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Ein Jahr als FIFA-Chef
Will Infantino unabhängige Kontrolleure loswerden?

Zum Amtsantritt vor einem Jahr versprach Gianni Infantino Reformen und Transparenz. Doch die Arbeitsbilanz des Fifa-Präsidenten gleicht einer Skandalchronik. Nun gesellt sich ein machtpolitisches Planspiel dazu, das den Fußball-Weltverband existentiell gefährden kann.

Von Thomas Kistner | 23.02.2017
    FIFA-Präsident Gianni Infantino
    Ein Jahr nach Amtsantritt will der FIFA-Chef anscheinend erhebliche Veränderungen vornehmen. (picture alliance / Patrick Seeger/dpa)
    Die Hinweise verdichten sich, dass Infantinos FIFA ihre unabhängigen Kontrolleure loswerden will. Beim Kongress im Mai in Bahrein, befürchten eingeweihte Quellen in Zürich, könnten die Kammerchefs des Ethikkomitees, der Schweizer Cornel Borbely und Hans-Joachim Eckert aus München, auf die Abschussliste geraten.
    Zudem ist die US-Anwaltskanzlei Quinn Emanuel im Fadenkreuz der "Infantino-Regierung". Sie durchpflügt den FIFA-Sumpf unter Aufsicht der US-Justiz und hat dafür Beträge in wohl schon dreistelliger Millionenhöhe kassiert.

    Vom "Opfer" zum "Täter"
    Strafrechtsexperten warnen die FIFA gegen diese Instanzen vorzugehen. Auf dem Spiel stünde der Opferstatuts, den der Weltverband bisher in den US-Ermittlungen genießt. Dieser Status unter dem Anti-Mafia-Gesetz "Rico" kann sich jederzeit in den Täterstatus kehren.
    Viel hängt vom Verhalten der FIFA-Spitze ab, und ob sie glaubwürdige Reform- und Aufräumprozesse fördert. Doch Glaubwürdigkeit vermitteln nach einem Jahr Infantino nur die unabhängigen Instanzen, deren Demontage jetzt debattiert wird. Der FIFA blüht derweil eine Untersuchung des Europarates; in Straßburg heißt es, ein Reformwille sei nirgendwo zu sehen.

    Die FIFA unter Mafiaverdacht?
    Der Verlust des Opferstatus würde den K.o. für die FIFA bedeuten. Wegen enormer Strafzahlungen, die am Ende dieses Prozesses stünden, aber auch, weil Firmen wie Coca-Cola oder Adidas nicht länger Werbegeschäfte mit einer Organisation pflegen könnten, die unter Mafiaverdacht steht. Unruhe würde sich aber auch bei den Banken breitmachen, falls die FIFA durch den Rauswurf ausgewiesener Aufklärer ihren Opferstatus aufs Spiel setzt.
    Infantino dürfte das Risiko kennen. Doch er verliert gerade überall sportpolitischen Rückhalt. Der Asien-Verband opponiert offen, auch in Europa wächst der Widerstand - wegen der Aufblähung des WM-Turniers auf 48 Teams. Und in Afrika wird Kontinentalchef Issa Hayatou gerade von einem Parteigänger Infantinos attackiert. Gewinnt Hayatou die Wahl im März gegen den Herausforderer aus Madagaskar, hat Infantino auch Afrikas Votum verloren. Und könnte dem allgemeinen Drängen erliegen, die unabhängigen Kontrolleure auszuschalten.