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Eine Tradition liegt danieder

Sixdays- die Sechs-Tage-Rennen im Radsport haben in Deutschland eine lange Tradition. Doch in diesem Jahr gibt es nur noch zwei Veranstaltungen in Berlin und Bremen. Der Grund: In der Vergangenheit liefen Sechs-Tage-Rennen häufig defizitär und Hallenbetreiber sind skeptisch gegenüber diesen Großveranstaltungen geworden.

Von Thomas Wheeler | 19.01.2013
    Die Bundeshauptstadt und die Hansestadt sind die letzten Bastionen dieser Mischung aus Unterhaltung und Bahnradsport. Woanders zieht diese Veranstaltung hierzulande schon lange nicht mehr. Die Hoffnung auf eine Renaissance der Sixdays in Dortmund, Stuttgart oder München zerschlug sich immer wieder. Die zuletzt gehandelten Kandidaten Hannover oder Leipzig überlegten es sich kurzfristig anders. So schaut alles auf Berlin, wo der Organisationschef auch in diesem Jahr dank einer vernünftigen wirtschaftlichen Kalkulation sogar wieder mit einer ausverkauften Halle rechnet.
    "Wir sind der Fels in der Brandung, aber der Hintergrund ist, die Traditionsveranstaltung Berliner Sechstagerennen hat ja hier in Europa 1909 das erste Mal stattgefunden, und man ist ja so einer Traditionsveranstaltung besonders gegenüber in die Pflicht genommen."
    Organisationschef Heinz Seesing weiß wovon er spricht. Schließlich war er es, der die Rundenjagd 1997 in der Hauptstadt nach einer längeren Pause wieder in Gang brachte am damals neuen Standort Velodrom. Berlin und Bremen sind inzwischen die einzigen Sixdays, die in Deutschland überlebt haben. Seesing, der vorher auch für das Rennen in der Hansestadt verantwortlich war, hat für diese Entwicklung folgende Erklärung.
    "In den Köpfen der Hallenbosse da ist die Krise zu suchen. Die haben gefälligst an ihren kommunalpolitischen Auftrag mehr zu denken und den relevanten Zielgruppen gegenüber auch Lebensqualität zu schaffen. Wenn man diesen Grundsatz im Auge behält, und sich weiterhin dafür einsetzt, ich denke dann werden wir demnächst noch mehr Sechstagerennen erleben dürfen."
    Dafür müssen sich die Hallenbetreiber in den früheren Sechstage-Hochburgen Dortmund, Stuttgart und München allerdings von dem Irrglauben verabschieden, dass mit dieser Sportveranstaltung das große Geld zu verdienen ist. Immer öfter endeten Sixdays zuletzt mit einem Defizit. So wird es in dieser Saison nur noch acht Veranstaltungen in Europa geben. Vor einem Jahr waren es immerhin noch elf. Wobei Berlin speziell ist: Zwar gibt es auch dort eine Mischung aus Showeinlagen und Bahnradsport - viele Zuschauer kommen aber vor allem wegen der sportlichen Leistungen.
    "In dieser Erkenntnis bin ich doch sehr überrascht gewesen, als ich `97 hier die erste Veranstaltung kreierte, in dem Maße habe ich das nicht vorher gewusst, und es war ein schönes Erlebnis, mit welcher Begeisterung das Publikum sich diesem Sport zugewandt hat."
    Dazu kommt das besondere Flair des Velodroms, das ursprünglich für die gescheiterte Olympiabewerbung Berlins im Jahr 2000 gebaut wurde.
    "Hier spielt auch die Halle eine große Rolle. Dieses architektonische Gesamtbild. Einmal, das man rundherum das Rennen miterleben kann, in den Rängen und auch auf den Foyers, und das wirkt wechselseitig. Einmal auf die Fahrer und dann natürlich wieder von den Fahrern auf das Publikum."
    Ein volles Haus an allen sechs Tagen, das sind 12.000 Besucher pro Tag, das wünscht sich Seesing jedes Jahr. Damit diese Rechnung aufgeht, bekommen die Sponsoren rund 60 Prozent der Eintrittskarten. Der Organisationschef legt Wert darauf, dass er seinen Drei-Millionen-Etat ohne nennenswerte Zuschüsse des Berliner Senats stemmt. Dieser finanziert lediglich die Nachwuchsförderung in den sog. Zukunftsrennen.
    "Der Senat beteiligt sich mit einem kleinen Betrag, fast zehn Prozent. Das ist aber der Leistungsbereich, der über den Berliner Radsportverband eingebracht wird. Wir erhalten keine Subventionierung. Das war auch ein Anspruch von an Beginn, als ich anfing. Ich hab`gesagt: Entweder schaffen wir´s oder wir schaffen`s nicht."
    Und wie sie es geschafft haben. Gerade erst hat der 75jährige Heinz Seesing mit dem Hallenbetreiber den Vertrag für die nächsten fünf Jahre bis 2018 unterschrieben. So lange wird es beim älteste Sechstagerennen Europas also auf jeden Fall weitergehen. Runde für Runde im Berliner Velodrom.