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Dioxin im Elbtal

Dioxine gehören zu den giftigsten Chemikalien. Beim Menschen können sie schon in äußerst geringen Konzentrationen zur Krebsentstehung beitragen. Wegen ihrer Stabilität werden diese Stoffe in der Umwelt kaum abgebaut. Dioxine sind deshalb weit verbreitet, zum Beispiel im Tal der Elbe. Dort werden bei Hochwasser immer wieder erhebliche Mengen angeschwemmt. Betroffen sind vor allem die Landwirte.

Von Dirk Drazewski | 15.11.2007
    Sattes Grün auf den Wiesen zwischen Deich und Elbe. Die Blätter an den Bäumen leuchten in herbstlich, gelb und roten Farben; in der Nähe kreischen ein paar Wildgänse:

    "Es ist einfach schön hier - man hat hier die Grünflächen, den Fluss die Weite. Es passt alles gut zusammen. "

    Thorsten Linde ist Landwirt, er steht im Arbeitsoverall auf dem Elbdeich im niedersächsischen Dannenberg. Doch die Idylle trügt, was man nicht sieht, sind die Gifte in der Elbtalaue. Dioxin wird mit jedem Hochwasser auf die Wiesen im Deichvorland gespült, dort haftet es an Gräsern, sammelt sich im Schlick. Altlasten - noch aus Zeiten vor der Grenzöffnung:

    "Das ist ja schon eine ganz alte Sache aus vergangenen Zeiten. Das Dioxin kommt aus früheren Industriebetriebe im Osten. Es wird immer wieder aufgeschwemmt. Und mit jedem Hochwasser kann es sich wieder irgendwo absetzen. "

    Wo genau die Ablagerungen sind, lässt sich kaum feststellen, denn mit jedem Hochwasser verändert sich die Belastung. Betroffen sind in Niedersachsen bis zu 200 landwirtschaftliche Betriebe entlang der Elbe. Friedrich Otto Rippke, Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium Hannover:

    "Wir haben Belastungen im Schlick, also im Sediment. Aber keinesfalls dort, wo sich Touristen im Elbtal aufhalten. Es haftet an den Gräsern und deswegen ist das Hauptaugenmerk natürlich auf die Landwirtschaft gerichtet."

    Betroffen sind neben Niedersachsen auch die Elbanlieger-Länder Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt. Das Verbraucherschutz und Landwirtschaftsministerium in Hannover will das Problem angehen und hat nun begonnen, die Situation zu analysieren:

    "Wir haben 200 Betriebe untersucht. An Flächen entspricht das einigen 1000 ha. Wir wollen erreichen, dass alle Landwirte in der Elbtalaue ohne Angst und ohne Risiko mit Dioxin etwas falsch zu machen, in der Zukunft wirtschaften können, dass die Lebensmittel nicht belastet sind."

    57 der 200 Höfe entlang der Elbe werden zur Zeit intensiv beraten. In diesem Jahr wurden bislang 5 Futterproben und ein Schlachttier beanstandet, weil die Dioxinbelastung die Grenzwerte überstieg.
    Der Rinderzüchter und Milchbauer Thorsten Linde geht auf Nummer sicher, seine 60 Milchkühe bleiben im Stall. Sie kommen nicht mehr auf die Weideflächen an der Elbe:

    "Aufgrund der Dioxinproblematik ist mir das Risiko zu groß. Es geht dabei auch um Produkthaftung. Die Landwirtschaftskammer gibt klare Empfehlungen: zum Beispiel keine Außenbeweidung. Also bleiben die Kühe im Stall. "

    Damit ist das Problem allerdings nicht gelöst. Denn die Tiere brauchen auch im Stall Futter - und das besteht zum Großteil aus Grassilage aus dem Elbetal. Die Landwirtschaftskammer und das Ministerium bieten deshalb spezielle Beratungen an. Weide und Futterprobleme sollen erörtert und zusammen mit dem Landwirt gelöst werden. Experten im Landwirtschaftministerium sprechen von einem Elbauenmanagement:

    "Wir überlegen zusammen mit den Landwirten, mit der Kammer also mit allen Beteiligten, wie kann man die Bewirtschaftung so aufbauen, dass weder für Betriebe - im Rahmen der Produkthaftung, für die Umwelt und für die Verbraucher ein Risiko entsteht. "

    Ein Beispiel: der erste Gras-Schnitt nach einem Hochwasser sollte vernichtet werden, da vor allem nach Überflutungen die Gefahr steigt, das Dioxine sich an den Pflanzen ablagern. Und für den zweiten Schnitt sollten nur trockne Flächen gemäht werden. Darüber hinaus wird auch eine Flurbereinigung diskutiert - also ein Flächentausch. Das Land Niedersachsen besitzt zahlreiche Brachflächen im Binnenland. Diese könnten mit landwirtschaftlichen Flächen vor dem Deich getauscht werden. Das würde auch Thorsten Linde helfen:

    "Austauschflächen. Das wären dann unbelastete Flächen, wo ich mein Futter produzieren kann. Das Land besitzt viele Brachen, die genutzt werden könnten. Also eine Flurbereinigung."

    Die möglichen Austauschflächen sind nicht belastet, sie werden nicht vom Elbwasser überschwemmt. Dann könnten die Landwirte entlang der Elbe ohne Sorgen wirtschaften. Die Milchkühe und Schlachtrinder könnten auch auf den neuen unbelasteten Flächen grasen und müssten nicht die ganze Zeit im Stall verbringen.