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Energiewende bedroht Existenz von Schäfern

Niedersachsen scheint prädestiniert für eine herausragende Rolle in der Energiewende, für Windenergie an den Küsten und für Bioenergie von den Feldern. Aber so umweltfreundlich Wind, Raps und Co. auch sein mögen: Sie bedrohen die Existenz von Schäfern und ihren Herden.

Von Brigitte Lehnhoff | 26.06.2012
    Wendelin Schmücker fährt seine Morgenrunde durch die Winsener Marsch. Auf vier Weiden sieht er täglich nach dem Rechten, versorgt 700 Mutterschafe und 300 Lämmer mit Wasser. Im Schritttempo steuert der gelernte Tierwirt seinen Kleintransporter durch eine Schafherde und hält direkt an einem Wassergraben. Er zieht eine tragbare Pumpe von der Ladefläche, wirft ein Schlauchende in den Graben und hält das andere nach und nach in schwarze Bottiche. Die Schäferei hat in Schmückers Familie Tradition seit mehr als 200 Jahren. Doch die Arbeit der Schäfer in Deutschland ist bedroht. Und daran könnte ausgerechnet die Energiewende schuld sein. Eine gängige Biogasanlage zum Beispiel braucht etwa 250 Hektar Anbaufläche, um gewinnbringend zu arbeiten.

    "Das heißt für Schafhalter, dass bei dem 250-Hektar-Biogasanlagen-Betrieb nichts mehr für die Schafhaltung abfallen wird, weil er die Fläche allein für seine Biogasanlage vorhalten muss."

    Weideflächen werden also knapp. Wer diese als Schäfer nicht selbst besitzt, sondern pachten muss, kommt in Bedrängnis.

    "Bei der Entwicklung der Pachtpreise kann ein Schafhalter leider mit der Biogasanlage nicht mithalten, weil der Erlös aus der Schafhaltung wird das nicht auffangen, da würde er ein Minusgeschäft bei machen."

    Während der Preis für Lammfleisch fällt, haben die Pachtpreise sich in vielen Regionen bereits verdoppelt. Ein Hektar Grünland kostet in seiner Region 400 Euro pro Jahr, sagt Schmücker. Die Europäische Union zahlt zwar eine sogenannte Flächenprämie pro Hektar. Die deckt aber schon jetzt nicht den Pachtpreis und soll in der anstehenden Agrarreform auf etwa 250 Euro gesenkt werden.

    "Kein Schafhalter kann 400 Euro für einen Hektar ausgeben, wenn er am Ende des Tages nur 250 Euro dafür wiederbekommen würde, dann müsste er ja 150 Euro mitbringen, das ist ja absolut unwirtschaftlich."

    In Niedersachsen hat ein Fünftel der Berufsschäfer in den vergangenen Jahren aufgegeben. Das entspricht dem bundesweiten Trend. 1500 Berufsschäfer gibt es noch in Deutschland. Mit ihren 1,6 Millionen Mutterschafen leisten sie Landschaftspflege etwa in der Heide oder im Moor, aber auch Lawinen- und Küstenschutz.

    "Das Schaf, das zupft nicht wie eine Kuh, sondern das Schaf hat vorne Schneidezähne, das Schaf beißt dieses Gras ab, dann tut es mehr aussprießen und dadurch bildet sich eine festere Wurzelmasse und die ist ganz entscheidend für die Deichsicherheit, denn nur dort, wo diese Nabe so geschlossen ist, kann sie dem Wasser dementsprechend standhalten."

    Diese Leistung werde von der Gesellschaft nicht honoriert, bedauert Schmücker. Der Verbraucher schaue beim Einkauf meist auf den günstigsten Fleischpreis. Den könnten Massentierhalter machen, nicht aber Schäfer.

    "Dann müsste er bereit sein, dementsprechend im Laden mehr dafür zu bezahlen, aber ich glaube, dass der Verbraucher heute noch nicht so weit ist, dass er so eine Unterstützung machen würde."

    Schmücker macht sich wieder auf den Weg und erzählt während der Fahrt, dass er Konsequenzen ziehen will aus der schwierigen wirtschaftlichen Situation. Er verhandelt bereits mit einem Erzeuger erneuerbarer Energien. Der Schäfer hält an einer seiner Weiden, die zwischen Bahntrasse und Autobahn liegt.

    "Auf diesen 10 Hektar Nutzfläche will ein bayrischer Investor einen Solarpark bauen mit 4,3 Megawatt Leistung und die Schafherde soll auch weiterhin unter diesem Solarpark dann weiden und das soll das zweite Standbein für den landwirtschaftlichen Schafhaltungsbetrieb werden."

    Und so könnten Tradition und Moderne, die Schäferkultur und die Energiewende, miteinander vereint werden. Aber es gibt noch Schwierigkeiten. Denn die Niedersächsische Landesregierung will wegen zunehmender Flächenversiegelung Solarparks auf landwirtschaftlichen Flächen verbieten. Schäfer Wendelin Schmücker hofft trotzdem auf eine Lösung.

    "Hier wird ja keine Fläche eigentlich der Landwirtschaft entzogen, sondern hier soll ja auch weiterhin eine Schafhaltung auf der Fläche stattfinden unter den Solarmodulen eben und die Schafe können ja zwischen den Modulen drunter laufen wie so ‘n kleiner Rasenmäher eben."