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"Es ist kein hilfloses Zeichen"

Der Bürgermeister der niederbayerischen Marktgemeinde Fürstenzell, Franz Lehner, hat seine Solidarität mit dem von mutmaßlichen Rechtsextremisten niedergestochenen Passauer Polizeichef Alois Mannichl ausgesprochen. Mit einer Lichterkette werde man am Abend in der Heimatgemeinde des Polizisten gegen Extremismus demonstrieren.

Franz Lehner im Gespräch mit Jochen Spengler | 22.12.2008
    Jochen Spengler: Zugehört und jetzt am Telefon ist Franz Lehner. Er ist parteilos und Bürgermeister der niederbayerischen Marktgemeinde Fürstenzell. Guten Morgen, Herr Lehner.

    Franz Lehner: Guten Morgen, Herr Spengler.

    Spengler: Fürstenzell ist jene 8000-Seelen-Gemeinde, in der Passaus Polizeidirektor Alois Mannichl lebt und wo er am Samstag vor einer Woche bei einem Mordanschlag durch einen mutmaßlichen Rechtsextremisten schwer verletzt wurde. Alois Mannichl konnte am Freitag aus dem Krankenhaus entlassen werden. Herr Lehner, können Sie uns sagen, wie es Ihrem Gemeindemitglied Mannichl geht?

    Lehner: Ich weiß es nicht explizit, wie Herr Mannichl derzeit sich befindet, aber ich denke, er ist wohl auf und wird genesen. Er wird jetzt im Augenblick zu Hause sein.

    Spengler: Etwas tun gegen den Rechtsextremismus, hat Innenminister Caffier gerade eben gesagt. Sie, Herr Lehner, wollen heute Abend etwas tun. Was?

    Lehner: Ja. Wir wollen zunächst unsere Solidarität mit dem Herrn Mannichl bekunden, indem wir eine Lichterkette im Markt machen, und wir wollen natürlich auch zeigen, dass wir gegen Extreme jeder Richtung auf die Straße gehen, und zeigen, dass sie unerwünscht sind.

    Spengler: Ist die Lichterkette mehr als ein hilfloses Zeichen guter Menschen, das die Neonazis letztlich wenig beeindrucken wird?

    Lehner: Es ist kein hilfloses Zeichen, sondern die Bevölkerung, glaube ich, braucht Anhaltspunkte, um zu sehen, dass wir das ganze nicht einfach hinnehmen.

    Spengler: Wie ist denn die Stimmung in Ihrer Gemeinde? Ist Alois Mannichl für Ihre Gemeindemitglieder ein Held und die stehen geschlossen hinter ihm, oder gibt es auch solche Stimmen, die vielleicht nicht laut, aber möglicherweise leise sagen, dass Alois Mannichl es übertrieben haben könnte?

    Lehner: Wir sprechen überhaupt nicht von Heldentum, sondern von einer ganz normalen Erfüllung seiner Aufgaben. Herr Mannichl hat sich immer Ziele gesetzt in seiner Arbeit. Er ist ja auch im Marktgemeinderat und auch hier vertritt er seine Meinung immer offen - und das hat er auch in seiner Arbeit getan -, dass er gegen Extreme rechts und links jeweils entsprechend vorgeht.

    Spengler: Und da steht die Gemeinde hinter ihm?

    Lehner: Wir stehen hinter ihm, indem wir sagen, Extremismus hat in unserer Gesellschaft nichts zu suchen.

    Spengler: Aber Extremisten treffen sich in Ihrer Gemeinde, im Café Traudel.

    Lehner: Das ist leider Gottes Tatsache. Das müssen wir so sehen. Wir hoffen aber, dass das von nicht langer Dauer sein wird.

    Spengler: Aber dagegen können Sie eigentlich als Bürgermeister gar nichts tun oder?

    Lehner: Wir können eigentlich nichts dagegen unternehmen, solange dieses Lokal besteht.

    Spengler: Was tun Sie denn überhaupt gegen Rechtsextremisten? Es gibt ja gar nicht so viele im Raum Passau. Das sollen eigentlich drei Dutzend nur sein.

    Lehner: Ja, da haben Sie Recht. Es gibt nicht viele. Nur haben die sich halt zufällig Fürstenzell als Treffpunkt ausgewählt, weil einfach die Lokalität und der Mann da ist, der sie rein lässt. Aber wir haben unterschiedlich bisher reagiert. Auf ein Treffen des Bundesvorsitzenden der NPD haben wir eine Großdemonstration veranstaltet, auch friedlich und ruhig, und danach waren wir eigentlich ruhig und haben die Leute nicht mehr beachtet. Das, glaube ich, ist auch das schlimmste, was denen passieren kann, dass sie nicht mehr Beachtung finden.

    Spengler: Also Sie sagen, besser nicht beachten, als gegen sie zu demonstrieren?

    Lehner: Beides muss man machen. Man muss der Bevölkerung und denen, die sagen, ja was tut ihr denn, zeigen: Wir sind dagegen. Und dann muss man aber schauen, dass die nicht mehr in den Blickpunkt rücken.

    Spengler: Herr Lehner, gibt es so etwas wie Angst in Ihrer Gemeinde vor den Rechtsextremisten?

    Lehner: Nein, auf keinen Fall.

    Spengler: Die waren nicht einschüchternd genug, um Angst zu verbreiten?

    Lehner: Wir lassen uns nicht einschüchtern.

    Spengler: Haben Sie Ihrer Ansicht nach in den letzten Jahren genug getan?

    Lehner: Ich denke schon. Wir haben das getan, was der Situation entsprechend angemessen war. Das waren einmal Demonstrationen, und die waren sehr gut besucht. Für unsere kleine Gemeinde waren das 500 Leute. Auf der anderen Seite haben wir sie völlig ignoriert, und diese Taktik war, glaube ich, ganz gut.

    Spengler: Mit wie vielen Leuten rechnen Sie heute Abend bei der Lichterkette?

    Lehner: Nachdem auf allen Medien eingeladen wird denke ich, dass es schon mehrere Hundert sein werden.

    Spengler: Wir sprechen mit dem Bürgermeister der Gemeinde Fürstenzell, Franz Lehner. - Herr Lehner, hat die große Politik genug getan? Es heißt, die Polizei in Passau sei chronisch unterbesetzt und überaltert.

    Lehner: Das kann ich jetzt nicht bestätigen. Da kenne ich mich zu wenig aus. Aber ich denke, es müsste weitaus mehr noch getan werden, um für die Familien und für die Schulen die nötigen Leute zu haben, an der Hand zu haben, die unterstützend eingreifen bei der Erziehung und vor allen Dingen auch bei der Diskussion über solche Themen.

    Spengler: Was sollten diese Leute denn tun?

    Lehner: Wir haben das versucht am Maristen-Gymnasium. Bei uns gibt es ein großes Gymnasium mit 1000 Schülern. Dort ist dieses Thema sehr intensiv aufgearbeitet worden und die jungen Leute waren auch mit Begeisterung dabei und haben persönlich hinterher gesagt, wir sind sehr froh, dass wir über das Thema gesprochen haben.

    Spengler: Und was waren das für Leute, die diese Themen angesprochen haben?

    Lehner: Die Lehrer.

    Spengler: Die Lehrer selber, die weitergebildet waren?

    Lehner: Die Lehrer selber haben sich da stark engagiert.

    Spengler: Das heißt, sie mussten auch Weiterbildung machen, um mit diesem Thema umgehen zu können?

    Lehner: Das kann ich jetzt nicht so nachvollziehen. Auf alle Fälle ist das sehr intensiv in den Schulen bearbeitet worden.

    Spengler: Sie haben sich dem Thema jedenfalls gestellt?

    Lehner: Ja.

    Spengler: Fühlen Sie sich mit dem Problem der Rechtsextremen trotzdem alleine gelassen von der großen Politik?

    Lehner: Nein, fühle ich mich nicht. Wir haben viele Partner, von der Polizei bis zur Politik. Das ist, denke ich, schon ausreichend.

    Spengler: Das war Franz Lehner, Bürgermeister der Marktgemeinde Fürstenzell. Viel Erfolg heute Abend und danke für das Gespräch, Herr Lehner.