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EM in Frankreich
Ticketvergabe wird überprüft

EM-Tickets? Nur für Clubmitglieder. Mit der Vergabe der Eintrittskarten für die Europameisterschaft in Frankreich hat der DFB viele Fußballfans verärgert. Aber war das Vorgehen auch rechtlich problematisch? Das Bundeskartellamt prüft.

Von Heinz Peter Kreuzer | 13.02.2016
    Ein Bildschirm zeigt das Logo der EM 2016
    Ein Bildschirm zeigt das Logo der EM 2016 (LIONEL BONAVENTURE / AFP)
    Mit zweifelhaften Argumenten hat der Deutsche Fußball-Bund die umstrittenen Modalitäten für den Verkauf der EM-Tickets in Frankreich begründet. Nur wer Mitglied im DFB-Fanklub ist, kann eine Eintrittskarte für die Europameisterschaft im Juni erwerben. Für Kartellrechtsexperten ein klarer Missbrauch marktbeherrschender Stellung. Auch wenn die Verkaufsphase am 18. Januar abgeschlossen war, drohen dem DFB noch Konsequenzen. Denn das Vergabeverfahren prüft jetzt das Bundeskartellamt.
    Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, Iris Gleicke bestätigte in einem Antwortschreiben auf eine Anfrage an die Bundesregierung, dass die Wettbewerbshüter sich mit dem Vergabeverfahren beschäftigen. Unter anderem heißt es in diesem Brief, der dem Deutschlandfunk vorliegt: "...Nach den der Bundesregierung vorliegenden Informationen prüft das Bundeskartellamt derzeit die Notwendigkeit rechtlicher Schritte in diesem Zusammenhang."
    Missbrauch marktbeherrschender Stellung
    Kay Weidner, Sprecher des Bundeskartellamtes, bestätigte diesem Sender ebenfalls, dass die Ticketvergabe ein Thema in der Behörde sei. Das Amt untersuche auf kartellrechtliche Relevanz. Die ist nach Meinung des Münchner Kartellrechtlers Mark E. Orth gegeben. Der DFB missbrauche seine marktbeherrschende Stellung.
    Denn wer ein EM-Ticket erwerben wolle, müsse Mitglied im DFB-Fanklub werden, das koste immerhin zehn Euro Aufnahmegebühr und 30 Euro Jahresbeitrag,
    "Also die Auswirkung der Kopplungspraxis, die ist noch stärker, als sie üblicherweise ist. Sie müssen ja erst einmal Mitglied im Fanklub werden, dann haben sie die Chance, eine Karte zu erwerben. Ob es wirklich funktioniert, kann ihnen keiner sagen", sagt Orth.
    Auch die Argumente des DFB für dieses Prozedere seien nicht stichhaltig. So argumentierte Nationalmannschafts-Sprecher Jens Grittner: "Zum einen können wir so ausschließen, dass unter den Bestellern welche mit Stadionverbot sind. Und zweitens wollen wir denjenigen, die ständig bei Auswärtsfahrten dabei sind und die Stimmung machen, eine Art Treuebonus zukommen lassen."
    Sekundenlange Loyalität
    Kartellrechtler Orth hält dagegen: "Was die Loyalität betrifft, sie können jetzt Mitglied im Fanklub werden, kurz bevor sie die Karte bestellen. Dann haben sie sich nicht loyal verhalten, trotzdem werden Sie dafür belohnt, dass sie sekundenlang schon Mitglied im Fanklub waren. Also Loyalitätsbelohnung kann es nicht sein."
    Und Stadionverbote könne man auch ohne eine Klub-Mitgliedschaft überprüfen. Orth sieht zwar ebenfalls die Notwendigkeit, die Fans der unterschiedlichen Nationen zu trennen.
    "Das halte ich für ein zu rechtfertigendes Interesse. Dafür gibt es aber andere Maßnahmen. Andere Länder etwa sagen, dass diejenigen, die sich um Karten bemühen, entweder Mitglieder im Fanklub sind, oder Staatsbürger, oder Einwohner in dem Land. Da haben sie also verschiedene Möglichkeiten, dieses Kriterium zu erfüllen."
    Neben dieser fragwürdigen Argumentationskette würden auch andere Präzedenzfälle bei rechtswidrigen Kopplungsgeschäften gegen die jetzige DFB-Praxis sprechen.
    "Ein Beispiel ist die WM 2006 in Deutschland. Da war es so, dass sie für bestimmte Kartenkontingente nur mit einer ganz speziellen Kreditkarte bezahlen konnten. Da hatten sie eine ähnliche Koppelung. Wenn Sie eine Karte kaufen wollten, mussten sie diese Kreditkarte haben. In der Auswirkung ähnlich dem hier vorliegenden Fall. Die Lösung, die man damals schaffte, dass man nicht nur mit der Kreditkarte zahlen konnte, sondern auch mit anderen Zahlungsmöglichkeiten."
    Verbot der Kopplungspraxis
    Kein Einzelfall, auch bei der EM 2008 in Österreich und der Schweiz haben die nationalen Kartellbehörden diese Kopplungspraxis verboten. Das Internationale Olympische Komitee hat mittlerweile aus den Fehlern früherer Kopplungsgeschäfte gelernt. Das IOC weist die Ausrichterstädte Olympischer Spiele ausdrücklich auf diese europäische Kartellrechtslage hin.
    "Es ist also kein unbekanntes Problem. Sondern es ist in der Anwendungspraxis bekannt. Es wäre also auch vom DFB zu erwarten, dass er dieses Problem im Vorfeld gelöst hat."
    Dem Deutschen Fußball Bund drohen jetzt wohlmöglich Untersagungen, Bußgelder und Schadensersatzforderungen. Die letzte Hoffnung für alle, die durch dieses Verfahren ausgeschlossen wurden, ist die dritte Verkaufsphase im Frühjahr. Da werden die Kartenrückläufer noch einmal angeboten.