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Dirigent Eric Ericson
Stockholms A-cappella-Maestro

Eric Ericson und seine beiden Stockholmer Chöre galten Jahrzehnte lang als Chorwunder aus dem Norden. Im Februar 2013 starb der Dirigent im Alter von 94 Jahren. Ihm zu Ehren hat das Label Warner Classics jetzt die CD-Box "Europäische Chormusik" herausgegeben, die zwei legendäre Produktionen mit Ericson aus den 70er-Jahren beinhaltet.

Von Klaus Gehrke | 30.11.2014
    Dirigierende Hände schwingen durch die Luft.
    Das Repertoire unter Ericsons Chorleitung reichte von den Meistern der Renaissance bis zur zeitgenössischen Moderne mit Werken von Luigi Dallapiccola, György Ligeti oder Krzysztof Penderecki. (dpa / picture alliance / epa Keystone Urs Flueeler)
    Die Interpretationen der damaligen Zeit mögen vielleicht nicht unbedingt den heutigen Vorstellungen der historisch informierten Aufführungspraxis entsprochen haben; dennoch sorgte die frische und zupackende Herangehensweise Eric Ericsons mit dem Kammerchor und dem Rundfunkchor Stockholm an frühbarocke Madrigale etwa von Thomas Morley oder Claudio Monteverdi für internationales Aufsehen.
    1918 im südwestschwedischen Boras geboren und auf der Insel Gotland aufgewachsen, studierte Ericson Kirchenmusik und Chorleitung an der Königlichen Musikakademie Stockholm sowie an der Schola Cantorum Basiliensis. Unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gründete der junge Dirigent in der schwedischen Hauptstadt den Kammerchor, den er fast 40 Jahre lang leitete und mit dem er viele A-cappella-Werke unterschiedlicher Epochen auf Schallplatte einspielte.
    Kontinuierliche Chorarbeit
    Auch mit dem Stockholmer Rundfunkchor blieb Ericson drei Jahrzehnte lang verbunden, den er sechs Jahre nach der Gründung seines Kammerchores 1951 übernahm. In dieser Zeit führte er die beiden Vokalensembles an die Spitze des internationalen Chorgesanges. Deren lupenreine Stimmtechnik, glasklare Artikulation und große Ausdruckskraft setzten Maßstäbe. Zudem verlangte Ericson seinen Sängerinnen und Sängern hohe Flexibilität in Bezug auf das Repertoire ab: das reichte von den Meistern der Renaissance bis zur zeitgenössischen Moderne mit Werken unter anderem von Luigi Dallapiccola, György Ligeti oder Krzysztof Penderecki. Dazu kamen selbstverständlich auch Uraufführungen von den Chören
    Legendäre Einspielungen
    Bekannt wurden Ericson und seine Stockholmer Chöre in der Bundesrepublik Deutschland ab den späten 60er-Jahren. Das Label Electrola brachte zwischen 1970 und 1978 unter den Titeln "Chormusik aus fünf Jahrhunderten" und "Virtuose Chormusik" zwei mehrere Schallplatten umfassende Anthologien heraus, die sehr eindrucksvoll die stimmlichen und interpretatorischen Fähigkeiten von Ericsons schwedischen Ensembles demonstrierten und unter Chorfreunden sehr schnell Kultstatus erreichten. Die meisten der dort eingespielten Kompositionen waren Werke für Chor a-cappella; zu den wenigen Ausnahmen mit Instrumentalbegleitung gehörten unter anderem Stücke aus Gioacchino Rossinis italienischem Choralbum oder Nicolò Castiglionis 'Gyro'.
    Internationale Chorleiter-Legende
    Als Ericson 1983 aufgrund seiner Pensionierung nach dem Rundfunkchor auch seinen Kammerchor abgab, bedeutete das noch lange nicht das Ende seiner aktiven Laufbahn: als Dozent für Chorleitung unterrichtete er noch bis 1991 an der Stockholmer Musikhochschule, gab weiterhin Meisterkurse und dirigierte bis ins hohe Alter auf internationalen Konzertreisen viele renommierte Vokalensembles wie etwa den RIAS Kammerchor, den Niederländischen Kammerchor, die BBC Singers oder den Chor der Wiener Staatsoper. Die jetzt veröffentlichte CD-Box präsentiert nicht nur seine beiden schon erwähnten Schallplattenanthologien frisch aufpoliert erstmals zusammen, sondern ist auch eine Würdigung an einen Chordirigenten, der Maßstäbe gesetzt hat und der innerhalb seiner Zunft seinesgleichen sucht.
    Europäische Chormusik mit dem Rundfunkchor Stockholm und dem Stockholmer Kammerchor
    Leitung Eric Ericson
    Warner Classics 825646 261505