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Energetische Sanierung auf Kosten der Mieter

Die Bundesregierung will Mieterhöhungen nach Haussanierungen erleichtern, denn gerade einmal ein Prozent aller Altbauten pro Jahr wird energetisch saniert. Mindestens eine Verdoppelung wäre nötig, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Mieter sind davon wenig begeistert - ein Fallbeispiel zeigt, warum sich die Investition für viele von ihnen nicht rechnet.

Von Philip Banse |
    "Wir sind jetzt hier in der Küche, hier auf der linken Seite sieht man unsere Gastherme, neueste Bauart übrigens, die Verbrauchswerte sind sehr gut."

    Und doch wird die Gasetagenheizung raus fliegen. Das Mehrfamilienhaus, in dem Jan Porstendorfer wohnt, wird energetisch saniert. Neue Fenster, Fassadendämmung und eine neue Heizung – der Energieverbrauch des Hauses soll mehr als halbiert werden. Das schont das Klima und soll langfristig auch den Mietern Geld sparen. Im Idealfall geht das so: Nach der Sanierung zahlen Mieter zwar mehr Kaltmiete. Auf der anderen Seite sparen Mieter aber Geld, weil sie weniger heizen und weniger Energie fürs warme Wasser verbrauchen. Dass energetische Sanierungen jedoch auch anders laufen können, zeigt der Fall der Familie Porstendorfer. Ihre Warmmiete steigt durch die Sanierung um über 23 Prozent. Die Porstendorfers wollen wegen der energetischen Sanierung ausziehen:

    "Wir werden uns mittel- bis langfristig mit diesem Gedanken auseinandersetzen, weil wir mit der Mieterhöhung nicht klarkommen werden."

    Dass die Kaltmiete steigt, ist bei energetischen Sanierungen üblich. Denn der Vermieter darf elf Prozent der Kosten für die energetische Sanierung auf die Miete drauf schlagen. Im Fall Porstendorfer heißt das: Die energetische Sanierung seiner Wohnung kostet 20.500 Euro, davon elf Prozent bedeuten 188 Euro pro Monat mehr Kaltmiete - eine Mietsteigerung von über 40 Prozent. Das alles wäre kein Problem, wenn gleichzeitig die Heizkosten erheblich sinken würden. Doch die sinken pro Jahr aber nur um knapp 16 Euro. Ist so etwas erlaubt? Es ist erlaubt und das hat mit der Definition des "Energetischen Sanierens" durch den Bundesgerichtshof zu tun, sagt Reiner Wild, Chef des Berliner Mietervereins:

    "Leider gibt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, dass es auch ausreicht, wenn Primärenergie eingespart wird. Das bedeutet, dass eine Umstellung – zum Beispiel auf Fernwärme – eine kostenpflichtige Modernisierung wird, obwohl der einzelne Mieter keine Energie einspart."

    Das heißt: Der Vermieter kann die Miete schon dann erhöhen, wenn das Haus als ganzes weniger Energie verbraucht - selbst wenn einige Mieter kaum etwas davon haben, zum Beispiel weil sie schon vor der Sanierung eine sparsame Gasetagenheizung und moderne Fenster hatten – so wie die Porstendorfers.

    "Hier in der Küche sind das ganz moderne Kunststofffenster, wenige Jahre alt."

    Höhere Kaltmiete, moderate Energieeinsparungen - unterm Strich zahlen die Porstendorfers 157 Euro mehr pro Monat. Vermieter Behrouz Latif argumentiert:

    "Es sind Wärmedämmmaßnahmen, die letztlich dem Mieter zugutekommen."

    Und zwar dann, wenn die Energiepreise weiter steigen. Schon in fünf Jahren, so Vermieter Latif, wäre die Warmmiete wegen der steigenden Energiepreise so hoch wie jetzt durch die Sanierung. In fünf Jahren schon würden die Mieter also Geld sparen, Geld nämlich, dass sie nicht zahlen müssen, weil ihr saniertes Haus so wenig Energie verbraucht. In fünf Jahren sollen die Porstendorfers anfangen, Geld zu sparen? Dafür müsste Energie jedes Jahr um fast 15 Prozent teurer werden. Laut Statistischem Bundesamt sind die Energiepreise für Haushalte in den letzten zehn Jahren im Schnitt aber nur um knapp sechs Prozent gestiegen. Experten rechnen damit, dass Energie in Zukunft jährlich acht Prozent teurer wird. Damit würden die Porstendorfers nicht in fünf, sondern erst in neun Jahren anfangen, Geld zu sparen. Neun Jahre zahlten sie also drauf für den Klimaschutz. Der Mieterverein fordert, das Mietrecht zu ändern:

    "Das könnte bedeuten, dass nur dann die Miete erhöht werden darf, wenn eine Heizkostenersparnis feststellbar ist. Das fänden wir eine verträgliche Lösung, die auch für Mieter deutlich macht, dass sich Energieeinsparung lohnt."

    Dass Millionen Gebäude saniert werden müssen, ist unstreitig. Viele Experten sind sich einig, dass dafür vor allem die staatlichen Fördermittel weit drastischer aufgestockt werden müssten, als von der Bundesregierung beschlossen. Die Pläne der Bundesregierung gehen jedoch vor allem in die Richtung, Mieter stärker zu belasten, um Hauseigentümern die energetische Sanierung schmackhafter zu machen. Für Mieter Jan Porstendorfer der falsche Weg:

    "Wenn man sich das neue Konzept der Bundesregierung vor Augen hält, bleibt unterm Strich nur der Gedanke, dass es sehr Investoren beziehungsweise Vermieter freundlich ist und dass die Mieter zahlen sollen – und zwar möglichst viel."