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Eine weitgehende Erfolgsgeschichte

Helmut Kohl: "Natürlich, meine Kolleginnen und Kollegen, kann heute niemand sagen, wie spätere Generationen einmal über uns urteilen werden. Und ich persönlich bin davon überzeugt, dass jeder Einzelne von uns danach beurteilt werden wird, ob er in dieser entscheidenden Stunde kleinmütig versagt hat oder handlungsfähig war. Wer jetzt behauptet, meine Damen und Herren, man hätte sich doch mehr Zeit lassen können, der verkennt die Realitäten in Deutschland. Und er verdrängt die Erfahrungen der letzten Monate. Es sind die Menschen in der DDR, die das Tempo der Entwicklung bestimmt haben und im Übrigen weiter bestimmen werden."

Sven Rex | 30.06.2000
    Helmut Kohl: "Natürlich, meine Kolleginnen und Kollegen, kann heute niemand sagen, wie spätere Generationen einmal über uns urteilen werden. Und ich persönlich bin davon überzeugt, dass jeder Einzelne von uns danach beurteilt werden wird, ob er in dieser entscheidenden Stunde kleinmütig versagt hat oder handlungsfähig war. Wer jetzt behauptet, meine Damen und Herren, man hätte sich doch mehr Zeit lassen können, der verkennt die Realitäten in Deutschland. Und er verdrängt die Erfahrungen der letzten Monate. Es sind die Menschen in der DDR, die das Tempo der Entwicklung bestimmt haben und im Übrigen weiter bestimmen werden."

    Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl traf in seiner Ansprache zur Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion heute vor nunmehr zehn Jahren die Stimmungslage der ost-deutschen Bevölkerung. "Kommt die D-Mark bleiben wir, kommt sie nicht, gehn wir zu ihr", hieß es auf den Trans-parenten der Montagsdemonstrationen.

    Tatsächlich verließen Anfang 1990 mehr als 300 000 Menschen die DDR und kamen in die Bundesrepublik. Die damalige CDU/FDP-Regierung in Bonn hoffte, durch die schnelle Einführung der D-Mark in den neuen Ländern, diese Übersiedlungsströme zu stoppen. Nicht zuletzt die politische Ungewissheit in der Endphase der Gorbatschow-Ära in Moskau veranlasste die Kohl-Regierung zu schnellem Handeln.

    Vorbehalte gab es allerdings bei manchen Politikern, Vertretern der Bundesbank und DDR-Bürgerrechtlern. Konrad Weiß, Publizist und Mitbegründer der Bürgerbewegung "Demokratie Jetzt", später für Bündnis 90/Die Grünen als Abgeordneter im Bundestag, erinnert sich:

    Konrad Weiß: Ich glaube, da ist das Entscheidende eine sehr große Skepsis gewesen. Denn, es war mir schon klar, dass, im Grunde genommen, diese Währungsunion verfrüht kommt, dass das der erste Schritt vorm zweiten ist, dass eine Gesundung der DDR-Wirtschaft sinnvoller gewesen wäre und dass es wahrscheinlich gravierende Folgen würde haben, wenn man die Währungsunion so schnell oder vorschnell durchführt.

    Der Skepsis stand jedoch die hohe Erwartungshaltung der DDR-Bürger entgegen. In den Geschäften konnten sie nach dem Mauerfall "Westwaren" kaufen, allerdings zu einem überhöhten Preis, der in DDR-Mark bezahlt werden musste. Deshalb konnte es niemanden wundern, dass die überwiegende Mehrheit der Ostdeutschen darauf drängte, die unbeliebten "Aluchips" loszuwerden, umzutauschen in die "blauen Kacheln", wie die West-Hunderter damals im Osten genannt wurden.

    Doch zunächst wurde in endlosen Debatten zwischen Politikern, Finanz- und Währungsexperten darüber diskutiert, welches Umtauschverhältnis zur D-Mark das richtige sei. Die Bundesbank schlug 2:1 vor. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung sprach von einem Umtauschsatz von 4 DDR-Mark zu 1 D-Mark. Der Schwarzmarktkurs lag bei 10:1. Eine Straßenumfrage in Leipzig zeigte die Ungewissheit der DDR-Bürger vor nunmehr zehn Jahren:

    Straßenumfrage in Leipzig: (1) Man ist in gewisser Weise beunruhigt, wie der Umtauschsatz sein wird, was mit den Sparguthaben sein wird, was mit den Renten sein wird. (2) Für die Kleenen, die Älteren, wat se jetzt uf da Kasse haben könnte man ja 1:1 umtauschen. (3) Wenn ich 1000 Mark West habe oder 1000 Mark Ost - gebessert hat sich erst mal gar nichts. (4) Die ganze Unsicherheit, man weiß nicht genau, was passiert. (5) Ich bin auch der Meinung, dass wenn sich die Wirtschaft gebessert hat die Währung angepasst werden muss, also 1:1.

    Letztlich entschied sich die Bundesregierung zu einem Umtauschsatz von ungefähr 1,83 DDR-Mark zu 1 DM-West. Löhne, Gehälter, Mieten und Renten wurden im Verhältnis 1:1 umgetauscht, Sparguthaben und Girokonten im Verhältnis 2:1. Dieter Vesper vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung hält die damals festgelegten Umtausch-Sätze auch aus heutiger Sicht für zu niedrig:

    Dieter Vesper (DIW): Man orientierte sich natürlich schon an der geschätzten Produktivität in Ostdeutschland und auch an dem vorhandenen Produktivvermögen. Das war natürlich sehr schwierig, weil diese Wirtschaft bis dahin nicht unter Marktbedingungen gearbeitet hatte und damit auch alle Werte nicht unter Marktbedingungen zu Stande gekommen waren. Das war die grundsätzliche Schwierigkeit, so dass man sich letztlich an Hand des geschätzten Vermögens darüber ein Bild gemacht hat. Aber im Zweifel sind die Umtauschsätze zu günstig festgelegt worden.

    Auch Mathias Schubert, seit 1994 SPD-bundestagsabgeordneter aus Brandenburg und Sprecher seiner Fraktion für die neuen Länder, sieht den damaligen Umtauschwert keineswegs als ökonomisch errechnete Größe:

    Mathias Schubert (SPD): Der Umtauschkurs war ein politischer Umtauschkurs. Und zwar musste auch das Bestreben sein, die Geldentwertung durch den Umtausch und damit die Vermögensentwertung, die Geldentwertung der Ostdeutschen nicht ins Extrem zu treiben. Und das war sozusagen diese sybellinische Formel, wobei man da natürlich gedacht hat, der Markt, der sich jetzt uns entschließt, ist so groß, dass wir vor allem im Westen unsere Produktivität so erhöhen können, um den zu bedienen, dass er die inflationären Potentiale, die in diesem relativ geringen Umtauschkurs drinstecken, abmildern kann, was ja dann auch so eingetreten ist. Und um so´n Markt zu bedienen, brauchen sie Leute die Geld haben, um was kaufen zu können, wobei der Nachholbedarf ja riesengroß gewesen ist, und auch das spielte dabei ne wichtige Rolle.

    Mit der Einigung auf einen Umtauschkurs waren die Voraussetzungen für die größte Geld-Operation in der Geschichte Deutschlands geschaffen worden.

    Es begann mit 1000 Tonnen neuem Geld, 600 Tonnen Papier und 400 Tonnen Münzgeld im Gesamtwert von rund 25 Milliarden Mark. Die Bundesbank musste dieses Geld auf 6500 im Osten bereits existierende Geldinstitute und auf etwa 300 neu eingerichtete Filialen westdeutscher Geldhäuser verteilen. Innerhalb weniger Tage wurden 30 Millionen neue Konten eingerichtet und 50 Milliarden Mark der DDR umgewertet.

    Angesichts dieser Größenordnung und der Erinnerung der älteren Menschen an die Schwierigkeiten bei der Währungsumstellung nach dem Zweiten Weltkrieg hatten viele DDR-Bürger schlaflose Nächte. Der Kabarettist Peter Ensikat hoffte dagegen auf ein romantisches Erlebnis in der Nacht zum 1. Juli 1990:

    Peter Ensikat: Die kommende Nacht wird für uns alle eine echte Hochzeitsnacht. Auch wenn viele den Höhepunkt vielleicht verschlafen werden. Danach ist es dann aber wie nach jeder Heirat: Die Mark ist nur noch Fünfzig Pfennige wert. Der Rest ist dankbares Schweigen. Denn was immer wir sagen: Es könnte gegen uns sprechen und dann sagt der gute Onkel Kohl plötzlich: Kehrt und wendet sich ab: Und dann lässt er uns sitzen auf dem, was wir schon weggeworfen haben. Dann muss Herr de Maizière hier wirklich regieren. Und kein Minister darf sich seine Entscheidung mehr in Bonn abholen. Frau Bergmann-Pohl muss ihre schönen neuen Kleider ausziehen und in die alten Ex-Klamotten schlüpfen. Und dann kann uns Herr Diestel mal zeigen, wie man Demokratie ohne D-Mark durchsetzt: Nein, nein! Keine Experimente! Wir schlafen glücklich lächelnd in die freie Marktwirtschaft hinüber und sind ein dankbar Volk, das nicht mehr länger tümelt, sondern endlich wieder (v)olgt.

    Viele DDR-Bürger konnten es nicht erwarten, die starke Westmark in den Taschen zu haben. Bereits am Samstag, in der Nacht zum 1. Juli, bildeten sich lange Schlangen vor den Filialen der verschiedenen Banken. Ab 0 Uhr waren die Schalter geöffnet; die Kunden konnten ihre in den Tagen zuvor beantragten Auszahlungsquittungen in D-Mark verwandeln. Auch Mathias Schubert, zu dieser Zeit Landrat im Kreis Fürstenwalde, wartete geduldig vor einem Bankschalter auf sein erstes Westgeld:

    Mathias Schubert: Das war ja Sonntag, nach der Kirche sind wir dann zur Post gegangen, standen dort in der langen Schlange, wir harrten dann bis die öffneten. Da kam so ein Geldtransporter vorgefahren, das war ganz neu für uns. In der DDR gab es ja keine Geldtransporter. Es hatte ja auch keinen Sinn Geld zu klauen oder eine Bank zu knacken: denn was wollten sie mit dem Zeug anfangen? Den Ofen heizen? Da gab es ja nun das Neue Deutschland für. Und dann ging’s zu dem großen Akt. Jedenfalls hatten wir dann alle unsere Umtauschsumme in der Hand. Und da sind wir dann abends nach Berlin gefahren, auf den Kudamm haben wir uns dann gesetzt, ein Bier oder einen Sekt getrunken. Es war schon schön, mit dem richtigen Geld auf den Ku-damm zu gehen. Das war schon ein toller Abend, also für mich war er bedeutungsvoll.

    Die Volksfeststimmung, die am 1. Juli 1990 zu spüren war, verflog rasch. Denn nicht wenige Einzelhandelsunternehmen nutzten die Währungsumstellung und verkauften ihre Waren zu überhöhten Preisen. Das Kartellamt ging zahlreichen Vergehen von unlauterem Wettbewerb nach - zum Beispiel Ausnutzung der Monopolstellung. Eine Umfrage in einer Einkaufsstraße in Rostock kurz nach der Währungsumstellung:

    Umfrage (Rostock): (1)Wir wolln mal sehn wejen Fernseher. Wolln mal sehen wie die Preise so sind. Allerhand da nich? Und früher waren die Fernseher bei uns ja sehr teuer, waren ja so bei 6000 bis 6500 Mark und wenn man jetzt einen für 1000 kriegt, das ist ja ein Unterschied. (2) Ich wollte mal schöne Grüße an Karstadt senden. Ich denke, dass hier die ältesten "Plünnen" zu wunderbaren Preisen hier im Zentrum hängen. Ich hab mich nämlich in Bremen umgesehen, was es normalerweise bei Karstadt gibt. Und das hier ist der letzte Husten, an Mode jedenfalls, alle Abteilungen habe ich nicht gesehen. Vieles ist dort gesenkt, was sie hier noch zum vollen Preis verkaufen. Abgesehen davon, dass ich es sowieso ne Sauerei finde, wir verdienen 1/3 von den Bundesbürgern und so ziemlich die teuerste Kauf-Halskette siedelt sich hier an. Ich frag mich auch, also wenn ich einkaufen gehe, ich hab mir das jetzt angeguckt, dann fahr ich doch weiterhin nach Drüben.

    Wirtschaftsexperten befürchteten einen Kaufrausch der DDR-Bürger und eine damit verbundene inflationäre Entwicklung. Anderer Ansicht dagegen war der damalige Bundesfinanzminister Theo Waigel. Er glaubte weder an einen "Konsumrausch" der DDR-Bürger noch dass sie zu viel Geld von ihren Konten abheben würden. Waigel bei einem Sparkassenbesuch kurz nach der Währungsumstellung in Ost-Berlin:

    Theo Waigel: Ich gehe davon aus, dass die Bürger in der DDR sich der D-Mark und der Anlage bewusst sind. Ich glaube also, dass sie auch die Anlagemöglichkeit mit anderen Renditen überlegen werden. Dass sie die Chance, höhere Zinsen zu erhalten, ausnutzen werden und ich glaube schon, dass auch die soziale Ausgestaltung des Umtauschkurses nicht dazu führt, dass dies sofort in den Konsum geht.

    Waigel irrte. Es wurde kräftig konsumiert. Und wer nicht genug "West-Knete" hatte, machte häufig auch Schulden, um sich einen lang gehegten Traum vom neuen Wohnzimmer, vom Auto oder einer hochwertigen Küche erfüllen zu können. Doch die meisten DDR-Bürger profitierten von der Währungsumstellung. Nicht nur, dass sie endlich hartes Geld in den Händen hielten, von dem sie sich Dienstleistungen, Güter und Urlaubsreisen in einst verbotene Länder leisten konnten. Auch die Einkommenssituation sollte sich in den nächsten Jahren deutlich verbessern, wenngleich das "West-Niveau" bis heute noch nicht erreicht ist.

    Eine Inflation konnte vermieden werden. Doch hatte das Umtauschverhältnis schwerwiegende Folgen für die DDR-Wirtschaft: Die teilweise überalterten und völlig un-modernen ehemaligen Staatsbetriebe blieben mit Altschulden von insgesamt rund 130 Milliarden DM belastet. Die Privatisierung oder Sanierung wurde dadurch in vielen Fällen erheblich erschwert oder gar unmöglich gemacht.

    Die Folge: bis zum heutigen Tag gibt es eine besonders hohe Arbeitslosigkeit in den neuen Ländern. Konrad Weiß beklagt denn auch, dass viele DDR-Betriebe aufgrund einer falschen Politik der damaligen Bundesregierung zwangs-läufig resignieren mussten:

    Konrad Weiß: Dass also Betriebe, die Schulden in DM hatten, plötzlich die doppelte Summe an Schulden hatten. Einfach, weil da bestimmte Dinge nicht begriffen worden sind, dass nämlich in der DDR ein Betrieb der Schulden oder irgendwelche Waren in DM bezahlt hat, Schulden gemacht hat, aber diese Schulden nicht in DM angerechnet bekam, sondern mit dem Vierfachen oder Fünffachen in DDR-Mark. Und diese Schuldensumme wurde dann bei der Währungsunion verdoppelt, so dass im Grunde genommen ein Mehrfaches von dem, was ursprünglich auch in DM bezahlt worden ist, bei der Währungsunion als Schulden bei den Betrieben war. Auch das war von vornherein ein unnötiges Handicap, was viele Betriebe unnötigerweise kaputt gemacht hat.

    Mit der Währungsunion brachen die Absatzmärkte für die meisten ostdeutschen Betriebe weg. Die lagen nämlich in der Regel in Osteuropa, und dort standen alle Geschäftsbeziehungen auf der Basis einer Verrechnungswährung: Es wurde in Rubel bezahlt.

    Nicht wenige Wirtschaftsexperten und Politiker sprachen sich dafür aus, diese Verrechnungswährung für einen Übergangszeitraum aufrechtzuerhalten. Vergeblich. Die Bundesregierung ist für den Bürgerrechtler Weiß zu wenig auf die Gegebenheiten des osteuropäischen Wirtschaftssystems eingegangen. Der entscheidende Fehler bestand für ihn in der falschen Bewertung der ostdeutschen Ökonomie:

    Konrad Weiß: Dass viele in der alten Bundesrepublik, viele Beamte, viele Wirtschaftsfachleute die Wirtschaft der DDR immer für so ne Art verkrüppelte Marktwirtschaft gehalten haben, aber nicht begriffen haben, dass die Wirtschaft der DDR, diese sozialistische Kommandowirtschaft ihrem Wesen nach etwas ganz anderes gewesen ist.

    Die Erinnerung an den 1. Juli 1990 schwindet und mit der stärker voranschreitenden Globalisierung und der Öffnung der Märkte verstummen die Kritiker. Nur wenige zweifeln noch daran, dass der Zeitpunkt der Währungsumstellung der richtige war. Allerdings sind für viele Fachleute aus Wirtschaft und Politik die Konsequenzen der Einführung der D-Mark in der DDR auch heute noch spürbar. Dieter Vesper vom DIW erinnert daran, dass sein Institut immer wieder auf die Folgen der Währungsumstellung hingewiesen hat:

    Dieter Vesper (DIW): Die Aufwertung betrug ja über 400 Prozent. Und ich kenne keinen Staat der Welt, der einen solchen Aufwertungsschock hätte überleben können. Und die Konsequenzen, die wir damals befürchtet haben, nämlich in Form von hoher Arbeitslosigkeit sind ja dann auch eingetreten.

    Die Aufwertung der Mark bedeutete, dass sich die Kosten der DDR-Betriebe schlagartig erhöhten. Aber ihre sowieso schon weit unter Weltmarktniveau liegende Produktivität hatte nicht zugenommen:

    Dieter Vesper (DIW): Zugleich sind durch die hohen Einkommensansprüche der Ostdeutschen Arbeitnehmer die Löhne und Gehälter in Ostdeutschland rapide angestiegen und zwar gemessen in D-Mark und das hatte zur Folge, dass diese ostdeutschen Betriebe nicht mehr konkurrenzfähig waren.

    Dazu kam, dass - wie so häufig bei Sanierungsfällen - sich die allgemeine Wirtschaftslage verschlechterte. Die Bundesrepublik geriet, wie viele andere Industrieländer auch, in eine schwere Rezession und in eine Kostenkrise, die immer mehr Arbeitsplätze vernichtete. Erst seit Beginn des neuen Jahrtausends macht sich in Deutschland ein wirtschaftlicher Aufschwung bemerkbar. Die Wirtschafts-Prognosen sind gut und alle Welt geht davon aus, dass es in den nächsten Jahren einen stetigen Rückgang der Arbeitslosigkeit geben wird.

    Diese Vorhersagen gelten allerdings nur für die alten Bundesländer. Keine Beruhigung deshalb für Konrad Weiß, der auf die immer noch bestehende Kluft zwischen Ost und West hinweist und diese auf die Einigungsfehler von 1990 zurückführt:

    Konrad Weiß: Die Arbeitslosigkeit im Osten ist ja immer noch weitaus höher als in den alten Bundesländern. Und insofern muss man glaube ich schon sehen, dass die Nachwirkungen zu spüren sind. Es hängt auch damit zusammen, dass es sehr viele Menschen im Osten gibt, die nie wieder die Chance haben einen Arbeitsplatz zu bekommen. Für die ist der Ofen weg und damit aber auch natürlich die Chance einen gewissen minimalen Wohlstand zu erreichen. Man weiß, dass das Gesamtvermögen der Ostdeutschen der Summe entspricht, die die Westdeutschen in ihrer Gesamtheit Jahr für Jahr an Zinsen aus ihrem Vermögen einnehmen, dann macht das diesen gravierenden Unterschied, diesen Wohlstandsunterschied ganz ganz deutlich.

    Die Ursache dafür ist jedoch nicht allein den Fehlern zuzuschreiben, die bei der Währungsumstellung gemacht wurden. Eine Entschuldung der DDR-Betriebe oder ein realistischeres Umtauschverhältnis von 4:1, wie es das DIW forderte, hätte die Marktwirtschaft zwar schonender eingeführt und für etwas geringere Arbeitslosenzahlen in den neuen Ländern gesorgt. Aber es gab auch strukturelle Probleme.

    Viele veraltete Industriebetriebe wurden weiter betrieben oder sogar wieder aufgebaut, anstatt zum Beispiel moderne Computertechnologien zu fördern. Das Entscheidende aber: die damalige Bundesregierung hatte vor allem zu hohe Erwartungshaltungen bei den Menschen in der DDR geschürt - etwa durch Helmut Kohls Versprechen von den "blühenden Landschaften". Noch einmal Dieter Vesper:

    Dieter Vesper (DIW): Wir sehen ja auch, dass das Durchschnittseinkommen in Ostdeutschland noch lange nicht den Wert erreicht hat, den die damalige Regierung erhofft hatte. Wir haben damals schon Schelte bezogen als wir sagten, es wird mindestens 15 Jahre dauern bis es zu einer weitgehenden Gleichstellung von West und Ost kommt und auch diese Vorhersage ist ja so nicht eingetroffen. Wenn wir alles in allem nach 20 Jahren etwa zu einem Aufschließen kommen, dann ist das, glaube ich, schon ein sehr großer Erfolg.

    Doch dann wird die nächste Währungsumstellung längst abgeschlossen sein. Zur Zeit nämlich befindet sich die Bundesrepublik - wie viele ihrer europäischen Nachbarn auch - mitten in den Vorbereitungen zur Einführung der neuen Währung: dem EURO. Mit Beginn des Jahres 2001 ist die D-Mark dann Geschichte. Mathias Schubert ist sicher, dass diese neue Währungsumstellung ohne den Freudentaumel des 1. Juli 1990 erfolgen wird:

    Mathias Schubert: Es wird keine Euro-Euphorie geben. Es wird auch den Sonntag, den 1. Juli 1990 nicht geben, wo wir in den Dörfern unsere Erstausstattung mit Westgeld abholen, so wird das ja nicht sein, sondern das merkt man auf dem Konto nur durch ne Zahl und durch andere Geldscheine, die man aus dem Automaten zieht, aber diese Akzeptanz, auch dass hier keine Gefahren lauern, dass hier keine Besitztümer entwertet werden, dass wir nicht irgendwelchen schwierigen Inflationszeiten entgegengehen durch den Euro usw. Das macht sich ja auch symbolisch da mit so nem Schein oder so ner Münze fest.