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Glyphosat
Österreichs Totalverbot polarisiert

Schluss mit Glyphosat auf Österreichs Äckern: Das Land hat als erstes in der EU den Einsatz des umstrittenen Unkrautvernichtungsmittels untersagt. Österreich sieht darin auch ein Zeichen an die EU. Möglicherweise verstößt Wien damit aber gegen EU-Recht.

Von Clemens Verenkotte | 03.07.2019
Die Verpackung eines Unkrautvernichtungsmittel, das den Wirkstoff Glyphosat enthält.
Für österreichische Landwirte künftig tabu - der Einsatz von Glyphosat (dpa / picture alliance / Patrick Pleul)
Außerordentlich zufrieden mit der Entscheidung des Nationalrates zeigen sich Österreichs Umweltverbände. Das mit großer parlamentarischer Mehrheit verabschiedete Totalverbot von Gylphosat sei "ein historischer Meilenstein für den Schutz von Umwelt und Gesundheit", so der Glyphosat-Experte bei Greenpeace Österreich, Sebastian Theissing-Matei. Die Europäische Kommission, die nun drei Monate Zeit für einen Einspruch gegen die österreichische Entscheidung hat, habe in der Vergangenheit die Möglichkeit nationaler Verbote zugesichert. Dieses Versprechen dürfe die Kommission nun nicht brechen. Helmut Burtscher von der Umweltorganisation Global 2000 lobte im ORF das Votum des Nationalrats:

"Es ist in der Tat so, dass Österreich eine Vorreiterrolle hat und dass das auch ein wichtiges Signal nach Europa ist, dass ein Land eine politische Entscheidung getroffen hat. Dass der Schutz im Zweifel - ich sage mal Zweifel, weil die WHO Krebsforschungsagentur gesagt hat, dass es bei Menschen wahrscheinlich krebserregend ist und die Behörden dem widersprochen haben - kann man aus politischer Sicht und soll man das Vorsorgeprinzip anwenden. Ich persönlich, der sich die Studien angeschaut hat, habe diese Zweifel nicht."
Konservative ÖVP und Landwirtschaft kritisieren das Verbot
Mit Ausnahme der konservativen Volkspartei hatten sich am Dienstag alle im Parlament vertretenden Parteien für ein komplettes Verbot des umstrittenen Pflanzenschutzmittels ausgesprochen, auch die rechtspopulistische FPÖ, die bis Mitte Mai auf den Regierungsbänken saß. Seit der Abwahl der Minderheitsregierung des damaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz wird Österreich bis zu den Neuwahlen am 29. September von einer Übergangsregierung regiert. Im Parlament gibt es bis zu diesem Zeitpunkt keine Regierungs- oder Oppositionsparteien. Für die Volkspartei begründete deren Abgeordneter Klaus Lindinger das Nein zum Totalverbot des bis Ende 2022 von der EU zugelassenen Gylophosat mit den Worten:
"Ein Totalverbot ist nicht rechtskonform. Das ist reiner Populismus in dem Wissen, einen Antrag einzubringen, der rechtswidrig ist, ist eine reine Wählertäuschung, die Sie hier in dem Haus durchführen."
Verbot könnte sich auf Wettbewerbsfähigkeit auswirken
Wie die ÖVP, so verwiesen auch Vertreter der österreichischen Landwirtschaft auf die erst Anfang dieser Woche veröffentlichte Studie der Universität für Bodenkultur hin: Danach sei ein generelles Gylphosat-Verbot nicht möglich, da der Wirkstoff wissenschaftlich nicht ein größeres Problem sei, als andere in der EU zugelassene Pflanzenschutzmittel. Teilverbote, etwa im Obst –und Weinbau, seien möglich. Manfred Weinhappel, Leiter der Abteilung Pflanzenschutz von der Landwirtschaftskammer Niederösterreich, bewertete die Parlaments-Entscheidung so:
"Zum einen: Einmal ist dieses Totalverbot sicherlich ein Einschnitt in die Bewirtschaftungsweise der landwirtschaftlichen Betriebe. Es ist sicherlich auch ein Einschnitt in die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Landwirtschaft als solches und ich glaube, das hat auch eine Dimension über die Landwirtschaft hinaus."
In Österreichs Medien fand das Gylophosat-Verbot unter anderem deswegen keine übermäßige Beachtung, weil im Parlament, das keine festen Koalitionen mehr kennt, vor der Sommerpause eine Vielzahl von Gesetzen verabschiedet werden. In einem Kommentar des "Standard" hieß es, dass das Verbot zwar populär sei, doch ein Einschreiten Brüssels sei wahrscheinlich.