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"Es geht darum, Leben zu schützen"

Julia Klöckner (CDU), Vorsitzende der "Stammzell-AG" der Unionsfraktion im Bundestag, hat einer Liberalisierung des Stammzellgesetzes eine klare Absage erteilt. Um embryonale Stammzellen zu gewinnen, müssten Embryonen getötet werden. Dies verstoße klar gegen die Grundgesetzleitlinie zum Schutz des Lebens. Deutschland sei bei der adulten Stammzellforschung ganz vorne, betonte Klöckner, deshalb müsse man sich darauf konzentrieren.

Moderation: Jürgen Liminski | 19.09.2007
    Jürgen Liminski: Auf der Fraktionstagung der Union wurde gestern auch das Thema embryonale oder Embryonen vernichtende Stammzellforschung diskutiert. Die Union ist in dieser Frage, die immerhin Leben und Tod betrifft, zerstritten. Die Befürworter einer ungehemmten Stammzellforschung wollen eine Gesetzesänderung und haben Befürworter in der Regierung, möglicherweise sogar die Kanzlerin. Die Gegner einer ungehemmten Forschung haben sich in einer Stammzell-AG zusammen getan und ihre Vorsitzende ist Julia Klöckner. Sie ist nun am Telefon. Guten Morgen!

    Julia Klöckner: Guten Morgen, Herr Liminski!

    Liminski: Frau Klöckner, Bundesforschungsministerin Annette Schavan hat beim Thema Stammzellforschung Druck von der eigenen Basis bekommen. Beim Kreisparteitag ihres Wahlkreis Alb-Donau/Ulm haben die Delegierten am Wochenende mit überwältigender Mehrheit ein Absage an eine Liberalisierung des Stammzellgesetzes beschlossen. Stattdessen solle die Politik die Forschung an adulten Stammzellen fördern. Die Basis ist also auf Ihrer Seite, der Seite der Stammzell-AG. Haben Sie auch in der Fraktion eine Mehrheit?

    Klöckner: Das kann ich Ihnen so nicht sagen. Wir haben nämlich keine Abstimmung durchgeführt. Aber es zeigen sich klare Zeichen, dass diejenigen, die es ernst meinen mit der Abwägung, eben des Lebensschutzes, und die sich auch vor Augen führen, woher denn embryonale Stammzellen kommen, nämlich durch die Tötung von Embryonen, dass die Gedanken und auch diejenigen, die Bedenken haben, wenn wir einen Stichtag verändern sollten oder schieben sollten, dass dieses Bewusstsein größer geworden ist. Ich kann es jetzt nicht numerisch sagen, aber die Zustimmung und auch die Zuschriften steigen.

    Liminski: Wie steht denn die Ministerin zu der Entscheidung? War sie gestern bei der Fraktionssitzung zugegen?

    Klöckner: Also Bundesministerin Annette Schavan war gestern auch zugegen, war auch sehr lange zugegen. Wir haben auch sehr lange diese Anhörung durchgeführt und diese Diskussionsrunde. Wir hatten etwas Verspätung schon aufgrund unserer Fraktionssitzung. Und ich bin mir sicher, dass Annette Schavan dann sich sehr viel Zeit nimmt und vor allen Dingen auch sehr intensiv versucht abzuwägen. Und ich glaube, sie hat nicht den leichtesten Job zur Zeit.

    Liminski: Das heißt, sie ist nicht ganz auf Ihrer Seite, wenn ich das so recht verstehe?


    Klöckner: Ja, das ist immer schwierig mit den Seiten. Ich glaube, sie ist auch ein bisschen in den Zwängen einer Forschungsministerin. Was sehr gut ist, ist, dass sie jetzt ein neues Programm auflegt von rund fünf Millionen Euro zur Förderung der adulten Stammzellforschung. Und es ist immer schwierig. Ein bisschen schwanger sein kann man nicht in ethischen Fragen. Insofern glaube ich, dass sie versucht, einen politischen Kompromiss zu finden und auch eine Befriedung zu finden, die ich persönlich für falsch halte. Denn ich finde es ein falsches Signal, auch nach außen hin, wenn wir einmal den Stichtag ändern, weil dann bekommen wir auch eine ethische Wandelbühne. Warum soll man ihn nicht zweimal, dreimal ändern oder ganz fallen lassen oder sogar wie die Reproduktionsmediziner fordern, sogar später noch an den Embryonen vorher forschen und sie selektieren.

    Liminski: Warum sind Sie, also die Stammzell-AG, eigentlich gegen eine totale Freiheit der Forschung in diesem Bereich?

    Klöckner: Ja. In unserem Grundgesetz gibt es auch den ganz klaren Satz oder die Leitlinie Schutz des Lebens und der Würde des Lebens. Und die Forschungsfreiheit ist ein Aspekt. Aber es stellt sich ja die Frage, was steht über wem. Und wenn wir der Wissenschaft und der Forschung allein überlassen, was gemacht werden darf und was gemacht werden soll, ich befürchte dann, dass wir dann die Aufgaben verwechseln von Wissenschaft und Politik in einem demokratischen Rechtsstaat. Und hier geht es darum, Leben zu schützen und nicht gute Handlungen oder hehre Ziele zu verhindern. Das ethische Dilemma bleibt. Um embryonale Stammzellen zu bekommen, müssen wir Embryonen töten. Und ich bin dagegen, dass wir nach dem Grundsatz handeln "Der Zweck heiligt die Mittel."

    Liminski: Noch einmal zur Freiheit der Forschung. Besteht da nicht auch die Gefahr, dass die Forschung in Deutschland im Vergleich zum Ausland dann nachhinkt?

    Klöckner: Tja. Die Frage ist natürlich, was die Forschung sich verspricht. Also die embryonale Stammzellforschung lebt allein von staatlichen Geldern und von Steuergeldern. Wir haben ein unzählige oder eine große Anzahl von Anträgen zur Forschung an embryonalen Stammzellen auch in Deutschland. Da sind wir mitnichten hinten dran, wenn wir den weltweiten Vergleich uns vor Augen führen. Und zum anderen ist es ja auch so, dass wir in der Forschung in Deutschland in der adulten Stammzellforschung ganz vorne sind. Also da sind wir Spitzenreiter. Und nicht nur in möglichen Studien oder Heilsversprechen, sondern sogar in der Anwendung und in der Therapie. Wir müssen auch uns immer wieder die Frage stellen, was können wir denn verantworten, was mit Steuergeldern auch geschieht. Zum einen aufgrund der Ergebnisse, die mitnichten so eingetreten sind, wie es schon seit sechs, sieben Jahren immer wieder versprochen wird. Und die andere Seite ist natürlich, was hilft es den Menschen. Und da bin ich dankbar, dass wir anwendbare Therapien haben und das sind die Therapien mit den adulten Stammzellen.

    Liminski: Sie sagen also nein zu der embryonalen Stammzellforschung. Was bieten Sie denn sozusagen in Ihrem Kreis oder in der Fraktion als Alternative? Schließlich ist das Argument, damit Therapien für bislang unheilbare Krankheiten zu entwickeln, ja nicht so einfach von der Hand zu weisen.

    Klöckner: Ich finde es schon, dass es einfach von der Hand zu weisen ist. Denn seit vielen Jahren werden ja anwendbare Therapien versprochen weltweit. Also es geht ja nicht nur um Deutschland, sondern um die Forschung in der ganzen Welt. Und alle, die daran forschen, konnten bisher nicht die Versprechungen einlösen. Denn eines ist klar, dass embryonale Stammzellen außerhalb einer embryonalen Umgebung sich zu Tumorzellen entwickeln. Und das ist den embryonalen Stammzellen zu eigen. Wir können es eigentlich gar nicht verantworten, später in einer Therapie, die angewandt ist beim Menschen, diese hohen Nebenwirkungen und diese Risiken mit einzufangen. Und diejenigen, die wirklich auch viele private Gelder reingesteckt haben. Es gibt unterschiedliche Unternehmen, gerade amerikanische Unternehmen, die haben ihre Tore wieder geschlossen, weil sie ganz klar sagen, in den nächsten 20 Jahren sind überhaupt keine Fortschritte zu erreichen, geschweige denn jemals eine Therapie, die anwendbar ist.

    Liminski: Es gibt eine sinnvolle Alternative zur embryonalen Stammzellforschung. Das war die Vorsitzende der Stammzell-AG in der Unionsfraktion Julia Klöckner. Besten Dank für das Gespräch, Frau Klöckner!

    Klöckner: Sehr gerne!
    Julia Klöckner, Verbraucherbeauftragte der Unionsfraktion im Bundestag
    Julia Klöckner (CDU) (juliakloeckner.de)