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Erster Weltkrieg
Ausstellung kriegsverherrlichender Spiele

In den frühen Jahren des Ersten Weltkriegs haben Spielehersteller versucht, das Schlachtfeld ins heimische Wohnzimmer zu holen. In Kassel zeigt die Ausstellung "Krieg ist kein Spiel!" im Museum für Sepulkralkultur Brett- und Kartenspiele aus dieser Zeit.

Von Jakob Epler | 04.08.2014
    Nachdem am 1. August 1914 durch Kaiser Wilhelm II. die allgemeine Mobilmachung verkündet worden ist, ziehen deutsche Soldaten in den Krieg.
    Jene euphorische Grundhaltung, welche die deutschen Soldaten während der allgemeinen Mobilmachung zum Ersten Weltkrieg ausstrahlten, spiegelte sich auch in den Brettspielen ihrer Familien zuhause wider. (dpa picture alliance)
    "Wenn Euch Vater oder Bruder von den Kämpfen und Siegen unserer braven Soldaten erzählt, da habt ihr doch sicher alle den Wunsch, auch einmal Kampfesfreude und Siegesjubel, aber auch Leiden und Entbehrungen eines Krieges durchkosten zu dürfen. In diesem Spiel wird euer Wunsch erfüllt."
    Der Spielesammler Dieter Mensenkamp liest aus der Anleitung des "Völkerkriegs". Das Brettspiel wurde während des Ersten Weltkriegs in den Umlauf gebracht. Wer den "Völkerkrieg" spielte, musste sich - bewaffnet mit Würfel und Zinnfigur - durch die 100 Felder des Spielplans kämpfen.
    "Man kommt an den verschiedensten Kriegsschauplätzen vorbei, wo einmal die Artillerie kämpft, aber auch Luftschiffe sind zu sehen und es werden auch manchmal Kirchen getroffen. Ganz oben zu sehen zum Beispiel, da brennt ein Dorf lichterloh und - ja, an diesem Kriegsschauplatz da endet dieses Spiel dann."
    Spiele als kulturhistorische Zeugnisse
    Etwa 60 solcher Spiele aus Dieter Mensenkamps Sammlung zeigt das Kasseler Museum für Sepulkralkultur. Es ist nur ein kleiner Teil aus Mensenkamps Sammlung. In seinen Regalen liegen über 4.000 Spiele aus 400 Jahre und zu allen möglichen Themen. Er selbst spielt eigentlich nicht so gerne. Ihn interessierten die Spiele aus einem anderen Grund.
    "Spiele sind ja immer ein kulturhistorisches Zeugnis und alles, was die Menschen interessiert hat, das wurde auch in Spielen verarbeitet."
    In den Kasseler Vitrinen liegen nun Titel wie "Der Luftkrieg" oder „Im Schützengraben" neben "Der Weltkrieg zur See" und "O welche Lust Soldat zu sein". Sie sind bunt illustriert, zeigen Luftschiffe, die Bomben werfen, Dragoner mit Pickelhaube und mächtige Kanonen, die "Unsere Brummer" heißen. Prof. Dr. Reiner Sörries ist der Direktor des Museums für Sepulkralkultur.
    "Es war schon die Intention, etwas von diesem Kriegsgeschehen an der Front in der Heimat nachzuspielen, um den Menschen die Möglichkeit zu geben, an diesem Krieg teilzuhaben."
    Reißender Absatz während des Ersten Weltkrieges
    Das erscheint aus heutiger Sicht als merkwürdig makaberer Zeitvertreib, fand bis in die ersten Weltkriegsjahre hinein aber reißenden Absatz. Die Hälfte der Spieleproduktion habe damals aus Kriegsspielen bestanden, sagt Dieter Mensenkamp. Dabei ist es nicht unbedingt das Spielprinzip, das sie zum Kriegsspiel macht, erklärt Museumsdirektor Reiner Sörries.
    "Das waren von der Spielidee her ganz bekannte Dinge: Laufspiele oder auch Quartette und die wurden aber mit dem Kriegszusammenhang unterlegt, weil die Spieleindustrie eben glaubte, dass sich die Spiele dann besser verkaufen lassen und so hat man dann versucht, das Weihnachtsgeschäft 1914, 1915 mit diesen neuen Spielideen zu beleben."
    Die deutsche Spieleindustrie war Anfang des 20. Jahrhunderts stark exportorientiert. Da wurde der Markt nach Beginn des Ersten Weltkriegs natürlich ziemlich eng. Die bunten Kriegsspiele schafften es dann tatsächlich, den Umsatz im Inland anzukurbeln.
    "Das lag natürlich auch daran, dass die Bevölkerung auch schon längst über Medien, über Schulunterricht, über Veranstaltungen natürlich auf diesen Krieg vorbereitet war, ein stückweit vielleicht sogar kriegswillig oder kriegsbegierig war: 'Jawoll, jetzt zeigen wir es den Feinden endlich mal'. Und in dieses Klima kommen dann diese Spiele natürlich wie gerufen und haben dann automatisch auch ihren Absatz."
    Kriegsspiele förderten den Patriotismus
    Es ging aber nicht nur ums Geld. Gesellschaftsspiele verbreiteten patriotische Ideen und soldatische Ideale. Die Darstellung Deutschlands als überlegene Kriegsmacht verstärkte den Glauben an den Sieg, und der Krieg erschien als Spiel nur halb so schlimm.
    Man darf jetzt auch nicht sagen, die Spieleindustrie habe den Krieg herbeispielen lassen. Die Spiele haben den Krieg nicht herbeigeredet. Aber sie wurden dann trotzdem Teil dieser geistigen Mobilmachung.
    "Da habt ihr doch sicher alle den Wunsch, auch einmal Kampfesfreude und Siegesjubel, aber auch Leiden und Entbehrungen eines Krieges durchkosten zu dürfen."
    Schrecken des Krieges sorgte für sinkenden Absatz
    Dieser Wunsch hatte sich jedoch für viele ab Winter 1916 erledigt. Der ursprünglich als kurzer, schneller Siegeszug gedachte Krieg zog sich nun schon eine ganze Weile. Dazu kam, dass die Realität der Schützengräben und des Gaskriegs auch bei den daheim Gebliebenen ankam.
    "Es waren zwar keine Kriegshandlungen auf deutschem Boden, aber die Versorgungslage, Essen war knapp, die Männer waren alle an der Front, die Frauen kriegten dann die Todesnachrichten von Männern Vätern und Geschwistern. Das hat dann die Bevölkerung natürlich schon mitbekommen und da verlor man dann auch Lust, das nachzuspielen."