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Diskussion um Kooperationsverbot
"Wir kommen nicht auf einen Nenner"

Der SPD-Bildungspolitiker Ernst Dieter Rossmann sieht zurzeit keine Mehrheit für eine Grundgesetzänderung, um das Kooperationsverbot von Bund und Ländern bei Schulen und Kitas zu lockern. Deshalb strebe die Große Koalition als ersten Schritt hin zu mehr Zusammenarbeit eine Öffnung im Hochschulbereich an.

Ernst Dieter Rossmann im Gespräch mit Benedikt Schulz | 18.09.2014
    Blick in den Bundesrat in Berlin
    Am Freitag diskutiert der Bundesrat über eine Lockerung des Kooperationsverbots. (picture alliance / dpa / Rainer Jensen)
    Benedikt Schulz: Morgen wird die geplante Lockerung des Kooperationsverbots im Bundesrat diskutiert, weil dafür das Grundgesetz geändert werden muss. Und da geht eben nichts ohne die Zustimmung der Länder. Und das ist nicht so einfach. Das, was die Bundesregierung bislang vorhat, betrifft nur den Bereich der Hochschulen, nicht aber Schulen und Kitas. Einigen Bundesländern reicht das nicht, sie wollen, dass der Bund sich auch in diesen Bereichen engagieren darf, finanziell. Aber nicht inhaltlich! Denn dort wollen die Länder den Hut lieber selber aufbehalten. Zum Beispiel Sylvia Löhrmann, NRW-Schulministerin und derzeit Vorsitzender der Kultusministerkonferenz, vor Kurzem in unserer Sendung:
    Löhrmann: Die Schulgesetze sollen - das war nie mein Anliegen - weiterhin von den Ländern gemacht werden. Die können wir gut selber machen. Manchmal wäre Zentralismus da auch eher schädlich.
    Schulz: Kooperationsverbot abschaffen? Ja, irgendwie schon. Aber wie genau? Ernst Dieter Rossmann ist bildungspolitischer Sprecher der SPD im Bundestag. Er hat kürzlich gefordert, das Kooperationsverbot solle auch für den schulischen Bereich auf den Prüfstand, und zwar am Ende der Legislaturperiode. Vor der Sendung habe ich ihn gefragt: Warum nicht jetzt sofort?
    Ernst Dieter Rossmann: Aktuell haben wir eine klare Vereinbarung innerhalb der Regierungskoalition getroffen, dass wir einen ersten Schritt tun wollen, nämlich die Kooperationsmöglichkeiten ausdrücklich für den Hochschulbereich zu öffnen. Und anderes ist aktuell nicht möglich, weil die CSU in Bayern eine ganz starke Vetomacht dort ist und wir von daher zwischen CDU, CSU und SPD dort nicht auf einen Nenner kommen können.
    Schulz: Aber das heißt, wir haben jetzt ein aufwendiges Gesetzänderungsverfahren, und haben dann in zwei Jahren das nächste?
    Rossmann: Wir haben, ohne dass es die Öffentlichkeit bemerkt hat, parallel zu den Konjunkturprogrammen, mit denen wir die Lehman-Brothers-Finanzkrise ja auch in Deutschland einigermaßen bewältigt haben, das Grundgesetz auch mal eben so geändert. Also, es ist richtig, dass das ebenso nicht das richtige Maß ist.
    Zurzeit keine Mehrheit für Grundgesetzänderung
    Aber ein Grundgesetz, auf einen bestimmten Punkt bezogen, kann dann auch wieder zur Änderung aufgerufen werden, es müssen sich nur alle konstruktiv daran beteiligen, dann ist das ein ganz normales politisches Verhalten. Aber wie gesagt, bisher ist die Einsicht noch nicht so weit gewachsen, dass wir die Zweidrittelmehrheit in der Bundesrats- und in der Bundestagskammer zusammen haben.
    Schulz: Gehen wir mal davon aus, dass dann in zwei Jahren oder irgendwann später die Einsicht vielleicht gewachsen ist, dann vorhanden ist: Wenn das Kooperationsverbot auch für den Bereich der Schulen und Kitas fallen sollte, wie sollte denn Ihrer Meinung nach die inhaltliche Kompetenz des Bundes bei der Schulgesetzgebung aussehen?
    Rossmann: Da haben Sie ja schon eben auch die Gedanken von Frau Löhrmann eingespielt, dass natürlich wir kein zentralistisches Schulgesetz haben wollen, kein Bundesschulsystem, sondern es soll eine Ermöglichung von gemeinsamer Bildungs-, Schulförderung durch den Bund und die Länder zusammen mit den Kommunen dann stattfinden können.
    Die Bundesländer, die jetzt eine Bundesratsinitiative eingebracht haben, unterstützen damit ja, was die Große Koalition anbieten kann, nämlich die Verbesserung der Kooperationsmöglichkeiten für den Hochschulbereich, und haben gleichzeitig ein paar Felder aufgezeigt, in denen man sich seitens der fortschrittlichen Bundesländer auch mehr Kooperationsmöglichkeiten im Bereich Schule wünscht. Also, das ganze Thema der Inklusion, der gemeinsamen Lebens- und Lernformen für Kinder, Jugendliche mit und ohne Behinderung, ist angesprochen; es ist angesprochen die soziale Integration in Bezug auf Kinder mit Bildungsbarrieren, Bildungshemmnissen, und in diesem Feld kann man dann sehr konkrete Projekte auch benennen, bei denen der Bund Unterstützung mitgeben kann, damit Gleichwertigkeit in diesen Bildungschancen für alle gewährleistet ist.
    Schulz: Das heißt aber, dass der Bund an Rahmenbedingungen finanziell mitarbeiten soll, aber inhaltlich nicht mitentscheiden darf. Verstehe ich Sie da richtig?
    Rossmann: Da verstehen Sie mich halb richtig. Denn da, wo Geld gegeben wird, sei es des Bundes und der Länder zusammen, geschieht das in der Regel auf der Grundlage von Vereinbarungen. Und solche Vereinbarungen geben dann auch einen inhaltlichen Rahmen vor, ohne ins letzte Detail zu gehen, weil tatsächlich das Detail einer Schule in Pasewalk, in Handewitt und in Berchtesgaden sicherlich nicht durch eine Bundesregelung anzusprechen ist. Aber dass man Grundlagen gibt, ob es in die Richtung von Investitionen gehen, ob es in die Richtung von Mitfinanzierung von bestimmtem Personal, Schulassistenten, Schulbegleiter gehen soll, ob es vielleicht eine besondere Initiative gibt, die Schulen zu modernisieren in Bezug auf die IT-Ausstattung, digitales Lernen, das sind dann Vereinbarungen, die man schon inhaltlich fair miteinander treffen kann.
    Vielfalt im Bildungsbereich erhalten
    Schulz: Jetzt ist aber vergangene Woche die sogenannte Jako-O-Bildungsstudie erschienen. Ein Ergebnis ist, dass Eltern sagen, oder eine breite Mehrheit der Eltern sich dafür aussprechen, dass in allen Bundesländern dieselben Bedingungen in den Schulen herrschen. Spricht das nicht dafür, dass der Bildungsföderalismus eigentlich längst abgeschafft wird?
    Rossmann: Selbst wenn es eine Bundesschulgesetzgebung gäbe, würden ja trotzdem die Bedingungen nicht vollkommen gleich sein können. Weil Sie jetzt schon - jeder mag seine eigene Schulerfahrung nehmen - Unterschiede haben in der Gestaltung von Schulen, in der Gestaltung von Schulen in bestimmten Städten, je nachdem, wie gut diese finanziell ausgestattet sind vom Schulkonzept her und anderem. Also, wir dürfen auch nicht glauben, dass sich Bildung darstellen lässt wie Konserven: alles gleich, wie wenn es um eine bestimmte Marke geht.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.