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Erforschung von gefährlichen Chemikalien

Über die meisten der im Umlauf befindlichen Chemikalien gab es keine wissenschaftliche Untersuchung, bevor das Produkt auf den Markt kam. Wie sich der Stoff dann auf die verschiedenen Ökosysteme auswirkt, zeigte dann erst die Zeit und das besonders drastisch, wenn es zu Gesundheitsschäden kommt wie beispielsweise bei dem Pestizid DDT. Dass man Chemikalien nicht isoliert von ihrer Wirkung auf die Ökologie betrachten darf, darauf pochte schon der Begründer der ökologischen Chemie: Friedhelm Korte. Er feiert heute seinen 80. Geburtstag. Ein Anlass, um die Entstehung und Ergebnisse dieses aktuellen Faches vorzustellen.

Von Stephan Haufe | 24.11.2003
    Am Anfang stand Silent Spring, zu deutsch Stummer Frühling - das Buch der britischen Wirtschaftsjournalistin Rachel Carson. Es wühlte im Jahre 1963 die Gemüter auf. Gegenstand des Buches ist der schädliche Umwelteinfluss von chlorierten Kohlenwasserstoffen unter anderem auf die Artenvielfalt von Vögeln. Das bekannteste Beispiel ist DDT, was nach dem Zweiten Weltkrieg zur Insektenbekämpfung eingesetzt wurde. Die von Carson angeführten Forschungsergebnisse waren laut Prof. Dr. Heinrich Wamhoff, emeritierter Professor für Organische Chemie der Universtität Bonn, der erste Beweis dafür,

    ... dass sehr persistente Verbindungen weltweit transportiert werden, aufgrund eben der Tatsache das sie in der Nahrungskette der höheren Tiere hinein gelangen können, dass auf diese Weise Schaden in der Natur, in der Ökologie entstehen kann.

    DDT konnte sogar in Pinguineiern auf der Antarktis nachgewiesen werden. Carsons Schreckensbild vom Frühling ohne Vögel trieb den Bonner Chemiker Friedhelm Korte dazu an, sich einer Reihe neuer Probleme zu stellen. So löste DDT schließlich die Begründung einer Wissenschaftsdisziplin aus. Im Mittelpunkt seines Interesses, stand die Frage, wie sich chemische Substanzen in den Stoffkreiskläufen der Natur verhalten.

    Denn, so Wamhoff

    diese Stoffe ausgebracht auf die Pflanzen, werden natürlich der allgemeinen Atmosphäre ausgesetzt Luftfeuchtigkeit, Sonneneinstrahlung. Und da interessiert natürlich sehr, was passiert mit diesen Stoffen, die in die Natur ausgebracht worden sind, speziell unter photochemischen Prozessen.

    Darüber hinaus mussten Methoden gefunden werden, um Schadstoffe in Boden, Wasser und Luft zu messen. Die Erkenntnisse sollten schließlich dazu führen, neue Techniken, Substanzen und Produkte zu entwickeln. Nur so könnten Umweltbelastungen verhindert bzw. vermindert werden. Um diese Problemstellungen lösen zu können, sind die Kenntnisse der Chemie nicht ausreichend. Biologie, Physik, Agrar- und Ingenieuerwissenschaften müssen dafür mit einbezogen werden.

    Irgendwann saß ich mit meinem damaligen Chef Prof. Korte zusammen, und wir sprachen über diese Probleme, wie soll man denn eine solche Wissenschaft, die übergreifend interdisziplinär ist, eigentlich bezeichnen und dann haben wir uns eine Weile Begriffe an den Kopf geworfen...

    und so war der Grundstein für das neue Fach - Ökologische Chemie - gelegt.

    1972 dann, das Jahr, in dem DDT in Deutschland verboten wurde, ist der erste "Lehrstuhl für Ökologische Chemie" an der TU München eingerichtet worden. Sein Inhaber hieß Friedhelm Korte, er gilt als Begründer des interdisziplinären Faches.

    Über das Aufgabengebiet der ökologischen Chemie, sagt Michael Braungart, Leiter des Hamburger Umweltinstitutes:

    Wir schauen uns Chemikalien in ihrer Auswirkung auf ihren Verbleib in der Umwelt überhaupt, nicht mehr die Akutgiftigkeit sondern vor allem das Leben der Chemikalie in der Umwelt. Dabei betrachten wir nicht nur die reine Chemikalie sondern den gesamten Produktionsprozess und können auf diese Art und Weise, völlig neue Synthese machen, die auf biologische Systeme viel besser eingepasst sind...

    Die Grundlage für diesen Wissenschaftszweig legte Korte unter anderem als er den Oktanol-Wasser Koeffizienten entwickelte.

    Dieser Koeffizient gibt an, inwieweit eine Chemikalie in Wasser und in Fettgewebe löslich ist. Je mehr sie sich in Fettgewebe löst, desto problematischer ist die Substanz.

    Chemie ist in jeder Phase, in jedem Parameter, das hat sehr vielfältige Auswirkungen, das Automobil ist heute schon fast ein fahrendes chemisches Unikum. Kunststoff hat überall Einzug gehalten. In der Medizin, die Ersatzteilstoffe für den menschlichen Köper- ist alles Chemie.
    Umso wichtiger ist es die Unbedenklichkeit von chemischen Stoffen zu klären, bevor sie in die Hände von Menschen und in die Umwelt gelangen. Schließlich umgeben uns mehrere zehntausend unterschiedliche Chemikalien.

    Die Wechselwirkungen chemischer Substanzen untereinander sowie mit Licht, Wasser, Pflanzen und mit Mensch und Tier sind bis heute aber weitgehend unbekannt.

    Umweltverbände kämpfen daher für eine strenge Selbstkontrolle der chemischen Industrie. Bevor eine Chemikalie zugelassen wird, muss geprüft werden, ob sie ungefährlich ist. Und dabei ist gerade auf Abbauprodukte der Chemikalien zu achten, die teilweise gefährlicher als ihre Ausgangsstoffe sind.

    Regelungen zu finden, um Schadenswirkungen von Chemikalien langfristig abzubauen, hat sich bisher aber als sehr mühsam erwiesen. Stattdessen tobt ein harter Interessenskampf zwischen Politik und Industrie.

    Für Wamhoff steht jedoch fest, dass auf diesem Gebiet viel Panik erzeugt wird.

    ...und deshalb wenn irgend einer von Chemie und von ökologischer Chemie redet, dann zucken viele Menschen schon zusammen sagen du liebe Zeit, gehts schon wieder los.
    Für die ökologische Chemie geht es darum, eine sachliche Grundlage zu schaffen, um die Schädlichkeit einer Substanz exakt bewerten zu können. Dabei ist nicht die Giftigkeit einer Substanz das Problem, sondern wie sie sich auf Dauer in der Umwelt verhält. Die praktische Umsetzung ihrer Erkenntnisse ist für Braungart darum eine Quelle für Innovationen.

    Was wir jetzt kombinieren könnten mit der ökologischen Chemie, ist, dass wir nicht nur schöne Produkte machen, sondern das wir auch Produkte herstellen, die gleichermaßen gesund und umweltverträglich sind.

    Und so wie am Anfang des Faches eine mahnende Vision stand, bleibt es nach wie vor Aufgabe eines ökologischen Chemikers, Zukunftsperspektiven zu entwerfen, die Mensch, Umwelt und Chemie in Einklang bringt.

    Gerade in Deutschland, hat in den letzten 15 Jahren, praktisch keine Gesetzgebung stattgefunden, die wirklich Fortschritte schafft in Bezug auf echte Kreisläufe... in der Folge bedeutet dies, das wir eigentlich eine Industrie hier brauchen, wo wir echte Stoffkreisläufe schaffen, alles was sich verschleißt, wie Bremsbeläge, oder eine Schuhsohle, muss so geschafft werden, das es zurück in den biologischen Stoffkreislauf geht. Alles was genutzt wird, wie ein Fernseher, muss so gestaltet werden, dass es in den technischen Kreislauf zurückgeht... Solche Fragestellungen müssen wir uns vielmehr angucken und dafür haben wir jetzt eigentlich die Intelligenz und die Fähigkeiten da, und Friedhelm Korte hat dafür die Grundlagen gelegt.