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Doping ohne Grenzen

Über eine Millionen Freizeitsportler spritzen sich in Deutschland Steroide – so die Schätzung der Experten. Bei Volksläufen beispielsweise ist der Gebrauch von Schmerzmitteln verbreitet. Das ist bekannt, aber trotzdem will niemand etwas dagegen tun. Die Zuständigkeiten werden hin und hergeschoben.

Von Daniel Drepper | 04.01.2011
    10.000 Kaderathleten auf der einen, Millionen Freizeitsportler auf der anderen Seite. Wer tut etwas gegen den Arzneimittelmissbrauch der großen Masse? Die Krankenkassen könnten dank eines Paragraphen im Sozialgesetzbuch handeln. Dieser sieht eine Leistungsbeschränkung bei Selbstverschulden vor. Doch er wird so gut wie nie genutzt. Die Kassen sagen, das rüttele am Solidarprinzip. Schließlich würden auch Drogenabhängige behandelt. Zudem findet der Zoll nur einen Bruchteil der Mittel und die Einnahme ist gesetzlich nicht verboten.

    Umso wichtiger scheint die Prävention zu sein. Doch der Sport ist mit dem riesigen Heer der privaten Spritzer und Schlucker "komplett überfordert”, wie es ein betroffener Beamter formuliert. Die Nationale Anti Doping Agentur NADA hat lediglich die Aufgabe, Doping im Leistungssport zu bekämpfen. Sie verweist – genau wie das Bundesinnenministerium – an die Sportministerkonferenz der Länder. Diese schreibt, dass der Sport seinen Beitrag "nur im Kontext einer allgemeinen gesundheitlichen Strategie” leisten könne.

    Zuständig für eine allgemeine Gesundheits-Prävention wäre das Bundesgesundheitsministerium. Das verweist an die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen und das Robert-Koch-Institut. Die Suchtstelle fühlt sich nicht angesprochen, das Robert-Koch-Institut finanziert derzeit immerhin eine Studie zum Thema. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung will mit dem Thema ebensowenig zu tun haben wie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Man solle sich wiederum doch bitte an den Sport wenden.

    Michael Sauer, Präventionsexperte der Kölner Sporthochschule, kennt die politischen Spielchen der Szene seit Jahren:

    ""Damit hat man es auf politischer Ebene natürlich immer einfach: Jeder schiebt´s dem anderen in die Schuhe. Das heißt in dem Moment, in dem ich sage ´Doping in der Gesellschaft` sagt das Gesundheitministerium: Ja, Doping, das ist ne Sache, die gehört in den Spitzensport. Und wenn sie dann zum Spitzensport gehen, nämlich NADA, DOSB oder meinetwegen auch BMI, dann werden die natürlich sofort sagen: Ja klar, aber wir sind für die Leistungssportler zuständig. Das heißt unsere Kaderathleten, die halten wir sauber, da kümmern wir uns drum. Und alles was die Leute in ihrer Freizeit treiben, interessiert uns nicht. Da bitte schön geht zu unserer anderen Abteilung, nämlich das Bundesgesundheitsministerium. Und so geht das hin und her, das ist so eine Art Pingpongspiel und ich sehe es jetzt schon seit etlichen Jahren, eine Lösung scheint es da nicht zu geben. Man will nicht so richtig, man scheut sich oder man hat nicht die richtigen Instrumente da ranzukommen.”"

    Seit einem Jahr gibt es einen Nationalen Dopingpräventionsplan. Hier trifft sich die NADA mit Vertretern von etwa 30 verschiedenen Organisationen, darunter Mediziner und Sponsoren. Für 2011 stehen der NADA wie im Vorjahr 300.000 Euro des Innenministeriums für Prävention zur Verfügung. Doch das Geld fließt fast ausschließlich in den organisierten Sport.

    Welche Projekte in diesem Jahr gefördert werden, beschloss die NADA Anfang Dezember. Die Liste ist bislang auch auf Nachfrage nicht zu bekommen.