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"Es geht mir nicht direkt um die Benutzung von Computern im Plenum"

Die Kanzlerin "simst" im Bundestag - Jimmy Schulz (FDP) las eine seiner Reden als Erster überhaupt von einem sogenannten Tablet-PC ab. Würdelos oder Fortschritt? Wir haben die Videoaufzeichnung - und Schulz' Rechtfertigung.

25.06.2010
    Friedbert Meurer: Es war Donnerstag, 10. Juni: Im Deutschen Bundestag wurde exakt um 19:59 Uhr Geschichte geschrieben. Der Bundestagsneuling Jimmy Schulz betritt das Podium und verstößt gegen ein Tabu.

    O-Ton Jimmy Schulz: Die europäische Bürgerinitiative ist kein Feigenblatt. Diese Initiative ermöglicht die direkte demokratische Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger am Gesetzgebungsverfahren in der EU.

    Meurer: Jetzt werden Sie sich fragen: Was war hieran historisch? – Jimmy Schulz von der FDP hat seine Rede vom iPad abgelesen, also von einem Computer. Das ist eigentlich verboten, verstößt gegen die Würde des Hohen Hauses und hat ein Nachspiel im Geschäftsordnungsausschuss des Bundestages. – Guten Morgen, Herr Schulz.

    Jimmy Schulz: Guten Morgen!

    Meurer: Hat da am Ende das iPad geklemmt bei Ihrer Rede?

    Schulz: Ja. Das war natürlich für mich eine ganz neue Situation. Ich hatte das Gerät gerade mal zwei, drei Stunden und dachte aber, ich will das mal ausprobieren, und war natürlich noch nicht ganz so vertraut, dass ich da ja die Absätze nicht mehr so einordnen kann, wie ich das auf einem Papier kann.

    Meurer: Werden Sie das wieder machen?

    Schulz: Ich glaube, ohne das vorher noch mal ausführlich zu testen, würde ich es nicht noch mal machen. Aber das war ja gar nicht der eigentliche Zweck, das zu benutzen, sondern es ging ja hier auch um mehr, nämlich um herauszufinden, ist das Gerät dafür geeignet, aber können wir es auch im Bundestag im Plenum einsetzen, also wenn wir sitzen und nicht reden.

    Meurer: Aber muss das ausgerechnet im Plenum sein? Manche sagen, das verträgt sich nicht mit der Würde des Hohen Hauses, dann klappen vorne künftig alle ihr Laptop auf.

    Schulz: Ja, gut, es geht mir jetzt hier gar nicht um das Laptop, sondern es geht mir darum, dass wir Berge von Papier, Zeitungen, Unterlagen, Vorlagen, Gesetzesvorlagen, den ganzen Tag mit uns herumschleppen und auch im Plenum ja nebenher lesen, und da ist es sehr wohl sinnvoll, einen digitalen Notizzettel, einen digitalen Aktenordner dabei zu haben, in dem ich auch sehr viel einfacher suchen kann.

    Meurer: Wie viel Papier und wie viel Aufwand könnte der Bundestag Ihrer Meinung nach sparen, wenn das elektronisch auf Ihrem iPad und vergleichbaren PCs der Kollegen landet?

    Schulz: Sie müssen sich vorstellen: Wir nehmen ja Papier mit ins Plenum, sitzen dort teilweise stundenlang, und wenn sich dann was ändert in der Tagesordnung, oder eine Änderung in einem Gesetzesentwurf stattfindet, dann muss mein Team das ausdrucken, hin zum Plenum tragen, dort wird ein Saaldiener mir das an den Platz bringen, und das ist allein eine Zeitverzögerung von 20 Minuten. Das könnte ich aber per E-Mail sofort haben.

    Meurer: Als Sie das mit dem iPad gemacht haben, was hat da eigentlich der Bundestagspräsident oder Vizepräsident hinter Ihnen gesagt?

    Schulz: In dem Moment war ja Thierse Vizepräsident. Er hat in dem Moment gar nichts gesagt. Ich hörte nur hinter mir ein leises Murmeln und hatte schon den Eindruck, dass sie nicht ganz sicher waren, was ich denn da eigentlich gerade mache, beziehungsweise was das überhaupt für ein Gerät ist.

    Meurer: Mit welcher Entscheidung rechnen Sie jetzt im Geschäftsordnungsausschuss? Kann es sein, dass Ihr Vorlesen vom iPad sozusagen jetzt der Durchbruch dafür ist, dass Computer im Plenum erlaubt werden?

    Schulz: Wie gesagt, es geht mir nicht direkt um die Benutzung von Computern im Plenum, sondern Sie wissen ja selbst: Die meisten benutzen ja trotzdem unter dem Tisch ihre Handys, ihre Smartphones zum SMS schreiben, oder auch zum E-Mails lesen und schreiben. Ich glaube sehr wohl, dass es eine große Chance gibt, dass endlich der Bundestag auch im Internet-Zeitalter und im digitalen Zeitalter ankommt. Es ist Zeit dafür und ich hoffe, dass der Geschäftsordnungsausschuss das genauso sieht.

    Meurer: Also wollen Sie, dass es beim Verbot bleibt, wenn ein Abgeordneter vorne am Pult eine Rede hält, dass er da ein elektronisches Hilfsmittel mitnimmt?

    Schulz: Das würde ich jetzt momentan gar nicht so in den Vordergrund stellen. Mir geht es mehr darum, dass wir es im Plenum als Arbeitsmittel einsetzen können.

    Meurer: Ist das auch ein bisschen Ihre Erfahrung jetzt aus der Rede? Die "FAZ" hat Ihre Rede zwar auch "historisch" notiert, aber sie sei dann doch ziemlich holprig gewesen. Nehmen Sie sich jetzt vor, dann lieber vielleicht frei beim nächsten Mal zu reden?

    Schulz: Eins habe ich aus der Geschichte natürlich gelernt, wenn ich öffentlich so dafür gescholten werde, dass die Rede so holprig war – und sie war definitiv vom Vortrag her nicht die beste -, dass ich beim nächsten Mal lieber frei reden werde.

    Meurer: Also frei reden im Bundestag, das hat dann doch mehr Leidenschaft und Feuer, als PCs in das Plenum mitnehmen?

    Schulz: Das ist richtig.

    Meurer: Das war der Abgeordnete Jimmy Schulz von der FDP über seinen Auftritt vor dem Deutschen Bundestag vor einigen Tagen. Damit beschäftigt sich jetzt der Geschäftsordnungsausschuss des Bundestages, weil er vom iPad abgelesen hat. – Herr Schulz, ich bedanke mich und auf Wiederhören.

    Schulz: Auf Wiederhören!

    Videoaufzeichnung der iPad-Rede von Jimmy Schulz am 10. Juni 2010 (Quelle: Deutscher Bundestag/Videoarchiv)

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