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"England hätte mehr Schaden als die Europäische Union"

Die Bevölkerung über die EU-Mitgliedschaft Großbritanniens abstimmen zu lassen, hält die Europa-Politikerin Monika Hohlmeier (CSU) für "risikoreich". Viele Fragen, die Premier David Cameron in seiner Rede angesprochen habe, seien "schlicht englische Probleme".

Monika Hohlmeier im Gespräch mit Christine Heuer | 23.01.2013
    Christine Heuer: David Cameron ist bislang ein eher schwacher Premier in Großbritannien. Dort gibt es traditionell besonders viele Euroskeptiker, man kann auch sagen offene Befürworter eines EU-Austritts der Briten. Und die machen Cameron seit Monaten schwer zu schaffen. Heute hat er seine mit Spannung erwartete Europarede gehalten und seinen Landsleuten versprochen, dass sie in einigen Jahren über die britische EU-Mitgliedschaft abstimmen dürfen. Vorher will Cameron allerdings erst noch einmal wiedergewählt werden.
    In der europäischen Hauptstadt, in Brüssel, bin ich jetzt mit Monika Hohlmeier verbunden. Die CSU-Politikerin ist Abgeordnete im Europäischen Parlament. Guten Tag, Frau Hohlmeier.

    Monika Hohlmeier: Guten Tag!

    Heuer: Laurent Fabius, der französische Außenminister, hat heute gesagt, wenn Großbritannien die EU verlassen wolle, dann "rollen wir den Roten Teppich aus". Frau Hohlmeier, streuen Sie da noch ein bisschen Konfetti drauf?

    Hohlmeier: Nein, ich streue kein Konfetti drauf. Aber ich hatte mehr den Eindruck bei der Rede, also bei den Passagen, die ich alle gehört habe, dass es eher eine Rede an die eigene Partei und an sein eigenes Land ist als tatsächlich eine Rede, die sich wirklich mit Europa befasst. Weil viele Fragen, die dort angesprochen sind, sind schlicht und einfach englische Probleme.

    Heuer: Dass Cameron bis 2017 warten will, ist ja wirklich noch ein bisschen hin bis dahin und vorher seine Wiederwahl anstünde. Zeigt das, dass er nur einen billigen Wahlkampftrick versucht?

    Hohlmeier: Es ist zumindest erstaunlich, dass er ein Referendum anstrebt, aber das bitte dann erst in etlichen Jahren, und zwar dann, wenn es eine Wiederwahl gegeben hat und er noch Premierminister ist. Und das, was im besonderen mich als Eindruck stört – das wird natürlich populistisch immer gerne gemacht -, dass für alle Fragen, die unangenehm sind, angeblich die Europäische Union verantwortlich ist. Das ist sie natürlich nicht! Großbritannien hat selbst hausgemachte Probleme, zum Beispiel, dass sie fast keinen Industriestandort mehr haben. Das ist allein auf englische Entscheidungen zurückzuführen und nicht auf Entscheidungen der Europäischen Union. Diese Entscheidungen zu revidieren, ist eine Angelegenheit von Großbritannien. Deutschland ist einen anderen Weg gegangen. Wir haben auch in den letzten zehn Jahren manchmal bitter sparen müssen und tragen jetzt aber dafür auch die Konsequenzen, dass wir wettbewerbsfähig sind, dass unsere Unternehmen gut aufgestellt sind und dass wir vor allem immer noch Produktionsstandort sind.

    Heuer: Frau Hohlmeier, aber trotzdem, das ver … [unverständlich] ja bei den Briten. Wenn die 2017 abstimmen würden, was sagen die dann, ja, wir wollen raus aus der EU?

    Hohlmeier: Ich halte es zumindest für risikoreich, was Cameron hier tut, weil de facto die Mitgliedschaft in der Europäischen Union von einer nicht voraussehbaren Stimmung in Großbritannien abhängig zu machen und selbst auch noch gar nicht zu sagen, ja wofür bin ich eigentlich als Premier, für oder gegen, und vor allem zu sagen, ich als englischer Premier verändere jetzt ganz Europa – ich glaube, Europa, die Europäische Union, besteht halt nun mal aus 28 Mitgliedsstaaten. Ich teile den Trend, dass man manche Richtlinie auch unterlassen kann, die einfach zu viel des Guten und manchmal von, ich sage mal, Verbraucherschutz-Organisationen oder wem auch immer gewünscht ist. Aber ich teile nicht die Auffassung, dass Europa jeden Tag neu überprüft werden muss. Allein dass wir schon ungefähr sieben Prozent der Weltbevölkerung darstellen, da brauchen wir wirklich diese gesamten sieben Prozent und die ganze Europäische Union, um unsere Wertevorstellungen durchzusetzen in dieser Welt.

    Heuer: Aber, Frau Hohlmeier, Cameron stellt ja ganz konkrete Forderungen. Er sagt zum Beispiel, es müsse geben einen Rückfluss von Macht an die Mitgliedsstaaten. Würde das die Europäische Union flexibler machen, demokratischer, verlässlicher? Das sind alles Forderungen von David Cameron. Und die Frage an Sie: Würde das alles helfen, damit der schwere Tanker EU beweglicher würde?

    Hohlmeier: Ich glaube, es gehören zwei Dinge dazu. Es gehört auf der einen Seite dazu, dass wir in bestimmten Bereichen sogar mehr Kompetenz in der Europäischen Union haben, denn es kann nicht sein, dass ein Teil der Mitgliedsstaaten wie Deutschland Richtlinien gut umsetzt, während das andere Mitgliedsstaaten nicht tun. Das fängt beim Asylrecht an und hört beim Umweltrecht auf. Auf der anderen Seite gibt es natürlich tatsächlich Richtlinien wie zum Beispiel eine sogenannte Dienstleistungs-Konzessionsrichtlinie, wo ich der Auffassung bin, dass Wasser nun einmal oder die Wasserversorgung der Bevölkerung nicht zwingend einer Dienstleistungs-Konzessionsrichtlinie unterstellt sein muss. Das halte ich für Unfug. Wenn man Wetten ausnehmen kann, dann kann man auch das Wasser ausnehmen und kann man andere wichtige Bereiche der Daseinsvorsorge ausnehmen. Also es gibt Richtlinien, die braucht es nicht. Aber das ist nicht die Europäische Union, so was muss man machen, das müssen die Mitgliedsstaaten dann aber auch gemeinschaftlich beschließen, denn sie haben auch gemeinschaftlich beschlossen, dass sie diese Richtlinien haben wollen.

    Heuer: So etwas wie die Wasserversorgungsrichtlinie ist natürlich ein echtes Entgegenkommen der EU an Großbritannien. Ich würde mal vermuten, das reicht David Cameron nicht aus. Wenn die Briten am Ende gehen wollen, Frage: Soll man Reisende aufhalten?

    Hohlmeier: Die Entscheidung wird letztendlich bei England liegen, bei Großbritannien selbst liegen. Ich hielte es für fatal für Großbritannien selbst. Ich bin dafür, dass Großbritannien bleibt, weil ich Großbritannien schon für einen wichtigen Teil der Europäischen Union halte. Aber es kann nicht sein, dass Großbritannien die Bedingungen diktiert und andere anschließend springen. Diese Vorstellung ist eine Vorstellung, die passt einfach nicht zu einem modernen Europa, in dem 28 Mitgliedsstaaten gemeinsam um Lösungen nach den unterschiedlichen Bedürfnissen der Länder letztendlich ringen. Das ist ein bisschen zu viel des guten.

    Heuer: Was genau verliert die EU, wenn Großbritannien sie verlässt?

    Hohlmeier: Dann verliert die EU natürlich einen wichtigen großen Partner. Das ist nicht gut, wenn ein großes Land aus der Europäischen Union ausscheidet. Das wollen weder die Vereinigten Staaten von Amerika, noch wollen wir das letztendlich. Nur es kann auch nicht sein, dass sich Großbritannien ständig Sonderrechte, Sonderbedingungen und Sonderkonstellationen ausbedingt, aber alle anderen sollen sich an die Regeln halten. Das ist ein inakzeptabler Vorgang.

    Heuer: Es ginge mit Großbritannien aber auch ein Bremser in der EU. Wäre ja auch eine Chance, oder?

    Hohlmeier: Ich sehe Großbritannien nicht nur als Bremser. Wir haben schon einige Bereiche, in denen gerade Deutschland mit England sehr eng zusammenarbeitet. Wenn Cameron mehr nachdenkt – und ich gehe davon aus, dass er das getan hat -, dann weiß er, dass Deutschland der engste Handelspartner von England mittlerweile geworden ist und auch der größte. Das heißt, wenn sich Großbritannien aus dem Binnenmarkt verabschiedet, schadet es sich selbst unsäglich. Aber auch die Komplikationen mit der gesamten anderen EU wären nicht vorteilhaft. England hätte mehr Schaden als die Europäische Union, ich empfände es als einen Rückschritt, aber letztendlich entscheidet Großbritannien. Wie gesagt: Dauernde Sonderrechte gehen nicht. Entweder Großbritannien entscheidet sich jetzt endlich mal dafür, dass sie in Europa bleiben wollen. Aber dieses ständige ich will ein Sonderrecht haben, ich will meine City of London schützen und alle anderen dürfen dafür zahlen, das kann nicht angehen und das ist auch nicht akzeptiert im Europäischen Parlament.

    Heuer: Die christsoziale Europaabgeordnete Monika Hohlmeier im Interview mit dem Deutschlandfunk. Vielen Dank, Frau Hohlmeier.

    Hohlmeier: Danke Ihnen!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.