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Drei Standorte für Integration

Die Diskussion über eine staatlich unterstützte, akademische Ausbildung von Imamen und islamischen Religionslehrern hat in den Niederlanden bereits konkrete Formen angenommen: An drei Standorten hat die Regierung in Den Haag entsprechende Studiengänge subventioniert.

Von Kerstin Schweighöfer | 09.02.2010
    "Goede morgen!"

    Elf junge Männer, Marokkaner und Türken, sitzen an diesem Morgen im Seminarraum der Fachhochschule "InHolland" in Amstelveen bei Amsterdam.

    "...thema is omgaan met religieuse diversiteit...."

    Auf dem Stundenplan steht "Umgang mit religiöser Vielfalt". Dozentin Geertje de Vries zeigt Gemälde aus der Zeit der Glaubenskriege und des Bildersturms, als sich die protestantischen Niederländer vom katholischen Spanien lossagten: Zum Beispiel das Gemälde "Die Seelenfischer" von Adriaen van de Venne:

    "...de Zielenvisserij...."

    Links sind Protestanten in einem Boot zu sehen, rechts Katholiken. Beide versuchen, Seelen zu fischen, sprich: Menschen zu bekehren. Die Bekehrten stehen rechts und links am Ufer - wobei das protestantische Ufer viel voller ist als das katholische.

    "...ja precies..."

    Interessiert beginnen die Studenten das Bild zu analysieren: Die Bäume auf dem katholischen Ufer sind trocken und dürr, bei den Protestanten hingegen in voller Blüte. Dort hängen auch keine dunklen Wolken am Himmel! "Klarer Fall", sagt Geertje de Vries: "Was ihr hier seht, ist eine Art Karikaturenstreit, aber im 17. Jahrhundert!"

    "...in de 17de eeuw!"

    Das Seminar ist Teil des Bachelor-Studiengangs "Islamische Theologie", den die Fachhochschule seit 2006 anbietet. Ziel ist es, Imame auszubilden, die die niederländische Gesellschaft kennen und die niederländisch sprechen und auch predigen.

    Einerseits sollen sie junge Muslime an sich binden und verhindern, dass diese in die Fänge islamischer Extremisten geraten - so wie der Mörder des Islamkritikers Theo van Gogh. Denn diese dritte, in den Niederlanden geborene und aufgewachsene Immigrantengeneration spricht oft nicht mehr die Sprache ihrer Eltern und Großeltern. "Ihnen fehlt ein Ansprechpartner, eine Bezugsperson", erklärt die Leiterin der Fakultät "Theologie" Rimke van der Veer:

    "Darum brauchen wir Imame, die die Sprache der Jugend sprechen und die Gesellschaft kennen, in der diese aufgewachsen ist. Sie müssen den verloren gegangenen Kontakt wieder herstellen und dafür sorgen, dass sich diese Jugendlichen in der Moschee wieder zuhause fühlen."

    Die zweite wichtige Aufgabe: Die in den Niederlanden ausgebildeten Imame sollen als Brückenbauer fungieren zwischen der alteingesessenen Bevölkerung und den muslimischen Immigranten. Wichtig dabei sind Kontakte zu Pfarrern und Rabbis. Deshalb steht neben Gesellschaftslehre auch vergleichende Religionslehre auf dem Stundenplan. "Schon während unseres Studiums haben wir Kontakt zu christlichen und jüdischen Theologiestudenten", erzählt Mustafa Bulut. Der 21-Jährige will noch in diesem Sommer als Imam seinen Bachelorabschluss machen. Mustafa sieht sich vor allem als Vermittler:

    "Auf der einen Seite gibt es viele traditionelle Muslime, die nichts verändern und keinen Kontakt zur niederländischen Gesellschaft wollen, obwohl sie so nicht weiter kommen. Auf der anderen Seite gibt es viele Klischees und Vorurteile - der Islam, so heißt es, sei eine gewalttätige Religion. Es gibt viele Spannungen, die will ich abbauen, deshalb habe ich mich für dieses Studium entschieden."

    Um sicher zu gehen, dass die in den Niederlanden ausgebildeten Imame auch akzeptiert werden, hat die Fachhochschule bei der Ausarbeitung des Studiengangs mit den Dachorganisationen von fünf großen Moscheen zusammengearbeitet. "Nach sechs Monaten waren wir uns über den Inhalt der Ausbildung einig", erklärt Rasid Bal. Er war der Vermittler zwischen Fachhochschule und Moscheen:

    "Größtes Problem war es, der islamischen Tradition gerecht zu werden. Viele Moscheen fürchteten, das religiöse Fundament, die Inhalte des Koran, könnten zu kurz kommen. Ansonsten gab es keine unüberbrückbaren Hindernisse."

    Erstaunlicherweise. Immerhin setzen sich die Studenten auch mit Tabuthemen auseinander wie Abtreibung oder Homosexualität, die in den Niederlanden eine ganz besonders liberale Tradition kennen:

    "Natürlich ist das nicht leicht. Aber wir sind eine Fachhochschule und keine Missionarsstation. Wir haben auch keine Sofort-Lösungen in petto. Aber wir können dafür sorgen, dass Tabus gebrochen werden und über solche Dinge offen gesprochen wird. Übrigens ringt nicht nur der Islam mit Themen wie Abtreibung oder Homosexualität. Das tun andere Religionen
    auch!"