Mittwoch, 08. Mai 2024

Archiv


"Es ist so verbindlich, wie eine Willenserklärung sein kann"

Georg Ehring nennt das beschlossene Zwei-Grad-Ziel des Klimagipfels nicht rechtsverbindlich, da niemand individuell für die Einhaltung verantwortlich gemacht werden könne. Ferner bezeichnet er die Senkung des CO2-Emission als eine ungelöste Frage dieses Gipfels.

Georg Ehring im Gespräch mit Theo Geers | 13.12.2010
    Theo Geers: Georg Ehring hat zwölf lange 16-Stunde-Tage in Cancún hinter sich. Herr Ehring, bemerkenswert ist ja, dass selbst die Umweltschützer erst mal zufrieden waren mit dem, was herausgekommen ist. Oder feiert man da etwa einen Erfolg, der nur deshalb so toll aussieht, weil die Erwartungen vorher so niedrig gehängt wurden?

    Georg Ehring: Da ist durchaus etwas dran. Die Erwartungen sind niedrig gehängt worden. Der Ansatz der Verhandlungsleitung, der mexikanischen Verhandlungsleitung in Cancún war, nur das versuchen zu vereinbaren, was auch tatsächlich konsensfähig ist, also das Zwei-Grad-Ziel, die Erdatmosphäre um nicht mehr als zwei Grad zu erwärmen, der Fonds für den Klimaschutz in Entwicklungsländern, der Schutz der tropischen Regenwälder und juristische Grundlagen für ein künftiges Klimaschutzabkommen. Was nicht verabschiedet worden ist, ist die Gretchenfrage, bei der Emission nämlich: welches Land senkt seine CO2-Emissionen um wie viel und wie begrenzen die Schwellenländer ihre Emissionen. Die Erwartungen waren also heruntergeschraubt, aber trotzdem ist das Ergebnis auch unter einem weiteren Punkt positiv zu bewerten. Nach Kopenhagen, nach der gescheiterten Klimakonferenz in Kopenhagen, war das Vertrauen in den internationalen Klimaschutz insgesamt sehr erschüttert und jetzt weiß man, man kann sich auf solchen Konferenzen auch auf etwas einigen und damit kann die Weltgemeinschaft auch die vielen ungelösten Fragen des Klimaschutzes wieder angehen.

    Geers: Picken wir noch mal ein Ergebnis heraus von Cancún, Herr Ehring: das Zwei-Grad-Ziel. Das ist jetzt festgeschrieben. Aber wie verbindlich ist das ganze?

    Ehring: Ja. Es ist so verbindlich, wie eine Willenserklärung sein kann. Es ist die Messlatte, die von der gesamten Staatengemeinschaft erreicht oder gerissen werden kann. Man kann niemanden individuell dafür verantwortlich machen, also ist es auch nicht wirklich so verbindlich, dass man von einer rechtsverbindlichen Verbindlichkeit sprechen kann. So wichtig wie das Zwei-Grad-Ziel ist, ist aber auch ein weiterer Beschluss in dem Zusammenhang. Man hat festgestellt, dass zwischen dem, was im Klimaschutz jetzt geplant, noch lange nicht umgesetzt ist, und dem Zwei-Grad-Ziel eine große Lücke klafft. Die UNEP, das UN-Umweltprogramm, hat ausgerechnet, dass erst 60 Prozent dessen, was bis 2020 nötig ist, beschlossen ist, und die individuellen Reduktionsziele haben die Industrieländer nach Kopenhagen hinterlegt und die müssen noch mal kräftig aufgestockt werden.

    Geers: Nun wurde auch ein Klimaschutz-Fonds beschlossen, hört sich auch toll an: 100 Milliarden Dollar jährlich ab 2013 sollen im Topf sein. Wer zahlt das ganze?

    Ehring: Auch das ist im einzelnen noch zu klären. Die Industrieländer sollen zahlen, es soll privates Kapital da einfließen und eine interessante Idee sind neue Finanzquellen. Das sind erst mal Erlöse aus dem Emissionshandel. Deutschland will zum Beispiel die gesamten Emissionshandelserlöse komplett in den Klimaschutz stellen, sicherlich auch zum Teil in diesen Fonds. Und dann gibt es die Möglichkeit, zum Beispiel auf Schiffsdiesel, auf Flugbenzin internationale Steuern zu erheben, das wird durchaus ernsthaft diskutiert, und die Erlöse daraus auch für den Klimaschutz zur Verfügung zu stellen, für diesen Fonds. Schiffsdiesel und Flugbenzin werden bisher nicht besteuert, weil die Eigentümer der Schiffe und der Flugzeuge dann einfach in ein anderes Land ausweichen könnten, und da gibt es jetzt den Gedanken, international aus Steuern das zu bezahlen.

    Geers: Nun sehen sich ja bisher auch immer die Europäer gerne als Vorreiter beim Klimaschutz, Herr Ehring. War das jetzt eigentlich auch in Cancún so, oder hat sich da was verändert?

    Ehring: Da hat sich eindeutig was verändert. Europa war früher der Vorreiter und ist es im Moment eindeutig nicht mehr. Die Europäische Union hat in einem Punkt erfolgreich sich durchgesetzt, in einem positiven Punkt, nämlich die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit in Cancún tatsächlich in den Text aufzunehmen. Vorreiter waren aber eigentlich die Schwellenländer, Brasilien, China, Indien, Mexiko. Das sind Länder, die ihren CO2-Ausstoß noch stark steigern, aber die erkannt haben, dass es nicht so weitergehen kann. Sie unternehmen massive Anstrengungen in erneuerbare Energien. Südkorea hat zum Beispiel sein gesamtes Konjunkturprogramm für die Förderung erneuerbarer Energien verwendet, in Europa war es nur ein Bruchteil, und diese Länder sind eigentlich auch die Vorreiter auch bei den diplomatischen Initiativen, die in Cancún vorgelegt wurden. Indien zum Beispiel hat den entscheidenden Vorschlag gemacht, wie Emissionen berichtet und gemessen werden können, worauf sich China dann am Ende eingelassen hat. Die Europäische Union ist demgegenüber deutlich zurückgefallen.

    Geers: Danke schön! – Das war Georg Ehring mit Einschätzungen über die Ergebnisse des Klimagipfels von Cancún.