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Erika Pluhar
Ein Leben mit Verlusten

Die Schauspielerin, Chansonsängerin, Regisseurin und Schriftstellerin Erika Pluhar wurde in diesem Jahr 75. Das Erste zeigt nun einen Dokumentarfilm über ihr abwechslungsreiches, mitunter tragisches Leben. Im Deutschlandfunk spricht sie über Verluste, das Älterwerden und ihre Sicht auf die Welt.

Erika Pluhar im Gespräch mit Sebastian Bargon |
    Die österreichische Schauspielerin und Sängerin Erika Pluhar, aufgenommen am Freitag (16.03.2012) auf der Leipziger Buchmesse.
    Die österreichische Schauspielerin Erika Pluhar. (dpa-Zentralbild / Arno Burgi)
    Sebastian Bargon: Erika Pluhar, ein Hauptthema, eigentlich auch ein Hauptthema Ihres Lebens mittlerweile ist, glaube ich, das Alter und auch der Abschied. Sie haben zwei Lebensgefährten und Ihre Tochter verloren. Ich bin selber Vater, habe zwei Töchter. Das wäre für mich undenkbar, ich könnte dann gar nicht mehr weiterleben. Wie haben Sie diese Verluste hingenommen? Wie haben Sie es geschafft, damit leben zu können?
    Erika Pluhar: Ja, vor allem das Schwerwiegendste war der Verlust meiner Tochter, aber da musste ich am Leben bleiben. Ob ich wollte oder nicht, denn ich habe davor ja meinen Enkel adoptiert. Das klingt ein bisschen komisch, er ist ein afrikanischer Mensch, ein Saharaui, ein nordafrikanischer, wunderschöner Mensch, den meine Tochter aufgezogen hat. Sie war seine Mutter, aber adoptiert habe ich ihn. Deswegen heißt er auch Ignaz Pluhar und das wollte Sie irgendwann. Vor allem auch in der Zeit als ihr Vater so sehr in die Presse kam mit dem ihm zugesagten sechsfachen Mord usw. In Österreich war der Name Proksch unglaublich verrufen. Und da hat Sie gesagt, Erika willst nicht Du ihn adoptieren? Als Sie dann starb, dachte ich mir das war so eine unbewusste, sehr weise Voraussicht bei ihr.
    Denn natürlich ist auf diesem Sektor alles leichter, weil der Ignaz ja mein Sohn ist, obwohl ich absolut seine Oma bin. Er nennt mich Oma, aber vor dem Gesetz ist er mein Sohn.
    Das Leben: Eigentlich eine Zumutung
    Bargon: Ich würde gerne mit Ihnen über das Alter, das Altern sprechen. Ich sehe Sie vor mir, immer noch eine wunderschöne Frau. Aber jede Falte ist echt. Wir leben in einer Zeit, meine Töchter gucken diese furchtbaren Sachen, da geht es um Schönheitswahn, Jugendkult. Sie, glaube ich, sind auch nicht ganz uneitel. Und doch war das nie ein Thema für Sie, eine Schönheits-OP oder Botox, solche Sachen?
    Pluhar: Ich finde, dass man dann hinterher fürchterlich aussieht, also diese Glätte, die dann erzeugt wird. Die empfinde ich bei Frauen, wo das so offensichtlich ist, dass das passiert ist. Da denke ich mir immer: Es entstand nichts Schönes, es entstand etwas sehr Ausdrucksloses eigentlich. Und ich bin da viel zu neugierig, ich möchte doch sehen, wie das sich bei mir verändert, solange ich am Leben bin. Natürlich bin ich nicht uneitel, aber dem Alter auf diese Weise beikommen zu wollen, indem man sich eine künstliche Glätte oder künstliche wulstige Lippen... da entstehen ja zum Teil wirklich gruselige Sachen, nein! Außerdem: Es wär viel zu anstrengend, so eine Operation. Tut auch weh, und wozu? Ich bin froh, nicht operiert werden zu müssen und möchte einfach in Würde alt werden. Das ist für mich Würde, wenn man einfach zu dem steht, was das Leben auf einen schreibt.
    Was es einem an Zeichen schenkt, würde ich fast sagen.
    Über das Alter, dass ich alt werde, denke ich kaum nach. Wenn, dann drängen sich mir natürlich jetzt viel mehr als in der Jugend Gedanken an die Endlichkeit auf. Das ist aber ganz was anderes, das betrifft uns ja alle. Wie zu jeder Zeit kann ein Leben enden und das habe ich am Leben meiner Tochter erlebt. Das hat nichts mit Alter zu tun, sondern mit Endlichkeit. Dazu kommt auch noch, dass man im Älterwerden sich sehr der Gegenwart bewusst werden muss, weil natürlich die Zukunft schrumpft. Ich kann jetzt nicht mehr sagen: Also in fünf Jahren mache ich einen tollen Film, das geht nicht. Weil ich nicht weiß, was in fünf Jahren, wenn ich 80 bin, was da los ist.
    Wenn man jung ist, sagt man: Das geht jetzt nicht, dann mach ich das dann. Und um die nächste Ecke kommt auch noch das Glück. Das ist nicht mehr der Fall. Aber das muss man akzeptieren und das muss man auch akzeptieren, wenn man meint, sich künstlich jugendlich operieren lassen zu können. Das mit der Endlichkeit lässt sich nicht wegoperieren, dass unser Menschenleben endlich ist. Ich sag ja sehr oft zu mir, oder im Gespräch, das unser Menschenleben eigentlich eine Zumutung ist. Aber in diesem Wort steckt Mut.
    Bargon: Im Film der ARD "Erika Pluhar - Trotzdem. Mein Leben" gibt es eine Stelle, da sagen Sie: "Natürlich kenne ich Depressionen. Ich kenne es, wie es ist, wenn man morgens nicht aus dem Bett gehen will." Wie motiviert man sich als älter werdender Mensch, der manchmal keine Lust hat? Gibt es in dem Film eine Botschaft, einen Mutmacher für Menschen in einer ähnlichen Situation?
    Altwerden: "Es bedarf wirklich auch einer Lebenskraft"
    Pluhar: Nein, missionarisch will ich nie sein. Es gibt so viel Literatur, die den Menschen quasi Mut machen soll und schöne Ratschläge und Ratgeber und so weiter. Damit hat das gar nichts zu tun. Aber auch da muss ich sagen, das hat wirklich nichts mit meinem Alter zu tun. Ich war auch in jungen Jahren immer und sehr oft ein depressiver und melancholischer Mensch. Aber ich war nie depressionskrank, das ist ja ein großer Unterschied. Weil dann kommt man wirklich nicht mehr aus dem Bett und nicht mehr aus dem Haus. Das ist eine schwere, schwere Krankheit. Ich war nur als junges Mädchen magersüchtig. Ich hatte eine wirklich ganz gefährliche Anorexie, also nicht die Bulimie, wo man kotzt, sondern ich habe einfach nichts mehr gegessen. Und das ist auch dichtest mit Depression verbunden. Ich werde auch immer wieder eingeladen, um über Depression zu sprechen. Eben aufgrund meiner Erfahrungen mit den Essstörungen. Aber das hat sich nicht im Alter so sehr verstärkt. Ich musste immer schon um meine Lebensfreude ringen, aber dann, wenn ich sie errungen habe, ist sie wirklich da. Und der Titel des Filmes, der gefällt mir. Weil das ist wirklich ein Begriff, der mich begleitet. Dieses Trotzdem, das hatte ich auch schon nötig, würde ich sagen, in jüngeren Jahren. Ich will weder das Altwerden jetzt beschönigen zu: Ja, das ist eh nicht so arg und da kommt was Neues das ist eh ganz schön, also weder ist es ein Wolkenkuckucksheim, aber es bedarf wirklich auch einer, wenn Kopf und Körper gesund sind - einer Lebenskraft. Auch neuer Einsichten. Wenn wir über Endlichkeit reden, wenn wir über unser menschliches Dasein reden, wenn wir über Zukunft reden. All das sollte man im Älterwerden wirklich überdenken und vor allem - ähnlich wie bei der Trauer - nicht davonlaufen, sondern es durchwandern. Es sind schon so viele vor mir alt geworden und gestorben. Ich werde es auch irgendwie schaffen! (lacht)
    Irdisch und endlich
    Bargon: Gibt es einen Idealtod, den Sie sich vorstellen, oder nehmen Sie es wie es kommt und keine Ahnung was passiert?
    Pluhar: Ich werde es so nehmen müssen, wie es kommt. Es gibt ein Wiener Lied von mir das heißt "Schaun mer halt amal, dann wern mers schon sehen". Ich lege mir da nichts zurecht. Auch meine Tochter, die lebt in mir. Nicht oben auf einer Wolke oder im Himmel, auch nicht im Grab. Da gibt es die Erinnerung, die ist ganz stark. Und wenn ich einmal tot bin, was dann mit mir ist, das ist mir eigentlich egal. Weil nichts ist auch schön - gemessen am Schmerz, den man erleiden kann im Leben. Also da wünscht man sich nichts, wenn es ganz schlimm zugeht im Leben. Also, wenn nix ist, dann ist nix und wenn etwas ist, na bitte. Entweder nimmt man es wahr oder nimmt es nicht wahr. Da beschränke ich mich auf das Hiersein und auf unser irdisches Dasein.
    Bargon: Sie sind auch politisch engagiert gewesen, wenn Sie sich das jetzt mal anschauen, was in Europa passiert, was in Afrika passiert. Man denkt doch irgendwie, die sind alle verrückt geworden, oder?
    Pluhar: Die Fundamentalismen haben uns so im Griff. Jeder Mensch kann Moslem sein, egal -, aber der Islamismus ist eine so große Gefährdung. Auch die Tatsache, dass Diktaturen wieder aufblühen können neben uns. Und die Welt mit all ihrem Einspruch kann nichts dagegen tun. Und dann ist es die Moslem- Brüderschaft in Kairo und da sterben die Menschen. Und in Kiew sterben die Menschen und... Afrika ist ein Desaster und auch eben die Situation der Frau. Wenn man es sich weltweit anschaut, dann leben Frauen ganz grauenvoll. Wenn man sich diese Vergewaltigungen in Indien anschaut und diese Klitoris- Beschneidungen und alles bleibt und Frauen werden von ihrer eigenen Familie ermordet, wenn sie da nicht irgendwelchen idiotischen Gesetzmäßigkeiten folgen, die da aufgestellt werden. Und alles immer im Namen Gottes. Das macht mich überhaupt... das macht mich nahezu wirklich wütend. Jeder hat seinen Gott und glaubt, mit dem kann er umgehen und der sagt es jedem anders. Nein, also ich bin wirklich sehr betrübt, was den Zustand der Welt betrifft, ja.
    Bargon: Da kann man eigentlich depressiv werden, wenn man sich das anguckt. Da braucht es Kraft oder einen Glauben um dagegen anzukommen. Was ist da Ihre Quelle?
    Pluhar: Ich habe da jetzt nicht so irgendeinen Glauben. Sondern meine Quelle ist dann doch zu erkennen, was für wunderbare Menschen es gibt. Und was Menschen erschaffen können. Wirklich, auf künstlerischem Weg. Was Menschen auch erfinden können und wie großartig der Mensch eigentlich auch sein kann. Nur unsere Spezies ist fürchterlich.
    Der Dokumentarfilm "Erika Pluhar - Trotzdem. Mein Leben" läuft am Dienstag, 4. März 2014, um 22.45 Uhr in der ARD.