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Erhellende Farbspiele

Physiologie. - Ob Denken ohne Sprache überhaupt möglich ist, ist eine ewige Diskussion unter Forschern. Britische und amerikanische Wissenschaftler haben untersucht, wie sehr Sprache die Wahrnehmung beispielsweise von Farben beeinflusst.

Von Kristin Raabe | 09.01.2007
    Für die Griechen ist Blau nicht gleich Blau. Für Dunkelblau haben sie ein eigenes Farbwort. Dunkelblau bildet für die Griechen quasi eine eigene Farbe. Für die Himba in Namibia ist dagegen Grün gleich Blau. In ihrer Sprache machen sie keinen Unterschied zwischen diesen beiden Farben. Und auch in ihrer Wahrnehmung gehören Grün und Blau in dieselbe Farbkategorie.

    Ian Davies von der Universität von Surrey hat sich intensiv mit der Farbwahrnehmung der Himba beschäftigt. Es scheint tatsächlich so zu sein, dass erwachsene Himba auch in ihrer Wahrnehmung kaum einen Unterschied zwischen Grün und Blau machen.

    "Im Gegensatz dazu können Babys der Himba Grün und Blau voneinander unterscheiden. Das spricht eher dagegen, dass bei den Himba eine andere Art der Farbwahrnehmung vererbt wird. Vielmehr scheint es so zu sein, dass durch den Erwerb der Sprache erst ein Unterschied zwischen den Himba und den Engländern oder auch den Deutschen entsteht."

    Viele Sprachen machen keinen Unterschied zwischen Blau und Grün. Immer beeinflusst dieser Umstand auch die Wahrnehmung seiner Sprecher. Ian Davies und seine Kollegin in Großbritannien und den USA wollten der Frage näher auf den Grund gehen. Dazu machten sie ein Experiment:

    "Man schaut auf einen Bildschirm. Der Hintergrund hat eine Farbe, und dann erscheint ein Kreis entweder in derselben Farbkategorie oder in einer anderen Farbe. Wir haben dann die Zeit gemessen, die die Versuchsperson brauchte, um zu entscheiden, ob der Kreis links oder rechts von einer Grenzlinie in der Bildschirmmitte erschienen ist."

    Das Ergebnis: Die Versuchspersonen reagierten schneller, wenn der Kreis in einer anderen Farbkategorie präsentiert wurde als der Hintergrund. Der Kategorieneffekt war aber stärker, wenn der Kreis im rechten Gesichtsfeld erschien. Die Informationen des rechten Auges werden in die linke Hirnhälfte projiziert, und dort sitzt auch das Sprachzentrum. Und das beeinflusst offenbar die Kategorisierung und Unterscheidung von Farben. In einem bislang noch nicht veröffentlichten Experiment testeten die britischen Forscher Personen, deren Muttersprache Griechisch war. Das Ergebnis: Sie bildeten zwei Farbkategorien für Dunkelblau und Hellblau, aber auch bei ihnen war dieser Kategorieneffekt im rechten Gesichtsfeld stärker.

    "Das lässt sich natürlich so interpretieren, als ob Sprache die Art und Weise beeinflusst, wie wir die Welt wahrnehmen. In jedem Fall bestätigen unsere Experimente die so genannte Whorf-Hypothese. Sie besagt, dass Sprache unser Denken beeinflusst. Wenn man Denken etwas weiter fasst, dann gehört natürlich auch die Wahrnehmung und das Gedächtnis dazu."

    Als Deutsche oder Briten können wir uns kaum vorstellen, wie eine Welt aussieht, in der Grün und Blau mehr oder weniger eine Farbe sind. Ein wenig scheint es so zu sein, dass die Dinge erst dann in erfassbaren Form für uns Menschen existieren, wenn wir ihnen einen Namen geben können.