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Eiszeit zwischen Peking und Teheran

Bisher ging es China bei seiner Iran-Politik vor allem ums Geschäft mit dem Öl. Der unstillbare Hunger nach Rohstoffen überzeichnet viele sicherheitspolitische Überlegungen. Mit der Unterstützung der UN-Sanktionen zeichnet sich ein Wandel ab.

Von Frank Hollmann |
    Die Antwort des Iran fiel unerwartet scharf aus. China verliere den Respekt der islamischen Welt, schäumte Mitte Juni der Chef des iranischen Nuklearprogramms Ali Akbar Salehi. Es sei an der Zeit, dass China aufwache, bevor es zu spät sei.

    Dass die Volksrepublik den UN-Sanktionen gegen den Iran zustimmte, hat Teheran verärgert. Seitdem scheint zumindest auf oberster politischer Ebene Funkstille zu herrschen. Gerade erst besuchte Präsident Ahmadinedschad die Weltausstellung in Shanghai und den iranischen Expo-Pavillon, ein Besuch, den die chinesische Führung geradezu ignorierte. Ahmadenischad traf weder mit Präsident Hu Jintao noch mit Premier Wen Jiabao zusammen. Dabei hofiert China sonst jedes Land, das ihm wertvolle Rohstoffe liefern kann, egal wie fragwürdig dessen Regierung auch sein mag. Shen Dingli, Experte für nukleare Rüstung an der Fudan-Universität Shanghai.

    "Wir brauchen Öl. Deshalb müssen wir freundlich zu allen Ölproduzenten sein. Wir wollen keinen Wechsel zu einer Regierung, die weniger zuverlässig wäre."

    So hat sich Peking in den letzten Jahren auch mit Diktatoren arrangiert, um seinen wachsenden Rohstoffhunger zu stillen. China importiert die Hälfte der Erdölförderung des Sudan. Auch Syrien und der Jemen stehen auf Pekings Lieferantenliste. Vor einem Jahr erwarb China Förderlizenzen im Irak und in Kasachstan und hat gerade die USA als größter Kunde Saudi-Arabiens abgelöst. Die Energieversorgung werde zunehmend zum Konfliktstoff zwischen den beiden Supermächten, glaubt der Politologe David Zweig von der Universität Hongkong.

    "Die USA und China sind die beiden größten Importeure von Energie. Angesichts seines Wachstums wird Chinas Konsum noch zunehmen. Aber die Erschließung neuer Ölfelder wird immer schwerer."

    Auch deshalb weigerte sich China lange, Sanktionen gegen das Nuklearprogramm des Iran mitzutragen – trotz der wachsenden atomaren Bedrohung. Doch die KP-Führung treibt offenbar eher die Angst um, die eigene Wirtschaft abzuwürgen und so Massenarbeitslosigkeit und soziale Unruhen zu riskieren. Eine reale Gefahr. Durch die Finanzkrise wurden in der Volksrepublik Millionen von Jobs vernichtet. Seit Wochen fordern streikende Arbeiter höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen.

    Die Stabilität im eigenen Land stehe absolut im Fokus der chinesischen Führung, außenpolitische Interessen würden dem untergeordnet, analysiert David Zweig.

    "Die Führung von Hu Jintao und Wen Jiabao ist mehr nach innen gerichtet. Natürlich können sie Fakten nicht ignorieren, China ist integraler Bestandteil der Welt, die Wirtschaft ist vom Export getrieben, man ist der größte Umweltverschmutzer. Wohl oder übel müssen sie sich international engagieren. Aber wenn es hart auf hart kommt, sind sie viel mehr über innenpolitische Probleme besorgt. Hu und Wen haben viel Erfahrung im armen Westen des Landes gesammelt. Die Führungsriege der 90er aber kam aus Shanghai und war häufig im Ausland. Sie wusste, wie die Welt tickt und sie war viel mehr besorgt über das Ansehen Chinas in der Welt."

    Ein Grund von vielen, warum es zuletzt immer wieder zu Verstimmungen zwischen China und den USA kam, über amerikanische Waffenlieferungen nach Taiwan, auf dem Klimagipfel in Kopenhagen, über das Ungleichgewicht der Währungen und über Sanktionen gegen die Nuklearprogramme Nordkoreas und des Iran, analysiert Jin Liangxiang vom Shanghaier Institut für internationale Studien.

    "Chinas Führung sagt, man wolle eine konstruktive Rolle in der Iranfrage spielen. Die Interessen im Iran sind aber völlig andere als in Nordkorea, dort hat China geopolitische Interessen, es will die Stabilität in Ostasien bewahren. Chinas Einfluss in den iranischen Atomgesprächen dagegen ist sehr begrenzt. Ich denke, der Westen hat es jahrelang nicht geschafft, das Vertrauen des Iran zu gewinnen. Das ist ein ernsthaftes Problem."

    Dagegen bemühe sich China um konstruktive Lösungen, sagt Professor Jin. Nach der jüngsten Koreakrise besuchte Premier Wen Jiabao die Nachbarn in Seoul und Tokio, im Fall Iran unterstützt China die UN-Resolution zur Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen und kommt so Washington entgegen. Auf Dauer könne sich China keinen Konfrontationskurs mit den USA leisten, zu abhängig seien beide Volkswirtschaften, sagt der Politologe David Zweig. Dennoch: Wahre Partnerschaft sehe anders aus.

    "Sie misstrauen den Amerikanern. Beide Seiten hätten zwar gerne bessere Beziehungen, aber es fehlt an Vertrauen – anders als im Verhältnis zwischen den USA und Europa. So werden kleine Probleme groß, die Waffenverkäufe an Taiwan, Treffen westlicher Politiker mit dem Dalai Lama, unerfüllte Versprechen in Kopenhagen – all das bestärkt beide, dass die jeweils andere Seite nicht vertrauenswürdig ist und den anderen dominieren möchte."

    Nur widerwillig trägt China die vom Westen vorangetriebenen Sanktionen gegen den Iran mit, nicht nur weil Peking Teherans wichtigster Handelspartner ist und rund ein Zehntel des Erdöls aus dem Golfstaat bezieht. Das Credo der Pekinger Führung heißt Nichteinmischung in innere Angelegenheiten. Das unterstrich auch Premier Wen Jiabao bei seiner Regierungserklärung auf dem letzten Volkskongress.

    "China hat sich der friedlichen Entwicklung verpflichtet. Wir wollen keine anderen Länder bedrohen und wir werden niemals nach Hegemonie streben."

    Doch nicht alle Nachbarn glauben diesen Versprechungen. Japan protestierte unlängst wegen chinesischer Marinemanöver vor seiner Küste, Vietnam kauft U-Boote, um der chinesischen Aufrüstung zu begegnen, Malaysia und die Philippinen streiten mit China um unbewohnte Atolle im Südchinesischen Meer. Dennoch sieht David Zweig keine Verschiebung des militärischen Gleichgewichts.

    "Wir hörten von den Hardlinern des chinesischen Militärs, es sei an der Zeit, sich auszudehnen. In zehn Jahren sollten wir in der Lage sein, die USA zu dominieren. Das ist lächerlich. Das Militärbudget der USA ist fünfmal größer. China hat keine globalen militärischen Einsatzmöglichkeiten. Es ist ja gerade mal in der Lage, erstmals einige Schiffe zur Piratenbekämpfung vor Afrika zu entsenden. Aber jenseits des Südchinesischen Meeres, der Straße von Taiwan und vielleicht noch der japanischen Küste hat es kein militärisches Potenzial, außer natürlich Atomraketen abzufeuern. Chinas Militär wird überschätzt und ich denke, selbst die Falken im chinesischen Militär überschätzen ihre eigenen Möglichkeiten."