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Erwerb der Mann'schen Villa
"Eine Chance, die man sich nicht entgehen lassen darf"

Die kalifornische Villa, in der Thomas Mann von 1942 bis 1952 lebte, steht zum Verkauf. Derzeit verhandelt die Bundesregierung über den Preis. Das Haus sei mehr als ein Ort des Gedenkens, sagte Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt für Auswärtige Kulturpolitik, im DLF. Der Kauf trage dazu bei, den transatlantischen Dialog zu stärken.

Maria Böhmer im Gespräch mit Antje Allroggen |
    Außenansicht des ehemaligen Wohnhauses des Schriftstellers Thomas Mann in Los Angeles, aufgenommen in den 1980er-Jahren
    Das ehemalige Wohnhaus des Schriftstellers Thomas Mann in Los Angeles (imago / PEMAX)
    Antje Allroggen: Thomas Mann lebte 14 Jahre in Amerika. Seine amerikanischen Jahre waren erfolgreiche Jahre, in denen der Schriftsteller, der wegen des Nazi-Regimes 1938 in die USA geflohen war, viel von Amerika sah und erlebte und auch auf viel Zuneigung stieß. Deshalb war das Exil ihm auch eine Heimat – "Wo ich bin, ist Deutschland". Das gelang nur wenigen der 132.000 deutschen Intellektuellen, die vor den Nazis geflohen und in die USA emigriert waren. Thomas Mann führte auch in Amerika ein Leben auf großem Fuße.
    Unter einer Villa ging es für ihn Zeit seines Lebens nicht. Auch nicht in Los Angeles, wo er von 1942 bis 1952 lebte und sich dort vom Bauhaus-Architekten Julius Ralph Davidson einen modernen Wohnsitz errichten ließ. Die Villa stand in diesem Sommer zum Verkauf. 15 Millionen US-Dollar wollte der Immobilienmakler dafür haben. Es gab sogar die Option, das alte Haus für einen Neubau abreißen zu dürfen. Nun scheint die Mann'sche Villa so gut wie gerettet. Die deutsche Bundesregierung will sie erwerben. Noch ist der Kaufprozess nicht beendet. Und nicht nur das, auch das seit 2009 leer stehende sogenannte New Yorker Goethe-Haus, in dem sich einst das Goethe Institut befand, soll wieder mit Leben gefüllt werden.
    Maria Böhmer ist Staatsministerin im Auswärtigen Amt für Auswärtige Kulturpolitik, und ich habe sie gefragt, wie weit die Verkaufsverhandlungen zwischen Deutschland und dem Makler bei der Thomas-Mann-Villa inzwischen gediehen sind.
    Maria Böhmer: Wir sind, glaube ich, auf einem guten Wege. Das Entscheidende war ja, dass wir ein ganz breites Votum dafür haben, in der Gesellschaft, aber auch innerhalb der Bundesregierung, die Thomas-Mann-Villa zu kaufen. Ich finde, das ist eine einmalige Chance, ein solches Haus, einen solchen Ort der Literatur im Exil, der Begegnung zu erwerben und damit wieder einen lebendigen Debattenort an der Westküste zu haben, und das ist auch etwas, was sich verbindet mit unserem Gedanken, dann eine Zusammenarbeit herzustellen mit der Villa Aurora. Das ist ja die ehemalige Villa von Lion Feuchtwanger.
    Allroggen: Es gab eine Online-Petition der Gesellschaft für Exilforschung, die von Herta Müller mitformuliert wurde. Davor gab es ja auch schon einige Versuche, die Villa in eine Kulturstiftung umzuwandeln, die eher gescheitert sind. Hat diese Petition jetzt den Ausschlag gegeben für das Engagement?
    Böhmer: Sie hat uns darin bestärkt. Aber die Überzeugung war bei uns ganz klar vorhanden und auch unterstützt noch einmal von Mitgliedern des Deutschen Bundestages, wenn sich so eine Chance bietet, das Haus, das mit Thomas Mann verbunden ist und seiner Familie, aber auch natürlich mit den vielen, die Deutschland verlassen mussten, die im Exil waren, die ihr literarisches Schaffen dann in dieser Region in den USA fortsetzten, dass das eine Chance ist, die man nicht vergehen lassen darf, sondern da muss man einfach zugreifen.
    "Es soll ein Platz des Austausshs werden"
    Staatsministerin im Auswärtigen Amt für Auswärtige Kulturpolitik, Maria Böhmer, im Porträt.
    Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt für Auswärtige Kulturpolitik, versteht die Thomas-Mann-Villa in L.A. als Ort des kulturellen Austausches. (picture alliance / dpa)
    Böhmer: Ich verstehe Sie richtig, dass Ihnen eine Nutzung vorschwebt für einen transatlantischen Diskurs, ähnlich - Sie haben es gerade auch schon erwähnt - wie es bei der Villa Aurora ja auch der Fall ist. Trotzdem hat Außenminister Steinmeier in einer Rede, die er vor wenigen Wochen hielt, von Räumen gesprochen, Räumen, die es zu erhalten gelte. Ist damit auch erst mal nur ein Gedenkort gemeint, frei nach dem Motto, hier hat Thomas Mann zehn Jahre seines Lebens im Exil verbracht?
    Böhmer: Ein Gedenkort wäre zu wenig. Noch dazu muss man bedenken, dass ja kaum noch Inventar da ist, weil diese Villa über Jahre hinweg, Jahrzehnte hinweg von einer Familie genutzt worden ist. Aber es soll ein Platz des Austauschs werden. Es soll auch verknüpft sein mit der Villa Aurora. Dort wird ja ein sehr intensives Residenzprogramm gepflegt. Und da die Entfernung zwischen beiden Objekten eine sehr geringe ist, glaube ich, bietet sich das an. Das stärkt einfach den transatlantischen Dialog und ich glaube, in einer Zeit, wo wir vor neuen Herausforderungen stehen - wir leben in einer Welt der Globalisierung, der Digitalisierung, das heißt einer Welt der Vielfalt -, ist ein solcher Ort besonders kostbar.
    "Ein Ort, wo man Brücken baut"
    Allroggen: Noch mal nachgefragt. Die Zusammenarbeit mit der Villa Aurora, wie könnte das konkret aussehen? Wäre da so eine Art Zweigstelle jetzt die neue Villa?
    Böhmer: Nein, ich würde das nicht als Zweigstelle bezeichnen. Aber ich glaube, ganz wichtig ist, dass wir dort einen Ort haben, wo man Brücken baut, wo man Kontakte nutzt, wo man die Kreativität, die Künstler und Intellektuelle mitbringen, auch verorten kann. Und dann darf ich sagen, das passt auch genau in die Zeit, in der wir darüber jetzt nachdenken und sehr konkret geworden sind, an der Ostküste der USA, in New York mit einem Haus, was Deutschland gehört, das in der Fifth Avenue liegt, und insofern den transatlantischen Dialog an zwei Orten in den USA zu verstärken, in New York und in Pacific Palisades. Das ist, glaube ich, noch mal ein klares Zeichen, was wir damit senden wollen.
    Allroggen: Was für ein Zufall. Lassen Sie uns noch über diese leere Immobilie in New York sprechen. Hier soll ein deutsch-amerikanisches Kulturinstitut entstehen, das bislang noch unter dem Titel German American Centre firmiert. Wie soll sich denn dieses Centre von der künftigen Nutzung des Thomas-Mann-Hauses gemeinsam mit der Villa Aurora unterscheiden? Oder sind Kooperationen schon angedacht?
    Böhmer: Ich würde es zunächst jetzt einmal eigenständig sehen. Das Haus in der Fifth Avenue, das soll ein Haus der offenen Tür sein. Aber wir wollen auch anknüpfen an das, was in der Vergangenheit dort geschehen ist. Und wenn ich Namen höre wie Hannah Arendt, Günter Grass oder Ingeborg Bachmann, dann sind das große Deutsche, die dort diskutiert haben, die dort verortet waren, und hier anzuknüpfen, unter neuen Vorzeichen einen Ort der Kreativität, der Innovation, des Austauschs, des Brückenschlages zu gestalten, das ist der große Reiz und wir verbinden das mit der Überschrift "German Academy".
    Allroggen: Und die Wirtschaft sei auch willkommen, heißt es, um den erlahmten transatlantischen Diskurs wiederzubeleben. Was meint man denn damit?
    Böhmer: Wir wollen dort ja einen Intendanten haben, der für die German Academy dann kreative Verantwortung trägt, und natürlich ist das Haus auch offen, wenn die Wirtschaft sagt, wir würden dort gerne eine Veranstaltung durchführen und anderes. Und wir laden ja auch Sponsoren ein.
    "Wir müssen uns ganz neuen Herausforderungen stellen"
    Allroggen: Dann frage ich Sie jetzt auch noch mal als langjährige Staatsministerin für Integration. Wäre es statt eines Schulterschlusses mit der Wirtschaft inzwischen nicht eher angebracht, sich sozusagen unter alten Freunden über neue demokratische Konzepte auszutauschen? Wäre das nicht auch im Sinne Thomas Manns gewesen, Amerika, das für ihn doch gleichbedeutend mit dem Sieg der Demokratie über totalitäre Systeme gewesen ist?
    Böhmer: Ich glaube, dass diese Begegnungen sich ja nicht nur konzentrieren, wie Sie es eben andeuten, auf die Wirtschaft, sondern im Gegenteil: Es ist ja ein Ort der kulturellen Begegnung, der wissenschaftlichen Begegnung, wo auch Politik sich dann in diesen Dialog einbringt.
    Ich glaube auch, dass an einer Person dieser Austausch noch einmal besonders deutlich geworden ist. Als Bundesminister Steinmeier jetzt Ende September das Konzept in New York vorstellte und sehr viel Resonanz fand, war Henry Kissinger dabei, und Henry Kissinger steht ja für den Weg von Deutschland in die USA und das Ausstrahlen des Wirkens, und ich glaube, wenn wir solche Unterstützung haben, dann zeigt das, der Brückenschlag zwischen Deutschland und den USA ist wirklich eine Basis für die weitere Stärkung der transatlantischen Beziehungen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.