung an, mit dem Neujahrsbaby Asel, der man auf Facebook den Tod wünschte.
    Die Bewirtschaftung der Parteien führte das fort, und infolge brannten Kasernen und Muslime, und es floss viel Blut."
    Rasant-unterhaltsames Stück
    Soweit die Vorgeschichte zur liberalen Idylle von 2037. - Am Ende wird eine Bedrohung mit einem Mord abgewehrt. Der darauf folgende Rechtfertigungs-Monolog wirkt verstörend, weil Ibrahim Amir populistische und pragmatische Argumente verquickt.
    "Der Schlussmonolog ist kein Statement von mir. Das ist eine Meinung hier in Österreich und Deutschland, die sagt: Freiheit ist Sicherheit und Sicherheit ist Freiheit. Und wer hält schon die Tür, während ihr euren Spaß habt. Das ist eine Meinung, die ändert auch Regierungen. Thomas de Mazière hat auch gesagt, meine Damen und Herren, ich will Sie nicht beunruhigen, aber ich kann nicht über alles sprechen. Es ist eine Meinung. Es gibt Typen, die denken wirklich so, das ist die Lösung: Wir machen uns die Hände schmutzig, während ihr euren Spaß habt. Das ist ein Schluss, aber das ist nicht meine Meinung, das ist ein Stück, da kommen viele verschiedene Meinungen vor."
    Tatsächlich schafft es das Stück Homohalal, komplexe gesellschaftliche Fragen zusammenzufassen, ohne sie sinnlos zu vereinfachen: Wie weit darf man gehen, was muss man tun, um die freie Gesellschaft zu verteidigen – und gleichzeitig tolerant zu sein?
    Während das Publikum der Wiener Premiere den klatschnassen Schauspielern applaudiert, beruhigt sich das Wasser im Pool. Kein Eklat, kein Protest. Stattdessen betretene Nachdenklichkeit nach einem rasant-unterhaltsamem Stück, das keine Antworten vorgeben will.