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Effizienter mit Energie umgehen

Auch der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderungen greift das Fukushima-Katastrophe auf. Die Hauptaussage im aktuellen Gutachten des Beratergremiums: Wir brauchen einen kompletten Wandel in der Energiepolitik und zwar weltweit.

Von Anja Nehls | 07.04.2011
    Obwohl das Gutachten ja schon vor zwei Jahren in Auftrag gegeben wurde, ist es im Angesicht der aktuellen Diskussion um die Zukunft der Atomenergie hochaktuell. Hauptaussage des Gutachtens ist: Wir brauchen einen kompletten Wandel in der Energiepolitik und zwar weltweit. Und das ist machbar sagt Prof. Dr. Hans Joachim Schellenhuber, das ist der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen:

    "Wir legen also konkret ein Szenario vor, in dem man bis zum Jahre 2050 den kompletten Übergang der Energiesysteme weltweit schaffen kann, ohne Nuklearenergie, ohne fossile in diesem Fall und dann werden nicht alle Lichte ausgehen, sondern wir werden einfach ein bisschen effizienter mit Energie umgehen müssen."

    Und dann kann es möglich sein, auch im Jahre 2030 neun Milliarden Menschen mit Energie zu versorgen - und zwar ohne den Wohlstand gerade der Industrienationen zu mindern. So etwas muss natürlich auch weltweit durchgesetzt werden. Aber das kann es auch, meinen die Wissenschaftler, weil die Menschen in aller Welt gerade durch die Ereignisse in Japan, aber auch durch den Klimawandel und die nicht mehr weg zu diskutierende Erderwärmung sensibilisiert sind. Das heißt, ein Wertewandel hat ein eingesetzt und der Boden ist sozusagen bereitet, um nun auch entscheidende Veränderungen in der Energiepolitik durchzusetzen. Das Argument, dass der Umstieg auf erneuerbare Energien nicht finanzierbar ist, zählt dabei für die Wissenschaftler nicht - denn allein die fossile Energie wird mit ca. 800 Milliarden US Dollar weltweit jährlich subventioniert, und auch die Folgekosten aller anderen Energieträger sind enorm. Das ganze Geld müsste also nur umverteilt werden, sagt Prof. Dirk Messner, der das Gutachten mit erarbeitet hat:

    "Wenn wir diese Summe nähmen und sie shifteten in Richtung der erneuerbaren Energien, dann würden wir damit einen enormen Investitionsimpuls auslösen können in Richtung erneuerbarer Energien- wir haben hier eine enorme Marktverzerrung und Preisverzerrung vor Augen. Wir wissen aber auch, dass die Kosten des Klimawandels bereits heute anfallen, und alle Daten, die uns vorliegen zeigen uns, dass sie im Jahre 2030 und folgende ebenfalls im dreistelligen Milliardenbereich angesiedelt sein werden. Wir wissen außerdem, dass unsere nukleare Energieversorgung, auf die wir lange gesetzt haben, nicht privatwirtschaftlich versicherbar ist und das heißt, sie ist marktwirtschaftlich eigentlich nicht tragfähig."

    Das bedeutet, das Gutachten des wissenschaftlichen Beirats kommt ganz klar zu dem Schluss: Die Umstellung auf erneuerbare Energien ist ökonomisch und ökologisch sinnvoll - und umsetzbar und zwar in allen Punkten, sagt Prof. Dirk Messner:
    "Wir kommen zu der Einschätzung, Potenzialanalyse, die technologischen Bedingungen sind da, um die Transformation umzusetzen. Wir können den Prozess weltweit finanzieren, das ist kein Element, das die Weltwirtschaft überfordert. Wir kennen die Instrumentenkästen und wir können die Pfade beschreiben, die institutionellen und rechtlichen Veränderungen, die wir brauchen beschreiben, damit die Transformation gelingt Und wir haben einen Wertewandel, in Deutschland, in Europa aber auch weltweit, der diesen Prozess unterstützt und der es Politikern erlaubt, mutiger zu sein, als das in der Vergangenheit der Fall war."

    Ganz konkret steht in dem Gutachten ein Bündel von zehn Maßnahmen, die die Wissenschaftler der Bundesregierung nun vorschlagen: zum Beispiel die Verabschiedung eines Klimaschutzgesetzes, die Einrichtung einer Zukunftskammer, die neue Gesetze auf Zukunftsfähigkeit überprüfen soll, die Erzeugung des Treibhausgases CO2 sollte weltweit mit einem angemessenen Preis belegt werden, Einspeisevergütungen für erneuerbare Energien sollten global eingeführt werden, eine Förderung der Partnerschaft von Europa und Nordafrika bei der Gewinnung von Sonnenenergie muss gefördert werden, genauso wie klimaverträgliche Landnutzung und der Zugang zu erneuerbaren Energien gefördert durch die Entwicklungspolitik für Menschen in armen Ländern. Ob und wie der gesamte Maßnahmenkatalog umgesetzt werden kann, ist wie immer nicht klar. Die Wissenschaftler mahnen aber zur Eile und fordern konsequentes Handeln der Bundesregierung. Die G20 sollten einen entsprechenden Fahrplan erarbeiten, und die Rio plus 20 Konferenz im Jahr 2012 bietet die einmalige Gelegenheit, um weltweit die Weichen Richtung Klimaverträglichkeit zustellen - sagen die Wissenschaftler.

    Mehr Informationen:

    Sammelportal "Zukunft der Energie" auf dradio.de