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Ecuador
Neue Steuern und weniger Lohn

Ecuadors Präsident Rafael Correa spaltet die Nation. Vor knapp fünf Jahren wäre der Sozialist beinahe gestürzt worden - er hatte mit seiner Politik tausende Polizisten gegen sich aufgebracht. Nun machen wieder viele Ecuadorianer gegen den Präsidenten mobil.

Von Oliver Neuroth | 27.06.2015
    Der ecuadorianische Präsident Rafael Correa während eines Interviews mit der spanischen Nachrichtenagentur EFE in Madrid am 25. April 2014.
    Seit Beginn seiner ersten Amtszeit 2007 hat Rafael Correa viele Projekte für die arme Bevölkerung umgesetzt - zum Beispiel ein kostenloses Bildungs- und Gesundheitssystem. (picture alliance / dpa / Chema Moya)
    Normalerweise sind es Riesenschildkröten, Leguane oder Pinguine, die die Galapagos-Inseln in die Medien bringen. Nun sorgen die gerade mal 35.000 Einwohner des Archipels für Schlagzeilen - und zwar mit lautem Protest.
    "Correa escucha! El pueble es en lucha!"
    "Correa, hör" zu, das Dorf kämpft gegen Dich!" Hunderte Menschen sind in den vergangenen Wochen unter diesem Motto auf die Straße gegangen - mit meterlangen Galapagos-Flaggen in grün-weiß-blau und Transparenten mit Sprüchen wie "Würde den Galapagos-Inseln" oder einfach "Gerechtigkeit".
    Es geht um ein neues Gesetz: Ecuadors Präsident Correa will den Inselbewohnern ans Portemonnaie. Im Moment verdienen Staatsbedienstete das Doppelte im Vergleich zu ihren Kollegen auf dem Festland, Beschäftigte in der Privatwirtschaft 75 Prozent mehr. Der Grund: Lebensmittel und sonstige Produkte sind teuer, sie müssen per Schiff oder Flugzeug angeliefert werden. Nun prüft die Regierung, wie kostspielig das Leben auf den Galapagos-Inseln wirklich ist und ob der Gehaltsaufschlag nicht auch kleiner ausfallen kann. Die Bewohner sagen ganz klar: nein!
    "Das neue Galapagos-Gesetz steckt voller Unwahrheiten und Lügen!"
    "Die Preise bei uns sind deutlich höher als auf dem Festland, auch höher als in Europa oder in den Vereinigen Staaten. Wir müssen damit zurechtkommen. Wenn nun wirklich die Gehälter gekürzt werden, wäre das ein sehr großes Problem für uns."
    sagt Sokrates, der mit Frau und Kind auf der Insel Santa Cruz lebt. Der 29-Jährige kämpft aber auch gegen einen anderen Punkt des Gesetzes: Die Regierung möchte es ausländischen Investoren erlauben, in den Tourismus auf den Galapagos-Inseln einzusteigen. Im Moment ist dieser Geschäftsbereich den Einheimischen vorbehalten.
    "Wer sein ganzes Leben auf den Inseln gelebt, gearbeitet und seine Familie ernährt hat, kann niemals mit einem großen Tourismus-Konzern von außerhalb konkurrieren. Wir kritisieren das - ebenso den Plan des Präsidenten, wonach künftig Teile des Nationalparks in Wohngebiete umgewandelt werden dürfen. Wir kämpfen für unsere Heimat und möchten hier in Ruhe leben. Die Galapagos-Inseln müssen auch in Zukunft so gut geschützt sein wie im Moment."
    Großdemo gegen den Präsidenten
    Auch auf dem ecuadorianischen Festland laufen Proteste: Am Donnerstag haben in der Millionenstadt Guayaquil rund 300.000 Menschen gegen die Regierung demonstriert. Ihre Kritik richtet sich vor allem gegen eine höhere Erbschaftssteuer. Sie soll von aktuell 2,7 Prozent auf bis zu 47,5 Prozent angehoben werden. Allerdings nur für große Erbschaften von mehreren zehntausend US-Dollar, wovon in Ecuador nach Regierungsangaben lediglich drei von 100.000 Menschen betroffen sind. Trotzdem: Für Manuel Samaniego, Stadtrat von Guayaquil, ist die Abgabe ungerecht - vor allem für Familien mit mehreren Kindern.
    "Das ist so, als hätte man im Erbfall noch ein weiteres Kind, das ausgezahlt wird, nämlich den Staat. Dieses Projekt wird wie eine Hypothek auf dem Leben und der Zukunft der Einwohner von Ecuador lasten."
    Aufgerufen zu der Großdemo gegen den Präsidenten hatte der Bürgermeister von Guayaquil. In der Stadt regieren die Konservativen - im Staat die Sozialisten. Und für sie gilt: Den Reichen nehmen, den Armen geben - das Prinzip der "Neuen Linken" in Lateinamerika. Neben Ecuadors Präsident Rafael Correa zählen dazu Evo Morales, der Staatschef von Bolivien, und der verstorbene Hugo Chávez in Venezuela.
    Präsident spaltet die Nation
    Correa formuliert sein Ziel so: Er wolle das Eigentum in Ecuador demokratisieren, Wohlstand für alle durchsetzen. Darum geht es auch stets in Correas wöchentlicher Fernsehsendung: Jeden Samstag berichtet der Präsident drei Stunden lang über seine Politik - vor einem Studiopublikum, das nur aus seinen Anhängern besteht und ihm zujubelt. In den vergangenen Ausgaben der Sendung ging Correa auch auf die Proteste gegen ihn ein.
    "Da ist eine Verschwörung im Gange. Wir sind doch gute Menschen - doch diese Gewalttätigen wollen uns überfallen. Sie sagen, sie seien in der Mehrheit. Klar, in ihrer Luxusgesellschaft! Das sind Putschisten. Die einzige Antwort darauf lautet: Die Demokratie muss gewinnen!"
    Seit Beginn seiner ersten Amtszeit 2007 hat Rafael Correa viele Projekte für die arme Bevölkerung umgesetzt - zum Beispiel ein kostenloses Bildungs- und Gesundheitssystem. Das rechnen ihm auch die Konservativen an. Ihrer Ansicht nach passen die Steuern und Abgaben, die der Präsident plant, aber nicht zum „Buen vivir", dem „guten Leben", das in der ecuadorianischen Verfassung festgeschrieben ist. Darüber müssen in den nächsten Wochen die Abgeordneten der Nationalversammlung entscheiden, in der die sozialistische Regierung eine deutliche Mehrheit hat. Manuel Samaniego, der Stadtrat von Guayaquil, schließt dennoch nicht aus, dass sich noch etwas ändert.
    "Wenn die Regierung ihre Gesetzesvorhaben korrigiert - und zwar so, dass die Bevölkerung profitiert, werden die Proteste aufhören. Aber hält sie an den absurden Ideen fest und an diesem eigensinnigen Präsidenten, gehen die Proteste weiter."