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Energy Harvesting
Alternative Ansätze für Energieernte bei Kleinstgeräten

Auch kleine Sensoren brachen Strom, und der soll nicht nur aus Batterien kommen. Vielmehr sollen sich die Datensammler künftig selbst versorgen und ihren Strom aus der Umgebung ziehen. Energy Harvesting nennt sich das Prinzip, ohne das es das künftige Internet der Dinge kaum geben wird.

Von Jan Rähm | 30.03.2016
    Besucher informieren sich am 05.09.2014, am Eröffnungstag der Elektronikmesse IFA in Berlin, über das Thema Smart Home.
    Beim Energy Harvesting sollen Kleinstgeräte im Smart Home Strom aus ihrer Umgebung gewinnen (picture alliance / dpa - Rainer Jensen)
    Windsensoren auf Hausdächern, Wellenmesser auf den Weltmeeren und der Funk-Lichtschalter für die intelligente Lampe daheim – all diese vernetzten Geräte haben eines gemein: Sie brauchen Energie, um Messwerte aufzunehmen und per Funk zu übermitteln oder um irgendwelche Aktionen auszulösen. Bisher versorgen sich solche Kleinstgeräte meist ganz konventionell mit Strom, erklärt Gerald Kupris von der Technischen Hochschule Deggendorf: Mit Batterien.
    "Aber Batterien sind irgendwann alle und dann müssen sie ausgetauscht werden. Und das ist nicht nur eine Kostenfrage und vielleicht eine Umweltfrage, die leeren Batterien zu entsorgen, sondern vor allem eine Frage der Manpower, die jeweiligen Knoten dann wieder aufzusuchen und dort die jeweilige Batterie zu wechseln."
    Experten gehen davon aus, dass es im Jahr 2020 weltweit rund 26 Milliarden funkende Kleinstgeräte geben wird. Selbst wenn man genug Personal hätte, um ihre Batterien zu wechseln: Es würde Monate, wenn nicht Jahre dauern. Die Entwicklung geht deshalb weg von der Batterie, hin zum so genannten Energy Harvesting. Dabei ernten die vernetzten Geräte die Energie, die sie brauchen, direkt in ihrer Umgebung.
    "Gebräuchlich ist sicher über Beleuchtung, also Licht-Energy Harvesting, aber beispielsweise auch Temperaturdifferenz, mechanische Energie oder zum Beispiel HF, also Hochfrequenz."
    "Wir haben einen Energy-Harvesting-Generator entwickelt," sagt der Ingenieur Thomas Boethe der beim Automobilzulieferer ZF in Friedrichshafen arbeitet. Das Unternehmen hat einen kleinen Schalter entwickelt, kaum größer als eine Ein-Cent-Münze. Zur Stromerzeugung nutzt er das Generatorprinzip: Betätigt man den Schalter, bewegt sich ein Magnet in einer Spule. Aus mechanischer Energie wird per Induktion elektrische. Und zwar genug, dass der Schalter per Funk mitteilen kann: Ich wurde betätigt.
    "Wir erzeugen mit einem Betätigungs- oder Loslasssignal 400 Mikrojoule Energie. Die Funkelektronik kann mit dieser Energie circa 20 Millisekunden arbeiten und Funktelegramme versenden. So dass wir mit unserem eigenen sehr kurzen Funkprotokoll, das nur zwölf Byte hat, bis zu sieben Telegramme versenden können."
    So stellt der Schalter sicher, dass auch mindestens eines der Funktelegramme beim Empfänger ankommt. "Drücken für Strom": Auf dieses Prinzip setzen auch andere Hersteller. Nur kommen dabei meist sogenannte Piezo-Elemente zum Einsatz: Spezielle Kristalle, die mechanischen Druck in elektrischen Strom verwandeln. Bei ZF hat man sich bewusst gegen Piezo-Elemente entschieden.
    "Das elektromechanische System haben wir gewählt, weil mit einem Piezo einerseits die hohe Energie auf diese kleine Größe nicht möglich ist, und wir natürlich eine relativ hohe Lebensdauer mit dem Schalter erreichen wollten von eine Million Betätigungszyklen. Und bei Piezo-Keramiken ist der Nachteil, dass eben hohe Lebensdauern nur mit sehr großem Aufwand zu realisieren sind."
    Auf eine ganz andere Ressource beim Energy Harvesting fürs Internet der Dinge setzt Marcel Meli von der Schweizer ZHAW School of Engineering in Zürich. Statt mechanische Energie in kleinsten Dosen zu ernten, fängt er Lichtenergie ein. Allerdings nicht klassisch, mit Solarzellen. Das wäre zu teuer, sagt er.
    "Wir drücken die Kosten soweit es geht. Also könnten wir sehr kleine Solarpanels nehmen oder gleich zu Alternativen greifen. Das tun wir. Wir nutzen LEDs zur Stromerzeugung."
    LEDs - das sind Leuchtdioden - also Halbleiterbauteile, die Licht emittieren. Eigentlich. Denn genau wie ein Lautsprecher nicht nur als Schallquelle sondern auch als Mikrofon dienen kann, können LEDs auch Licht einfangen. Dabei fließt ein winziger Strom zwischen den Beinchen des Bauteils. Diese minimale Energie von nur wenigen Mikrojoule reiche für viele Anwendungszwecke völlig aus, erklärt Marcel Meli.
    "LEDs werden in so großen Mengen produziert. Deswegen sind sie spottbillig. Zwar sind sie nicht so effizient wie Solarzellen, doch uns reicht die Leistung. So bekommen wir Harvesting-Systeme, die deutlich günstiger sind."
    Und je günstiger ein System für die Stromernte im Mikrojoule-Maßstab, so die Logik, umso eher könne es sich durchsetzen. Denn bei Milliarden Kleinstgeräten summiert sich ein Cent Preisunterschied zu einer Menge Geld. Doch noch ist die Schweizer Lösung nicht marktreif.