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"Eine sehr offene Partnerschaft"

Anlässlich des USA-Besuchs von Bundeskanzlerin Angelika Merkel hat der amtierende US-Botschafter, John Koenig, die Beziehungen zwischen Washington und Berlin als sehr gut bezeichnet. Medienberichten über ein gespanntes Verhältnis beider Länder trat er damit entgegen.

John Koenig im Gespräch mit Bettina Klein | 25.06.2009
    Bettina Klein: Dreimal binnen eines Jahres war Barack Obama in Deutschland und zweimal davon als Präsident; heute fliegt die Kanzlerin zu ihrem Antrittsbesuch in der Ära Obama nach Washington. John Koenig begrüße ich jetzt am Telefon. Er ist - offiziell gesagt - Gesandter der Botschaft und Geschäftsträger ad interim in Deutschland. Das heißt umgangssprachlich ausgedrückt, er ist amtierender Botschafter der USA in Deutschland. Guten Morgen, Herr Koenig.

    John Koenig: Guten Morgen, Frau Klein!

    Klein: Lassen Sie uns einen Augenblick auf das Verhältnis dieser beiden Politiker schauen. Obamas Umfeld beschreibt immer wieder, so richtig warm werden Präsident und Kanzlerin nicht miteinander. Woran liegt es?

    Koenig: Ich würde nicht sagen, dass das Umfeld des Präsidenten das immer wieder sagt. Ich meine, der Präsident selbst und auch seine Mitarbeiter haben völlig klar gesagt, dass die Verhältnisse sehr, sehr gut sind; und das hat der Präsident wie die Kanzlerin auch in Dresden gesagt.

    Dieses Thema ist mehr oder weniger ein Thema der Medien und es ist eigentlich eine Erfindung der Medien, die irgendwie in diesen Verhältnissen ein Problem finden möchten.

    Klein: Die Frage ist: Es gab ja doch eine Reihe von Meinungsverschiedenheiten zwischen beiden Staaten, die von der Kanzlerin, auch anderen deutschen Politikern deutlich angesprochen wurden - Stichwort Lösung der Finanzkrise: Kritik Merkels zum Beispiel am Geldausgeben. Über Staatsdefizite müsse man sich keine Gedanken machen, hieß es dann wiederum aus den USA. Hat es nicht zu einem gewissen Unmut in Washington geführt - diese klaren Worte?

    Koenig: Unmut nicht! Ich würde sagen, natürlich gibt es verschiedene Meinungen auf beiden Seiten. Es ist nicht immer nötig, dass beide Seiten völlig einig in jeder Hinsicht sind. Ich meine aber, dass wir eine sehr, sehr offene Partnerschaft mit Deutschland haben. Wir reden sehr oft und offen über unsere gemeinsamen Ziele, und wenn wir verschiedene Herangehensweisen haben, dann reden wir auch darüber.

    Und das ist auch zwischen dem Präsidenten und der Bundeskanzlerin geschehen. Ich meine, sie haben eine offene, sehr, sehr gute Beziehung miteinander und sie reden sehr oft und haben ja auch, wie die Kanzlerin gesagt hat, Spaß an diesen sehr, sehr tiefgehenden Diskussionen.

    Klein: Dann lassen Sie uns mal auf einige inhaltliche Punkte blicken. Ich habe es schon angesprochen: Es gibt durchaus sehr unterschiedliche Vorstellungen zwischen beiden Staaten, was zur Lösung und zur Abwendung der Wirtschafts- und Finanzkrise zu tun ist. Können diese Unterschiede bestehen bleiben oder gilt es, sie zu überwinden?

    Koenig: Wie Sie wissen: Die Wirtschaftslage in den G-20-Ländern ist nicht in jeder Hinsicht die gleiche und deswegen gibt es in verschiedenen Punkten vielleicht Unterschiede. Aber die Kompromisse, die schon geschlossen wurden, in Washington im ersten Fall und danach in London, sind ernst und sehr, sehr wichtig.

    Ich meine, wir haben eine gemeinsame Herangehensweise unter den G-20-Ländern, die wir durchsetzen, und wir können auch über weitere Schritte reden. Es wird noch andere Tagungen der G-20 geben. Es gibt auch die Gelegenheit in L'Aquila unter den G-8-Ländern weiter darüber zu sprechen. Ich meine, diese Unterschiede sind nicht so wichtig wie die gemeinsamen Punkte.

    Klein: Von welchen Punkten sprechen Sie denn, wo man Annäherung erreicht hat?

    Koenig: Ja, natürlich. In London gab es Einigkeit über eine Mischung aus Konjunkturprogrammen und weiteren Maßnahmen für die Regulierung der internationalen Finanzmärkte und das sind die zwei Ziele, die wir gemeinsam verfolgen, und ich meine, das werden wir auch durchsetzen.

    Klein: Aber insgesamt würden Sie schon sagen, es gibt unterschiedliche Auslegungen insofern, als eben doch ziemlich starke Kritik von der Bundesregierung kam daran, dass in den USA das Staatsdefizit sehr hoch ist, eine Geldpolitik der Fed zum Beispiel. Da verfolgt die Bundesregierung, verfolgen europäische Länder ja andere Strategien.

    Koenig: Es gibt Unterschiede unter den europäischen Ländern und es gibt auch andere Unterschiede in der Herangehensweise und in der Finanzpolitik in den verschiedenen Ländern der G-20 und auch überall auf der Welt. Wir müssen darüber reden, aber eine offene Beziehung und eine sehr, sehr starke Beziehung, die wir mit Deutschland haben, das ist eine gute Voraussetzung für solche Diskussionen.

    Klein: Stichwort Klimaschutz. Umweltminister Gabriel hat gesagt, Obama ist ganz bestimmt ein schwarzer Präsident, ob er auch ein grüner Präsident sei, das müsse er noch beweisen. Die deutsche Seite baut darauf und hofft darauf, dass Washington ernst macht mit dem Klimaschutz. Was ist an Bewegung zu erwarten?

    Koenig: Wir arbeiten sehr hart daran, dass wir in der Lage sind, im Dezember so weit wie möglich ein Abkommen, um das Kyoto-Protokoll zu ersetzen, erzielen können. Ich glaube, die Fortschritte in den Vereinigten Staaten sind sehr, sehr wichtig.

    Es gibt einen Gesetzentwurf im Kongress jetzt, der zum ersten Mal einen Kohlendioxid-Markt, ein "Cap-and-trade-System", in den Vereinigten Staaten einführen würde. Wir hoffen, dass wir bis Ende Sommer weitere Fortschritte in dieser Richtung machen, und dann ist es leichter, über mittelfristige Ziele und so weiter zu reden. Aber wir sind völlig einig, dass bis 2050 wir unsere Kohlendioxid-Emissionen um 80 Prozent reduzieren müssen, wie es Deutschland und die anderen europäischen Länder auch möchten.

    Klein: Eine Zahl, die immer wieder genannt wird, ist die Reduktion der Emissionen bis 2020 um 40 Prozent, und da gab es bisher ein ganz klares Nein aus Washington.

    Koenig: Um 40 Prozent bis 2020 wird das kein Land erzielen. Das ist so nicht irgendwie ein realistisches Ziel, wenigstens für die Vereinigten Staaten nicht - und ich meine, dass Europa das auch nicht erzielen kann.

    Klein: Das heißt, da wird es keine Bewegung aufseiten der Amerikaner geben?

    Koenig: Nein, nein. Ich meine, wir müssen realistisch sein, wir müssen realistisch und gemeinsam handeln, wir müssen auch die wichtigen Schwellenländer in eine gemeinsame Herangehensweise bringen und das heißt, wir müssen weiter miteinander arbeiten und nicht uns gegenseitig kritisieren.

    Klein: Aber die USA machen es ja schon sehr stark davon abhängig, ob die Schwellenländer, sprich China, sich an der Stelle auch bewegen. An dieser Bedingung wird sich auch nichts ändern?

    Koenig: Es ist sehr wichtig. Ich meine, es gibt keine Lösung ohne die Schwellenländer. China ist zurzeit und seit einigen Monaten wenigstens der größte Ausstoßer von Kohlendioxid und Treibhausgasen. Wir können nicht das ignorieren und weitermachen, sondern wir müssen alle gemeinsam handeln, um China und die anderen Schwellenländer mit uns auf diesen Weg zu bringen.

    Klein: Herr Koenig, lassen Sie uns noch auf außenpolitische Fragen schauen. Erwarten die USA weiterhin ein stärkeres Engagement Deutschlands in Afghanistan?

    Koenig: Am Anfang möchte ich sagen, dass ich den Angehörigen der drei Bundeswehrsoldaten, die vor zwei Tagen in der Nähe von Kundus gefallen sind, mein Beileid ausspreche.

    Das deutsche Engagement in Afghanistan ist, wie Sie wissen, schon sehr stark und die Aufstockung der Truppen im Vorfeld der afghanischen Wahlen im August ist für uns ein wichtiges Beispiel dafür. Aber nach einer grundlegenden Überprüfung unserer Afghanistan-Strategie in den Vereinigten Staaten und ausführlichen Konsultationen mit Deutschland wie auch anderen Partnern sind wir alle völlig einig, was unsere strategischen Ziele anbelangt. Das bedeutet, wir sind in Afghanistan, um unsere Länder und Leute gegen klare terroristische Bedrohungen zu schützen.

    Deswegen müssen wir in Afghanistan wie auch in Pakistan alle dementsprechend handeln und unsere Beiträge im zivilen wie im Sicherheitsbereich stärken. Das gilt für Washington, das gilt für die USA, das gilt auch für Deutschland.

    Klein: Das heißt, es wird noch mal eine konkrete Forderung kommen?

    Koenig: Konkrete Forderungen von unserer Seite, das ist irgendwie nicht die Lage. Wir arbeiten dort zusammen, wir sind gemeinsam in einer sehr, sehr schwierigen Lage dort und wir müssen gemeinsam handeln. Das heißt, wir müssen irgendwie alles das machen, was die Lage dort in Afghanistan und Pakistan verlangt.

    Klein: Ja, aber was verlangt sie denn? Wird das jetzt ein Thema sein bei den Gesprächen zwischen dem US-Präsidenten und der Kanzlerin noch mal, oder wird das Ergebnis sein: Was ihr dort leistet, ihr, die Deutschen, das ist eigentlich im Augenblick und vorläufig auch genug?

    Koenig: So sollten wir das hier nicht formulieren. Ich meine, es wird bestimmt eine Diskussion über Afghanistan geben, aber das heißt nicht, wir schätzen ihren Beitrag irgendwie so und so weiter. Das ist es nicht! Ich meine, wir müssen gemeinsam handeln. Das heißt, wir müssen über die Lage sprechen, was wir eigentlich noch machen müssen, und irgendwie darüber sprechen, wie wir gemeinsam unsere Ziele dort erreichen. Das ist wichtiger. Das ist nicht so eine Mission, die von den Vereinigten Staaten geführt wird und wo die anderen Länder dann nur Beiträge leisten; es ist ein gemeinsames Handeln dort und wir müssen alle das leisten, was vonnöten ist.

    Klein: Und das wird ein Thema bei den Gesprächen heute und morgen sein?

    Koenig: Bestimmt.

    Klein: John Koenig war das. Er ist amtierender Botschafter der USA in Deutschland. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Koenig.

    Koenig: Ich danke Ihnen!