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Zukunftschancen der ecuadorianischen Jugend verbessern

In Ecuador entsteht derzeit eine neue Wissenschaftsstadt. In Yachay sollen eine Universität, ein Technologie- und Industriepark, staatliche Forschungseinrichtungen sowie ein ungewöhnliches Wohngebiet Studenten aus der ganzen Welt anlocken.

Von Peter B. Schumann | 24.08.2013
    Auf der Fahrt zum Kanton Urcuquí, drei Autostunden nördlich der Hauptstadt Quito gelegen. In großen Schleifen zieht sich die neue Autobahn durch die Hügellandschaft, vorbei an idyllischen Seen und durch Orte, die einen gewissen Wohlstand nicht verbergen. Wir biegen auf eine Landstraße ab und fahren endlos an Gewächshäusern entlang: Hier werden die Rosen gezüchtet, die auf deutschen Blumenmärkten so beliebt sind. Der Wagen quält sich einen Feldweg empor, und wir blicken über eine weite Hochebene, von Bergen, den Ausläufern der Anden, begrenzt. Hier, in Urcuquí, soll in den nächsten Jahren Yachay entstehen, die Stadt des Wissens: das ambitionierteste Bildungsprojekt des ecuadorianischen Präsidenten Rafael Correa.

    "Es ist Teil einer großen Staatsreform. Unsere Institute sollen eine höhere soziale und wirtschaftliche Effizienz erlangen, vor allem die 12 staatlichen Forschungseinrichtungen."

    - erklärt uns Héctor Rodríguez, der geschäftsführende Direktor, den wir vor der Fahrt zur Baustelle getroffen haben.

    "Diese Institute sind übers ganze Land verstreut, überhaupt nicht an den Produktionsbereich angebunden und verfügen auch nicht über die nötige Infrastruktur. Uns fehlen außerdem die Fachkräfte, die entscheidende Veränderungen bewirken können."

    So entstand vor drei Jahren die Idee eines neuen Zentrums für Forschung, Lehre und Produktion. Also etwas Ähnliches wie der Technologie- und Wirtschaftsstandort Berlin-Adlershof, allerdings nicht in der Dimension eines Stadtteils, sondern einer ganzen Stadt, rund zehn Mal so groß wie Adlershof. Im Zentrum steht die Hochschule. Héctor Rodríguez:

    "Um die Universität herum werden alle staatlichen Forschungseinrichtungen und Labors konzentriert. Daneben wird ein Technologiepark geschaffen, in dem einzelne Firmen innovative Produkte herstellen sollen. Hinzu kommt ein ungewöhnliches Wohngebiet, das nach den Kriterien des Naturschutzes in die Landschaft eingefügt werden soll. Außerdem wird ein Industriepark für internationale Unternehmen errichtet, die richtungsweisende Prototypen zur Marktreife entwickeln."
    Finanziert wird das Projekt zurzeit durch hohe Gewinne aus den Ölvorkommen, die nicht mehr in private Taschen, sondern in die Staatskasse fließen, seit Präsident Correa das Land regiert. Außerdem hat er das Regierungsbudget mithilfe einer gründlichen Steuerreform gefüllt, zu der vor allem die Unternehmen beitragen müssen.

    Arbeiten an der ersten Ausbaustufe der Stadt des Wissens. Eine ehemalige Zuckerfabrik und zwei Haziendas werden zurzeit zu den ersten Gebäuden der neuen Universität umgestaltet. In wenigen Monaten soll der Betrieb aufgenommen werden, zunächst mit 200 Studenten und 25 Professoren. In zehn Jahren sollen hier 10.000 junge Menschen aus der ganzen Welt lernen und forschen können - mit Hilfe von Wissenschaftlern aus dem In- und Ausland. Danilo Moreno, zuständig für die internationale Abteilung von Yachay:

    "Das Gebiet von Urcuquí, wo wir uns befinden, ist reich an kulturellem Erbe, das unbedingt erhalten werden muss. Deshalb wollen wir beim Aufbau des Universitäts-Campus den Stil der alten Haziendas bewahren. Das ehemalige Wohnhaus weiter oben wird das Rektorat werden. Und die Gebäude auf der linken Seite, wo früher die Zuckerarbeiter wohnten, werden zu Schlaf- und Wohnräumen für die ersten Professoren und Studenten hergerichtet. In der Maschinenhalle der alten Fabrik werden eine Cafeteria und eine virtuelle Bibliothek auf dem modernsten technologischen Standard installiert. Und die ehemaligen Pferdeställe werden zu den ersten Hörsälen."

    Bedenken gegen das ehrgeizige Yachay-Projekt hatte Héctor Rodríguez gleich am Anfang zerstreut und darauf verwiesen, dass es Teil einer großen Bildungsreform ist.

    "Das ecuadorianische Hochschulsystem erlebt gegenwärtig eine umfassende Evaluierung. Im letzten Jahr mussten wir 14 meist private Universitäten schließen, weil sie nicht den geringsten akademischen Anforderungen entsprachen und oft noch nicht einmal die nötige Infrastruktur besaßen. Aber auch die Hochschullehrer mussten sich einer Qualitätskontrolle unterziehen. Es hatte sich herausgestellt, dass viele von ihnen keine angemessene Ausbildung besaßen. Es wurden also die Strukturen genauso wie die menschlichen Fähigkeiten überprüft."

    Auf zehn Jahre ist der Bildungsplan Ecuadors angelegt. Bis dahin sollen die bisherigen Mängel des Systems beseitigt und die Zukunftschancen der jungen Generation verbessert werden. Die Europäische Union unterstützt das Vorhaben der Regierung mit insgesamt 137 Millionen Euro. Yachay, die Stadt des Wissens, soll das Paradebeispiel dieser Exzellenz-Initiative werden.