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Erneuerbare Energien
Paradigmenwechsel im Eiltempo

Mit der Reform des Erneuerbaren Energien Gesetzes, kurz EEG genannt, soll der Anstieg der Strompreise für die Verbraucher eingedämmt werden. Zudem soll der Ausbau der erneuerbaren Energien mit dem Ausbau der Stromnetze in Einklang gebracht werden. Nicht nur das Eiltempo, mit dem das Gesetz beschlossen worden ist, stört die Opposition.

Von Nadine Lindner | 08.07.2016
    Die Sonne geht in Berlin hinter Windrädern nahe dem Autobahndreieck Pankow auf.
    Der Ausbau von Wind- und Sonnenenergie soll neu geregelt werden. (dpa-Bildfunk / Paul Zinken)
    "Wir wollen die Energiewende nicht stoppen, sondern steuern." Mit dieser Maßgabe ging Georg Nüßlein, Vize-Fraktionschef der CDSU heute in die Debatte. Nüßlein gehörte zu den Abgeordneten, die maßgeblich die Reform des Erneuerbaren Energien Gesetzes, kurz EEG mitausgearbeitet hatten.
    Der deutschen Energiepolitik steht mit der Reform ein tief greifender Paradigmenwechsel bevor. Denn der Ausbau des Stroms aus Wind, Sonne oder Biomasse wird von festen Fördersätzen auf das sogenannte Ausschreibungsmodell umgestellt. Johann Saathoff, Abgeordneter der SPD, hat gleich zu Beginn der Debatte die wichtigsten Punkte zusammengefasst: "Die Synchronisation des Ausbaus der erneuerbaren Energien mit dem Ausbau des Netzes in Deutschland. Das muss miteinander in Einklang gebracht werden zu dem Ausbaustand, den wir derzeit in Deutschland haben. Das Instrument dazu ist die Ausschreibung, der Einstieg in das Ausschreibungs-Regime."
    In diesem Modell können sich Produzenten von Wind- oder Sonnenstrom auf freie Kapazitäten bewerben. Derjenige, der den günstigen Preis anbieten kann und damit am wenigsten staatliche Subventionen braucht, soll den Zuschlag bekommen. Kleine Bürger-Energie-Gesellschaften, die zur Hälfte die Produktion des grünen Stroms in Deutschland tragen, sollen nicht benachteiligt werden. Sie bekommen eine Schutzklausel. Ziel des Ausschreibungsmodells ist es, dass die EEG-Umlage für Stromkunden weniger schnell ansteigt, das ist eine erhoffte Steuerungswirkung.
    Harte Kritik der Opposition
    Das Prinzip der Synchronisation mit dem Netzausbau, bedeutet, dass nur noch so viel Strom aus erneuerbaren Quellen produziert werden soll, wie auch durch die Stromnetze abtransportiert werden kann. Damit will man verhindern, dass für sogenannten Phantomstrom, also ungenutzten grünen Strom, die EEG-Umlage bezahlt werden muss. Das könnte den Ausbau der Offshore-Windkraft vor allem in der Nordsee treffen. In den kommenden fünf Jahren sollen neue Windräder fast nur noch in der Ostsee entstehen.
    Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, SPD, der auch für Energiepolitik zuständig ist, verteidigte die tief greifende Reform: "Wir beenden jetzt das EEG, wie wir es kennen, es ist auch dringend nötig. Denn das EEG war ein Technologie-Fördergesetz für eine Nischentechnologie. Jetzt sind die Erneuerbaren die bestimmende Säule im Strommarkt."
    Der Anstieg des Anteils von Solar, - Windkraft, und Biomasse-Strom soll bis zum Jahr 2025 auf 40 bis 45 Prozent steigen, das ist der sogenannte Ausbaukorridor. Derzeit sind es 33 Prozent.
    Die Opposition übte in der teils leidenschaftlich geführten Debatte harsche Kritik an den Plänen der Großen Koalition. Die Ausbaudynamik der Erneuerbaren werde abgewürgt, so die Sorge. Eva Bullling-Schröter fürchtet durch die EEG-Reform sogar um den deutschen Klimaschutz: "Das EEG war bislang das erfolgreichste Klimaschutz-Instrument Deutschlands. Man muss sagen: WAR. Denn diesen Erfolg gefährden sie nun."
    Im Eiltempo vor der Sommerpause durch das Parlament
    Die Grünen verwiesen vor allem auf die Kopplung von Grün-Strom-Produktion und Netzausbau – es sei falsch, dass nun der langsamere Akteur das Tempo bestimme. Stattdessen schlägt der grüne Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter einen anderen Weg zur Bekämpfung der Überproduktion vor: "Denn was verstopft denn die Netze, das ist der Kohlestrom. Man könnte einfach einen Ausstiegsplan auf dem Kohlestrom machen."
    Die Opposition kritisierte zudem harsch, dass die Reform im Eiltempo durch das Parlament gepeitscht wurde. Umfangreiche Änderungen seien den Abgeordneten viel zu spät zugestellt worden.
    Noch am Nachmittag soll in einem Schnellverfahren mit verkürzter Frist auch der Bundesrat über das umfangreiche Gesetzespaket entscheiden. Die Länder können die EEG-Reform zwar verzögern, aber nicht mehr stoppen. Es sind die letzten Sitzungen von Bundestag und Länderkammer vor der Sommerpause. Die EU-Kommission muss der Gesetzesänderung im Rahmen eines Notifizierungsverfahrens ebenfalls noch zustimmen. Die neuen Regeln sollen ab 2017 in Kraft treten.